Robert Förch hat in seinen Kunstdrucken die Spuren von Menschen in Landschaften festgehalten. Die Szenerien haben auch etwas ganz und gar Irreales. Gerade ist der Mann aus Stuttgart-Hoffeld 90 geworden.

Hoffeld - Robert Förch zieht eine dieser großen braunen Linoldruckplatten aus dem Regal und legt sie auf den Werktisch seines Ateliers. Dann eine zweite im exakt selben rechteckigen Format. Die beiden Platten zeigen dasselbe Motiv: ein ligurisches Dorf an der Küste. Doch die Details, die aus dem weichen Material herausgeschnitten wurden, sind jeweils ganz verschieden. Hier die turmartigen Häuser mit ihren ineinander verschachtelten Dachlandschaften. Dort der Himmel und das Meer. „Vier solcher Platten werden exakt übereinandergedruckt“, erklärt der Künstler. Jede einzelne verleiht einem anderen Detail des späteren Bildes jeweils eine bestimmte Farbe. Zarte Blau-, Grün und Rottöne dominieren. „Das ist viel Handwerk“, sagt der Druckgrafiker aus Stuttgart-Hoffeld, der kürzlich seinen 90. Geburtstag gefeiert hat. „Genau das habe ich immer gemocht“: Jede Grafik ist das Ergebnis eines mühevollen Weges, wie Förch sagt.

 

Sein Augenlicht ist jetzt zu sehr eingeschränkt

Bis vor einem halben Jahr hat der 90-Jährige noch künstlerisch gearbeitet. Jetzt sei sein Augenlicht so weit eingeschränkt, dass dies nicht mehr möglich ist. Robert Förch führt gemeinsam mit seiner Frau Irmgard durch Atelier und „die Asservatenkammer“ im Obergeschoss ihres Hauses in Hoffeld. Das Werkverzeichnis, das er führt, umfasst mehr als 300 Kunstwerke. Von hier oben geht der Blick hinaus ins sommerlich grüne Ramsbachtal. Auch das hat der Künstler schon in Linol festgehalten. „Aber auch wenn ich einen ganzen schwäbischen Zyklus gemacht habe – fasziniert hat mich immer der Süden und der Norden Europas: die Landschaften Liguriens, Dalmatiens, die Bretagne oder Irland.“ Er sei immer viel auf Reisen gewesen, erzählt der Künstler, der in den 1950er Jahren in der Klasse des österreichischen Grafikers Karl Rössing an der Kunstakademie in Stuttgart studiert hat.

An der Akademie herrschte damals ein Glaubenskrieg

„Das war die entscheidende Begegnung“, betont Förch. Für Rössing waren Zeichnungen nur Vorarbeiten zur Druckgrafik. An der Akademie, erzählt der Künstler, herrschte damals ein Glaubenskrieg zwischen den abstrakt und den gegenständlich arbeitenden Künstlern, „Baumeister war das Vorbild vieler“. Ihn, Förch, habe das Abstrakte hingegen nie interessiert. Hatte er bis dahin vor allem Zeichnungen, Radierungen und Lithografien bevorzugt, wird unter dem Einfluss von Rössing von nun an der Linolschnitt seine Passion.

Seine Sujets sind die von Menschen geprägten Landschaften, Städte, Architekturen und Interieurs, auf denen jedoch selten Personen abgebildet sind. Die behutsam, nur mit dem Gewicht des Handballen gedruckten Farbflächen, erscheinen darin sphärisch, erlauben eine Differenzierung, die im maschinellen Druck nicht erreicht werden kann. Die menschenleeren Räume, die Förch ins Bild setzt, erzählen dabei ihre Geschichten nur durch die Spuren, die die Menschen in ihnen hinterlassen haben. Das kann ein umgefallener Stuhl genauso sein wie eine verlassene Austernbank im Finistère. Es sind Orte einer vergangenen Realität. Den Drucken selbst wohnt gleichwohl etwas ganz und gar Irreales inne.

Künstlerischer Durchbruch an der Westküste Irlands

Seit 1972 lebt der Künstler und seine Familie in Hoffeld. Geboren wurde er am 4. Juni 1931 in Künzelsau. Sein ältestes Bild, das er noch besitzt, zeigt eine in expressiven Farben dargestellte Prozession in Ellwangen. Eine Schülerarbeit aus den 40er-Jahren. Weil der spätere Lehrer der Grafischen Fachschule in Stuttgart, der heutigen Johannes-Gutenberg-Schule, neben der Kunst ein zweites Lehrfach benötigte, hatte Förch zudem Anglistik studiert – was sich als Glücksfall erweisen sollte. „Im Anschluss an mein Englischstudium in Wales machte ich eine lange Reise durch Irland“, erzählt der Künstler. Dort entdeckte er die schroffe Westküste für sich und seine Arbeit. „Im Nachhinein war das mein künstlerischer Durchbruch.“

Es folgten hymnische Kritiken in großen deutschen Zeitungen sowie viele Preise, unter anderem der Rompreis der Villa Massimo, wo er zum wiederholten Male auf Heinrich Böll trifft. Der weltberühmte Schriftsteller will prompt einige seiner Werke erwerben. Später schreibt der Literaturnobelpreisträger an Förch: „Es gab ja wirklich nach 45 eine Art Terror des Abstrakten – Ihr Weg war konsequent und wie mir scheint erfolgreich.“

Dass er während der Pandemie seinen 90. Geburtstag überhaupt würde feiern können, hatten Robert Förch und seine Frau nicht erwartet. Doch es kam zum Glück anders: „Just am Tag davor wurde die Kontaktbeschränkung für zweimal Geimpfte aufgehoben, sodass viele Nachbarn zum Gratulieren kamen“, erzählt Irmgard Förch. „Wir beide fanden das herrlich.“