Die Veranstalter von „Kultur im Freien“ auf der Wiese hinter Wanners Vis-à-Vis in Holzgerlingen hatten über weiter Strecken großes Glück. Ein heftiges Gewitter am Sonntagabend beim Auftritt von Patrick Bopp setzte der Open-Air-Reihe dann aber ein jähes Ende.

Holzgerlingen - So voll war es vor der Bühne der Veranstaltungsreihe „Kultur im Freien“ in diesem Jahr noch nie. Nach anderthalb Jahren stand die schwäbische Rock-Band MiReNA bei „Kultur im Freien“ endlich wieder auf einer Bühne. Das Comeback nach der Corona-Pandemie feierten die Musiker vor stolzen 300 Gästen.

 

Die Klapp- und Liegestühlen auf der Festivalwiese am Holzgerlinger Ortsrand füllen sich mit Besuchern. Die Mitarbeiter der Veranstaltungsfirma EMT müssen die Sitz-Kapazitäten immer wieder mit Bierbänken aufstocken. „Wir sind vom Glück verfolgt“, strahlt Andreas Kienzle, einer von drei Geschäftsführern der Firma EMT. „Dadurch, dass inzwischen auch die Testpflicht entfallen ist, ist die Hemmschwelle der Zuschauer niedriger.“ Man spüre deutlich, dass das Leben so langsam zurückkehre, sagt Kienzle, der einen Tag später mit seiner Band Strings Unplugged selbst hier auf der Bühne stehen wird.

MiReNa ist beliebt im Kreis Böblingen

Die starke Resonanz hat aber nicht nur mit der gesunkenen Hemmschwelle des Publikums zu tun, sondern sicher auch mit der Band, die an diesem Abend ihren Auftritt hat. Wie beliebt MiReNa im Kreis Böblingen sind, spürt man sofort am großen Jubel, der das rockige Quintett beim Betreten der Bühne empfängt. „Ihr glaubt gar nicht, wie gut es tut, euch alle wieder hier zu sehen“, begrüßt Frontsänger Wolfi Roux das Publikum.

Statt mit dem Sound von Schlagzeug und E-Gitarren beginnt das Konzert allerdings zunächst einmal mit dem Auftritt von Patrizia Kienle, die einen sehr poetisch anmutenden Text vorträgt. Während sich einige Zuschauer darüber zunächst wundern, merken aufmerksame Kenner schnell, dass es sich bei dem Text um die Übersetzung der Lyrics von „The logical song“, einem Titel der Band Supertramp handelt. Sobald Patrizia Kienle ihre kurze Lesung beendet hat, setzen MiReNa schließlich mit der Musik ein.

Rockmusik und Songtexte

Das Konzept nennt sich „Rock’n Lyrix“ und ist ein abgeschlossenes Programm, das MiReNA bereits vor Corona häufig in Kirchen gespielt hatte. „Hintergrund ist, dass wir seit vielen Jahren Musik machen und selbst oft nicht wussten, worüber wir da eigentlich singen“, erklärt Schlagzeuger Mike Kühner im anschließenden Gespräch mit unserer Zeitung. „Mit den Texten befassen sich die Menschen oft nicht, deshalb haben wir uns überlegt, einfach vor den Songs die Übersetzung vortragen zu lassen.“

Für „Rock’n Lyrix“ hat die Band Songs ausgewählt, deren Texte einen bewegen und unter die Haut gehen. So wird zum Beispiel das bedrohliche Okkultismus-Thema, das sich hinter dem Eagles-Klassikers „Hotel California“ verbirgt, erst so richtig deutlich, wenn man nicht nur auf das Gitarren-Solo, sondern auch auf den Text achtet. Und auch Pink Floyds „Wish you were here“ gewinnt durch die Lesung nochmals eine besonders sehnsüchtig klingende Note.

„Den A**** abrocken“

Neben den verschiedenen Solo-Einalgen der Instrumente, kommt durch die Titelauswahl auch die Mehrstimmigkeit von MiReNA perfekt zur Geltung. So wird Wolfi Roux gesanglich immer wieder von Mike Kühner, Gitarrist Thommy Walsdorff und Bassist Stephan Maucher unterstützt, während sich Wolli Krafft auf sein Können an Klavier und Akkordeon konzentriert. Und für Paul McCartneys schottisch-gälischen Hit „Mull of Kintyre“ holt sich MiRena schließlich sogar Unterstützung des Dudelsackspielers Roland Wagner dazu.

Das Konzept „Rock’n Lyrix“ ist allerdings nur für die erste Hälfte des Konzerts bestimmt. Nach der Pause tauschen MiReNa ihre seriösen Anzüge nämlich gegen Band-Shirts und Trikots, um dem Publikum nach eigener Aussage den „A**** abzurocken.“

Das Gefühl? Hamergeil!

Und so jubeln die Zuschauer über Titel wie „Africa“ von Toto, „Here I go again“ von Whitesnake oder Rio Reisers „König von Deutschland“, die MiReNa mit unverwechselbarem Klang, schwäbischem Charme und einer Menge freundschaftlicher Sticheleien untereinander zum Besten geben. Mit Queens „The Show must go on“ und John Denvers „Leaving on a Jet Plane“ endet das Konzert schließlich unter großem Applaus.

Wie sich die fünf Bandmitglieder fühlen? Auf die Frage kann Mike Kühner nur ein „Hammer geil!” in die Nachtluft brüllen. Während der Corona-Pandemie waren für MiReNa schließlich nicht nur Auftritte vor Publikum, sondern auch das gemeinsame Proben gestrichen. „Wir haben uns erst vor zwei oder drei Wochen wieder zum Proben getroffen, nachdem alle geimpft waren“, erklärt Mike Kühner. In den Monaten davor habe die Band zwar zwei Videos produziert, doch all das habe nur getrennt voneinander daheim stattgefunden.

Das letzte Jahr bestand nur aus Absagen

„Unser ganzes letztes Jahr hat nur aus Absagen bestanden“, meint Wolfi Roux. Nicht nur von Konzerten, sondern auch von Hochzeiten, für die man MiReNa ebenfalls buchen kann. „Jetzt hoffen wir, dass es weiter geht.“ Dranbleiben wollen die Rockmusiker auf jeden Fall. „Da hängt schließlich eine Menge Herzblut dran.“

Ebenfalls mit viel Herzblut und einer mit rund 330 Zuschauern erneut restlos ausverkauften Konzertwiese ging es am Samstagabend mit dem Auftritt von Strings Unplugged weiter. „Mehr geht nicht“, freut sich Andreas Kienzle über den gefeierten Auftritt seiner Band. Die Musiker genossen es, nach der langen Zwangspause wieder auf der Bühnen stehen und dem Publikum nahe sein zu können. Für ein Set nahm das Quartett sogar auf einem kleinen Podest unmittelbar zwischen einigen Zuschauern Platz – eine Szene, die noch vor wenigen Wochen undenkbar erschienen war.

Das Ende des Wetterglücks

Das Glück mit dem Wetter hielt den Samstagabend über an. Am Sonntag verließ es die Veranstalter dann aber. A-Cappella-Sänger und Chorleiter Patrick Bopp musste sein Mitsingkonzert nach einer halben Stunde abbrechen. „Zum Glück war das alles sehr eindeutig“, sagt Kienzle mit Blick auf das heftige Gewitter mit Starkregen und Sturmböen. „Das mussten wir uns keine Gedanken machen, ob man das vielleicht doch noch hätte laufen lassen können.“

Zuvor hatte Patrick Bopp, den das Publikum vor allem als Sänger „Memphis“ der Vocal-Comedy-Band Füenf kennt, das Wetter noch witzig charmant ins Programm eingebaut. „Ain’t no sunshine“ passte natürlich perfekt zum bedrohlichen Gewitterhimmel. Doch dann war der Spaß vorbei und die Veranstalter von EMT entschieden sich zum Abbruch. „Die Gäste haben super positiv reagiert und waren sehr verständnisvoll“, berichtet Andreas Kienzle.

Nachholkonzert in Nebringen

Das Konzert soll jetzt am 1. August in Nebringen nachgeholt werden, wenn „Kultur im Freien“ vor dem Hotel Aramis Station macht. Die für Holzgerlingen gekauften Eintrittskarten behalten ihre Gültigkeit.

Ab dem 8. Juli geht die Open-Air-Reihe „Kultur im Feien“ aber zunächst auf der Festwiese in Ehningen weiter. Weitere Infos und Karten im Vorverkauf gibt es unter www.kulturimfreien.de auf der Homepage des Veranstalters.