Robert Wilson, Isabelle Huppert, Angela Winkler: Weltstars sind am Samstagabend im ZKM zu Gast.

Karlsruhe - Er ist ein Großmeister der Bühne, ein virtuoser Arrangeur der Stimmen und Klänge, vor allem aber ein herausragender Architekt des Raums und der Bilder. In der Oper „Monsters of Grace“ von 1998 hat er das Visuelle geradezu explodieren lassen, wieder einmal zu Musik seines alten Weggefährten Philip Glass. Nun aber arbeitet Robert Wilson im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) an „Monsters of Grace II“ – und macht genau das Gegenteil: Er beschränkt sich auf den rein akustischen Raum.

 

Sein erstes Hörspiel wird am Samstagabend live aufgeführt und übertragen (SWR 2, 19.05 Uhr), aber was genau zu hören sein wird, wissen auch die Protagonisten bis jetzt noch nicht so recht – und das sind immerhin die Schauspielerinnen Isabelle Huppert, Angela Winkler und Anna Graenzer, ihr Kollege Jürgen Holtz und der Dichter Christopher Knowles. Auf die Frage, was denn ihre Rolle in dem Stück sei, antwortet der nur wenige Stunden zuvor angereiste Weltstar Isabelle Huppert in einer Probenpause am Donnerstagabend lächelnd: „Es ist noch zu früh, um zu sagen, was meine Aufgabe ist.“

Ein Arbeit mit Bauklötzen

Den Schauspielern stehen zwei harte Nächte bevor, doch sie kennen das, denn sie arbeiten nicht das erste Mal mit Wilson zusammen. „Die Konstruktion steht“, sagt er, „eine Zeit-Raum-Konstruktion. Jetzt muss das Gebäude gefüllt werden.“ Wie mit Bauklötzen, sagt Jürgen Holtz hernach. Die Bausteine sind ausschließlich akustisch, auch wenn Wilson froh ist, die ZKM-Bühne für die Aufnahme des Stückes zur Verfügung zu haben und nicht in ein Studio zu müssen. „Der Raum macht es den Schauspielern leichter.“

Klar ist, dass es eine Montage von Tönen, Musik und Texten sein wird, unter anderem von Lukrez, Gertrude Stein und Christopher Knowles. Bei den ARD-Hörspieltagen, die mit „Monsters of Grace II“ anlässlich ihres Zehn-Jahr-Jubiläums sich und ihr Publikum beschenken, gehört das Stück eher zur Klangkunstseite des breiten Spektrums der Kunstform Hörspiel. In Karlsruhe wird seit 2006 auch diese Form gepflegt. Die Veranstaltung hat sich dort als  Kulturereignis etabliert, das oft mehr als 10 000 Besucher anzieht. Und die sind keineswegs nur gesetzten Alters. Die Zuhörer, die der Präsentation der zehn Wettbewerbsbeiträge für den deutschen Hörspielpreis im ZKM folgen, beweisen dies.

Literarisches im Wettbewerb für den Deutschen Hörspielpreis

Dort geht es allerdings eher klassisch zu. Das literarische Hörspiel dominiert, einen adaptierten Theatertext von Daniel Kehlmann etwa („Geister in Princeton“) hat der Norddeutsche Rundfunk eingereicht, ein nettes, intelligentes Spiel über den Mathematiker Kurt Gödel. Ein wunderbares Dialogstück über das Alter hingegen kommt vom Hessischen Rundfunk und dem Deutschlandfunk. Jean-Claude Kuner hat die Schauspieler Nadja Tiller und Fritz Lichtenhahn in einem Hamburger Seniorenheim besucht und sie zum Gespräch und Spiel über ihre künstlerische Karriere verführt, indem er sie nach ihren Traumrollen fragte (die Wettbewerbsbeiträge können unter www.radio.ard.de gehört werden). Am Samstagaabend, nach der Uraufführung von „Monsters of Grace II“, wird im Verlauf der „Nacht der Gewinner“ der Preisträger bekanntgegeben.

Am Rande rauscht der Klang

Um den Wettbewerb herum wird eher die andere, die Klangseite der Hörspielkunst bedient. Am Donnerstagabend beschäftigten sich in der Hörspielperformance „Keil getrieben“ Studenten der Hochschule für Gestaltung mit Georg Büchners „Lenz“, am Freitag brachte der Pianist Hauschka experimentelle Musik zu Gehör. Heute (16 Uhr) gibt es unter dem Titel „Parking Arrangements“ elektronische Musik von Matt Wand, ein elektroakustisches Werk von Daniel Teruggi und ein Sound- und Videoprojekt der Künstlerinnengruppe Chicks on Speed.

Eine breite Spannweite also im ZKM. Sie beschreibt auch der Titel eines am Donnerstag zu Ende gegangenen dreitägigen Symposions, eine Geburtstagsgabe der Hochschule für Gestaltung und des ZKM: „Choreography of Sound – Between Abstraction and Narration“. Unter anderem war dabei von urbanen Klanglandschaften die Rede, mit deren Gestaltung sich Sounddesigner beschäftigen. Wenn man sich den Klang einer Stadt oder ganz generell den Mix aus Maschinen- und Naturgeräuschen sowie Stimmen vergegenwärtigt, der in manchen Stücken radiofoner Kunst aufgenommen und gestaltet wird, würde man unweigerlich gerne wissen, welche Musik aus einem runden blauen Lautsprecher namens Erde käme, dränge ihr Lebenssound hinaus ins Weltall. Die Hörspieltage im ZKM bieten eine homöopathische Dosis davon – allerdings ist die wohlkomponiert.

Der Mann, der lauscht

Wie kommt ausgerechnet Bob Wilson dazu, ein Hörspiel zu machen? Am Rande seiner Ausstellung von Videos 2010 im ZKM habe er mit geschlossen Augen an einem Tisch gesessen. Ekkehard Skoruppa, der Hörspielchef des Südwestrundfunks, sei an ihn herangetreten und habe ihn gefragt, was denn sei. „Ich habe geantwortet: ich höre auf den Raum. Daraufhin hat er mich gefragt, ob ich nicht mal ein Hörspiel machen wolle.“ Wilson hat es getan.