Amiran Shavadze, 2019 mit dem SVF in die Oberliga aufgestiegen, will sich für die auch beim zweiten Anlauf eingetrübten Olympischen Spiele in Japan qualifizieren. Sein Onkel, der Fellbacher Trainer Tariel Shavadze, unterstützt ihn bei dem Unterfangen.

Rems-Murr: Thomas Rennet (ren)

Fellbach - Für ein paar Tage standen auch die größtmöglichen Ambitionen auf den Ringermatten hintenan. Ein Todesfall im engsten Familienkreis stoppte den Trainingszyklus. Die kleine Sportgemeinschaft fand zwar in Batumi zusammen, aber der Sport hatte Pause. Wenig später war Amiran Shavadze zurück im Ausleseprozess vor den Olympischen Spielen und bekräftigte seine Chancen, obschon er bei den georgischen Meisterschaften in Tiflis nicht über den dritten Platz hinauskam. Zur besseren Einschätzung braucht es die Details, die sich hinter diesem Ergebnis verstecken. Tariel Shavadze, der Trainer des SV Fellbach, kennt diese Details. Der 50-Jährige stand dem Neffen bei den Titelkämpfen in der Hauptstadt des Heimatlandes zur Seite. Er weiß, warum der Meister 2020 auch als Dritter nicht an Wertschätzung eingebüßt hat. Amiran Shavadze, 27, war in der nächsthöheren Gewichtsklasse Dritter.

 

Amiran Shavadze trat noch stärkeren Kontrahenten entgegen

Der Olympiakandidat im griechisch-römischen Stil hatte Ende Dezember als einer der wenigen die Erlaubnis des georgischen Cheftrainers Lado Gegeshidze bekommen, vom Vergleich mit der gewohnten Konkurrenz abzusehen. Amiran Shavadze langte in Tiflis dementsprechend in der Kategorie bis 63 Kilogramm hin und nicht wie sonst in jener bis 60 Kilogramm. Das war durchaus ein Privileg für ihn, weil er so darauf verzichten konnte, gehörig Gewicht abzukochen. Das meist unumgängliche Abnehmen vor Wettkämpfen ist ein kräftezehrendes Prozedere, das sich der Bronzemedaillengewinner der Europameisterschaften 2020 in Rom – in der Gewichtsklasse bis 60 Kilogramm, versteht sich – diesmal ersparen konnte. Dafür trat er im Ringerland Georgien noch etwas robusteren Kontrahenten entgegen, entschied drei seiner vier Kämpfe für sich. „Amiran hat das gut gemacht – gegen ganz starke Leute“, sagt Tariel Shavadze.

Noch kann der 1,65 Meter kleine Griffkünstler schaffen, was sein Onkel zu Beginn dieses Jahrtausends unglücklich verpasst hat. Tariel Shavadze war für die Olympischen Spiele 2000 in Sydney bereits so gut wie qualifiziert, ehe ihm eine Verletzung den Traum nahm. Ungeachtet der Frage, ob die neuerlich geplanten, aber neuerlich von der Corona-Krise eingetrübten Sommerspiele in Japan beim zweiten Anlauf standhalten werden, hat der Neffe – und Sohn von Tariel Shavadzes Zwillingsbruder Phridon – in den nächsten Monaten noch mächtige Hürden zu bewältigen. Ende Februar wollen sich die vielversprechendsten Ringer Georgiens in Kiew präsentieren. Bei dem internationalen Turnier in der Ukraine wird sich weisen, wer auch noch im März auf ein Ticket nach Tokio hoffen darf.

Viele Kandidaten ringen um wenige Olympia-Plätze

Amiran Shavadze, vor dem Ausbruch der Seuche in der zweiten Jahreshälfte 2019 mit dem SV Fellbach von der Verbands- in die Oberliga aufgestiegen, hat alle Hände voll zu tun. Bei Olympischen Spielen sind im griechisch-römischen Stil lediglich die Klassen bis 60, 67, 77, 87, 97 und 130 Kilogramm im Angebot. Ein Stau der Interessenten ist die Folge. Auch bei den Leichtesten in Georgien. Jeweils einer kann sich in Kiew für ein kontinentales Olympia-Qualifikationsturnier in Budapest (18. bis 21. März) und für ein globales Olympia-Qualifikationsturnier in Sofia (6. bis 9. Mai) empfehlen. Nur wer dann in Ungarn oder Bulgarien das Finale seines Klassements erreicht, darf die Reise nach Japan buchen. „Es ist fast einfacher, Olympiasieger zu werden, als sich für Olympische Spiele zu qualifizieren“, sagt Manuel Senn, Ligen- und Kampfrichterreferent des Württembergischen Ringerverbands (WRV). Im Vorfeld sind definitiv Weltklasse-Leistungen erforderlich. Da trifft es sich gut, dass Amiran Shavadze, der Mann vom SV Fellbach, Weltklasse-Leistungen zu seinem Repertoire zählt.

Über die Rückkehr ins SVF-Team ist noch nicht entschieden

Ob der Topathlet nach dem Saisonausfall 2020 – und vielleicht ja auch der Olympia-Teilnahme im Sommer – wieder das Team des SV Fellbach bereichern wird, ist noch nicht entschieden. Auch ein Engagement in der Bundesliga, wie bereits 2017 in Diensten der RKG Freiburg, ist denkbar. Tariel Shavadze kann diese für den Neffen gerade noch nachrangige Entwicklung entspannt betrachten. Der Rest der Mannschaft, momentan im Lockdown, wird nach Lage der Dinge wohl auch künftig gemeinsam auftreten. Und die Verbindung zu den georgischen Landsmännern ist eh eine unzertrennliche. Zuletzt, 2019, trugen neben Amiran Shavadze auch Amiran Tsetskhladze und Nodar Egadze zum Aufstieg in die Oberliga bei. An versierten Kandidaten fehlt es in Georgien nicht. Die neue Runde soll am 4. September beginnen. Davor sollen von März oder April an zuvorderst für Nachwuchskräfte Einzelwettkämpfe ausgetragen, möglichst die Besten in Württemberg und Deutschland ermittelt werden. Nach wie vor allerdings und noch zumindest bis zum 14. Februar dürfen die Fellbacher nicht einmal untereinander ihre fachkundig ausgeführten Handgreiflichkeiten verfeinern. „Das ist eine schwierige Zeit auch für jeden Sportler“, sagt Tariel Shavadze über die schon seit Anfang November anhaltende zweite Corona-Zwangspause. Ausnahmen bilden jene Akteure, die mit größtmöglichen Ambitionen auf den Ringermatten vornedran stehen. Athleten wie Amiran Shavadze.