Seine Helden sind nie ganz zu fassen, auch in seinem neuen Film nicht: Der 76-jährige Robert Redford lässt in das grandiose Drama „All is lost“ die Erfahrung eines ganzen Lebens einfließen.

Stuttgart – Niemand weiß, wo er herkam“, so heißt es in dem Western „Jeremiah Johnson“, in dem der junge Robert Redford als Titelheld der Zivilisation den Rücken kehrt, allein in die Berge reitet und dort ein freies, autarkes Leben führen will. Jetzt aber, gut vierzig Jahre später, ist Redford noch viel weiter draußen: In J. C. Chandors seit Donnerstag im Kino zu sehenden großem Drama „All is lost“ spielt er einen Segler, der auf seiner leck geschlagenen Yacht im Indischen Ozean treibt und mit allen Mitteln versucht, sich gegen den drohenden Untergang zu wehren. Auch in diesem Film wird nicht erklärt, woher dieser Mann kommt, warum er allein aufs Meer hinausgefahren ist, wohin er wollte. Wir erfahren nicht mal seinen Namen, wir  sehen nur seinem stoisch-heroischen Kampf gegen die Elemente zu. Aber genau das passt zu Redford, dessen schweigsame Helden oft ohne konkrete Vergangenheit, ohne genau definierte Herkunft bleiben.

 

Als wäre dieser Mann ein Kunstwerk

Diese Männer kommen ja auch aus dem Reich der Romantik und des Mythos. Sie tauchen in der Dämmerung aus den Weiten der Savanne auf wie der Großwildjäger Finch-Hatton in „Jenseits von Afrika“ (1985), oder sie schließen sich, wie der „Große Gatsby“ (1974), in einen Traum ein, den sie selber nicht begreifen können. So schön, so blond, so klar diese Helden auch aussehen mögen: sie schweben oft in eigenen Sphären, sie sind nie ganz zu fassen. In „Cherie Bitter“ (1973), besser bekannt unter dem Originaltitel „The Way we were“, sitzt Robert Redford bei seinem ersten Auftritt in weißer Leutnantsuniform an einer Bar und hat die Augen geschlossen. Ganz vorsichtig nähert sich ihm Barbra Streisand als seine spätere Geliebte, will mit den Fingerspitzen seine Stirn berühren, scheut dann doch davor zurück. So als wäre dieser Mann ein Kunstwerk – oder überhaupt nicht ganz von dieser Welt.

Dabei wirkt Redford in seinen Filmen nie arrogant und verlässt sich auch nicht auf sein sozusagen überwirklich gutes Aussehen. Er eignet sich vielmehr seine Rollen an, agiert oft sehr physisch, arbeitet auch im Team. Das Faszinierende aber ist, dass ihn trotzdem eine Aura des Allein- und Andersseins umgibt, so als bräuchte er eigentlich niemanden, so als wäre er sich selbst genug. Liebesfilme mit Robert Redford handeln auch davon, wie einer seinen Freiraum benötigt und sich, wenn ihm dieser nicht gewährt wird, ganz zurückzieht. Im Abspann des Ein-Personen-Films „All is lost“ findet sich statt eines Rollennamens lapidar die Bezeichnung „Our Man“. Aber das heißt eben gerade nicht, dass Redford einen Jedermann spielte. Er ist keiner von uns, sondern einer für uns. Dieser Held wird von den anderen oft als Retter reklamiert, etwa im Watergate-Thriller „Die Unbestechlichen“ (1976). Er steht dann für das gute, liberale, fortschrittliche Amerika. Und auf merkwürdige Weise überlagert sich dabei die Leinwandikone Robert Redford mit dem Image der Person.