Beim Kampf gegen Rockerkriminalität schaut sich die Polizei die Motorräder ganz genau an - und hat schon so manchem Fahrer das Bike stillgelegt.  

Tübingen - Das Statussymbol vieler Rocker ist das schwere Motorrad. In den allermeisten Fällen handelt es sich um eine Harley-Davidson. Auf die Verkehrssicherheit dieser Maschinen hat sich ein 2010 gegründetes "Kompetenzteam Motorrad" bei der Polizei spezialisiert. Bei Verkehrskontrollen werden immer wieder Mängel aufgedeckt, manche Harley wird sogar sofort aus dem Verkehr gezogen. Der Einsatz dieser Polizisten gilt als Bestandteil der landesweiten Konzeption zur Bekämpfung der Kriminalität. "Wir wollen den Rockern auf die Füße treten", erklärt Dietrich Moser von Filseck, Chef der Tübinger Landespolizeidirektion. Die Federführung für die landesweite Einsatzkoordination dieser Polizisten hat das Innenministerium dem Tübinger Regierungspräsidium übertragen. "Wir zeigen da gar keine Toleranz", betont der Tübinger Regierungspräsident Hermann Strampfer.

 

Die Rockerkriminalität wird häufig mit dem Rotlichtmilieu in Verbindung gebracht, mit Schutzgelderpressung, Rauschgift-, Menschen- und Waffenhandel. Manche zwielichtigen Machenschaften sollen sich auch im Umfeld von Tattoo- oder Piercingstudios abspielen. Und eines eint Rockergruppen wie Hells Angels, Bandidos, Outlaws und Gremium: zu ihren zahlreichen Treffen sind sie gerne mit dem Motorrad unterwegs.

Individualität der Maschine

Viele Rocker stecken viel Zeit und Geld in ihre Motorräder, die sich in ihrer Individualität von der Serie abheben sollen. "Die Rocker identifizieren sich über ihre Harley", sagt Polizeioberkommissar Armin Bendix, "da ist kein Motorrad von der Stange." Nur werden dabei nicht selten die für eine Straßenzulassung geltenden Vorschriften außer Acht gelassen. Zu kleine Spiegel gehören dazu, zu große Lenker auch und Modifikationen am Auspuff ebenso. Beliebt sind auch starre Rahmen, die nach dem Vorbild alter Harley-Davidsons nachgebaut werden. Der Hersteller jedoch hat die Verwendung dieser Plagiate strikt untersagt. Eine legale Straßenzulassung ist somit nicht zu erwarten.

Bei Kontrollen werfen die Harley-Spezialisten der Polizei ein kritisches Auge auf die Motorräder. Wurde zu viel verändert, können sie veranlassen, dass ein Motorrad stehen bleiben muss. Schon mancher Anführer einer Gruppe oder eines Ortsvereins, dem sogenannten "Chapter-Führer", wurde auf diese Weise das Freiheitsgefühl beschnitten. Es sei für die betroffenen Motorradfahrer sehr unangenehm, wenn eine Fahrt hinten auf dem Motorrad eines anderen Gruppenmitglieds endet, berichten Mitglieder des Kompetenzteams.

Gebündeltes Fachwissen

Diese Polizisten kümmern sich mit ihrem technischen Fachwissen nur um Motorräder der Marke Harley-Davidson. Frisierte Mofas oder getunte Straßenmotorräder außerhalb des Rockermilieus interessieren sie nicht, wie Polizeioberkommissar Bendix ausführte. Das Kompetenzteam setzt sich aus einer Beamtin und 23 Beamten aus dem gesamten Land zusammen, die in der Regel ihren täglichen Dienst bei der Verkehrspolizei verrichten.

Die Motorradexperten wurden 2010 zu elf Verkehrskontrollen hinzugezogen, die im Rahmen der Treffen oder Ausfahrten der Rockergruppen angesetzt werden. Im laufenden Jahr wurde ihr Fachwissen bisher achtmal gefragt. Diese Ausfahrten müssen häufig angemeldet werden, bis zu 400 Biker sind dabei mitunter auf der Straße. Bei den Kontrollen geht es nicht nur um die Motorräder, auch manches verbotene Taschenmesser wurde beschlagnahmt und ebenso verschiedene Betäubungsmittel.

Statistik der Ermittler

Kontrollen Im vergangenen Jahr nahmen die Mitglieder des Kompetenzteams der Polizei bei elf Rockerveranstaltungen insgesamt 434 Fahrzeuge und 348 Motorräder genau unter die Lupe. 70 Ordnungswidrigkeiten wurden dabei ausgesprochen, zehn Fahrer mussten ihre Maschinen wegen unerlaubter technischer Veränderungen abstellen.

Statistik Die Polizei schätzt, dass landesweit den vier führenden Rockergruppen Hells Angels, Bandidos, Outlaws und Gremium 800 bis 1000 Vollmitglieder angehören. Hochburgen sind Ulm, Reutlingen/Tübingen und der Alb-Donau-Kreis. Bundesweit werden den vier großen Motorradclubs 3500 Mitglieder zugeschrieben. Somit gehört rund jedes vierte Mitglied einem Club aus dem Land an