Karat, City und der Ex-Puhdys-Sänger Maschine lassen in der Stuttgarter Porsche-Arena den Ostrock hochleben – als „Special Guest“ ist Matthias Reim dabei. Die dreistündige Revue zeigt, wie die Grenzen zwischen Rock, Pop und Schlager verwischen.

Stuttgart - Wer am Samstagabend in die Porsche-Arena wollte, brauchte viel Geduld. Fast zeitgleich bespielte die Königin des deutschen Schlagerpop die benachbarte Schleyerhalle, und so mussten sich die zweitausendfünfhundert Freunde der „Rock-Legenden“ durch gut vier Mal so viel Helene-Fischer-Fans zu ihrem Konzert durchkämpfen – ein kleines Ärgernis, das durch eine räumliche Trennung der Besucherströme einfach zu verhindern gewesen wäre.

 

Aber immerhin: Einmal in der Porsche-Arena angelangt, wurde man mit einem zügig, fast schon etwas geschäftsmäßig getakteten Abend entschädigt. Stoppuhrexakt mit je nur neunzig Sekunden Pause brachten Karat, Matthias Reim, Maschine und City eine dreistündige Revue auf die Bühne, die zeigte, wie sehr die Grenzen zwischen den Genres Rock, Pop und Schlager bisweilen verwischen – am augenfälligsten zu erleben bei Matthias Reim.

Der Hesse Matthias Reim bleibt ein Fremdkörper

Schon 1990 zu „Verdammt, ich lieb dich“-Zeiten begann Reim, für „besondere Leistungen und Erfolge in der Event- und Partyszene“ 2011 auch schon mit dem „Ballermann-Award“ geehrt, die Berührungspunkte zwischen Schlager und Rock auszuloten. Mit seinem 25 Minuten kurzen Auftritt zwischen kräftigen Gitarrensounds und chansonesk-schlagerhaften Tönen bleibt der Hesse allerdings eher ein Fremdkörper in einer ansonsten von rechtschaffenen Ostrock-Bands dominierten Show.

Mit keyboardlastigem Softrock lässt zuvor die Berliner Band Karat ihre Karriere von „Albatros“ bis „Über sieben Brücke musst du gehn“ Revue passieren, um gegen Ende ihres Auftaktsets ausgerechnet bei den Toten Hosen zu landen, „einer Band, die wir sehr verehren“, so der Sänger Claudius Dreilich. Davon konnte vor dreißig Jahren noch keine Rede sein – damals, zu den Sturm-und-Drang-Zeiten der Düsseldorfer Punks, lagen noch Welten zwischen Karat und den Toten Hosen. Heute aber fügt sich der Hosen-Hit „An Tagen wie diesen“ nahtlos in ein 45-Minuten-Programm voll konsensfähiger Rocksounds ein, in dem einst unterschiedliche Klänge und Haltungen wie in einer großen musikalischen Koalition ineinanderfließen.

„Maschine“ Birr avanciert zum Publikumsliebling

Ein Hauch Schlagerrock findet sich auch im Oeuvre der Puhdys. „Hey, wir woll’n die Eisbärn sehn“ heißt der 1996 entstandene Song, mit dem die DDR-Rock-Institution einen späten Karrierecoup landete. Dieter „Maschine“ Birr, der heute das Erbe der 2016 aufgelösten Band verwaltet, lässt diesen Bierzelt-tauglichen Gassenhauer nicht aus in der Porsche-Arena, hält jenseits davon aber mit Puhdys-Evergreens wie „Geh zu ihr“ und „Alt wie ein Baum“ durchaus an Werten aus alten Tagen fest. Dazu Klänge zwischen Stadionrock und Akustik-Folk, und „Maschine“ Birr avanciert in der Porsche-Arena zum Publikumsliebling.

Das vierte Kapitel des Abends schreibt schließlich die Prenzlauer Kultband City mit ihrer Mischung aus Folk- und Prog-Rock, die auch heute noch für Gänsehautmomente gut ist – zum Beispiel, wenn Georgi Gogow seine elektrische Geige wie der Rattenfänger von Hameln spielt und Toni Krahl „Am Fenster“ singt. Nenas Schlagerpop-Ballade „Wunder geschehn“ führt dann alle Beteiligten – die im Verlauf des Abends immer wieder zwischen den einzelnen Formationen hin- und herwechseln – zum großen Finale zusammen: ein unspektakulärer Ausklang eines Konzerts, dessen Botschaft lautet: „Schön, das wir alle noch da sind“.