In Heidenheim haben Black-Jackets-Mitglieder zwei Männer der United Tribuns niedergeschossen. Es ist der vorläufige Höhepunkt eines seit Jahren andauernden Machtkampfs, der sich bisher vor allem in Ulm abspielte.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Heidenheim/Ulm -  Schwer zu sagen, wann und wodurch genau die Gewaltspirale sich zu drehen begonnen hat. Vielleicht damit, dass Suat E., der unehrenhaft entlassene frühere Stuttgarter Polizist mit türkischen Wurzeln, beim Rockerklub Bandidos rausflog. Damit, dass er anschließend an seinem Wohnort Ulm eine Abteilung der Gruppierung „Rock Machine“ aufmachte und junge Männer aus dem Kosovo und Albanien um sich scharte. Vor allem die Brüder B. aus Neu-Ulm, die vorher mit schwarzen T-Shirts¬ durch die Stadt gelaufen waren, die Adern voller Adrenalin.

 

Dann ging Suat E. in den Knast: ein Drogenvergehen. Als er wieder rauskam, hatten die Brüder B. seinen Laden übernommen, tauften ihn erst Rock Machine Dardania, später Rock Machine Blue. Die entsprechenden Motorräder dazu kauften sie erst später. In Klubs und Diskotheken übernahmen die Brüder und deren Kumpels Tür um Tür. Wer die Tür hat, heißt es, kontrolliert den Drogenhandel für das Partyvolk. Um 2011 herum, erinnert sich ein Ulmer Szeneermittler, „hat das Ganze hier angefangen“. Vor allem die saturierten Bandidos in Ulm, unter denen sich schon ziemlich viele silberhaarige Herren tummeln, fühlten sich herausgefordert. Im März 2012 brannte die Stammkneipe der Bandidos, zwei Wochen später das Treffpunktlokal der Rock Machine-Leute.

Folterstunden im Bordellkeller

Vielleicht ist der Beginn der Auseinandersetzungen auch die Folterstunde, die Mehmet A., Präsident der Bande Black Jackets aus Schwäbisch Gmünd, im Keller seines Ulmer Bordells namens „Lustpark“ in der Blaubeurer Straße abgehalten hat. Er fesselte und schlug ein des Diebstahls verdächtiges Bandenmitglied und filmte zum internen abschreckenden Gebrauch alles mit. Als viel später die Polizei zur Hausdurchsuchung anrückte, fand sie nicht nur Äxte, Messer und Schlackstöcke, sondern auch das Video. Im Oktober 2013 ging Mehmet A. wegen der Foltersache für vier Jahre ins Gefängnis. Ach ja – die Polizeirazzia fand statt, weil sich Mitglieder der inzwischen verbotenen Gruppe Red Legion mit Black Jackets-Leuten nachts eine Schießerei vor dem Lustpark geliefert hatten.

Das Machtvakuum in Ulm wurde noch größer, als Anfang 2014 auch der Pforzheimer Metzger und Trash-Promi Marcus Eberhardt ins Gefängnis wanderte. Der Rotlichtunternehmer Eberhardt unterhielt damals deutschlandweit 23 Betriebe, davon zwei in Ulm. Die Zentrale war die Eberhardt Entertainment Enterprises GmbH in Neu-Ulm. Den Schutz für seine Läden kaufte sich Eberhardt laut Polizeiinsidern bei den „Hells Angels“ aus Frankfurt ein. Dumm für „Prinz Protz“, wie ihn der Boulevard taufte: er hatte auf die Neu-Ulmer Adresse eine ganze Reihe von Luxuswagen angemeldet und das in einem Interview als privates Steuersparmodell bezeichnet. Vier Jahre Gefängnis wegen Steuerhinterziehung, so lautete das Urteil des Amtsgerichts Augsburg Anfang 2015.

Die Erben der Rotlichtgrößen

Suat E. ausgebootet, Mehmet A. im Gefängnis und der Prinz von Anhalt desgleichen; dazu das Verbot der nach Ulm hereindrängenden Bande Red Legion durch das Innenministerium: so viel Machtvakuum zog die bis dahin klein gehaltene Konkurrenz magisch an. Den Lustpark des Black Jackets-Chefs übernahmen alsbald die Brüder B. und tauften ihn in „Lolita Club“. Kurz zuvor war das Brüderpaar heil aus einem Mordprozess vor dem Landgericht Memmingen herausgekommen. Im Dezember 2012 wurde der Türsteher eines Neu-Ulmer Bordellbetreibers bei einer nächtlichen „Aussprache“ mit Leuten der Rock Machine in der Industriestraße von Neu-Ulm erschossen. Die Brüder B. waren dabei, aber dass sie auch gefeuert hatten, konnte ihnen nicht bewiesen werden. Die Waffe war verschwunden.

Auch in die frisch gestrichene Fassade des neuen Lolita Clubs in der Blaubeurer Straße sollten bald Kugeln aus einem Schnellfeuergewehr einschlagen, abgefeuert von Mitgliedern einer Bande namens United Tribuns. Im Jahr 2015 hatte ein Heidenheimer gleich zwei neue Ortsvereine gegründet – einen vor der eigenen Haustür und einen in Ulm. Sigurd Jäger, der Leiter der Inspektion Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg, stuft die Bande als gefährlich ein. „Das ist die Gruppe, die bundesweit am stärksten versucht, zu expandieren.“ Viele Mitglieder kommen aus dem Gebiet Ex-Jugoslawiens und sollen leichten Zugang zu verbotenen Kriegswaffen haben.

Die neueste Eskalation der Gewalt

In Heidenheim, Heimat der Black Jackets, hat sich am Donnerstag nun die Bandenlogik aus , Angriff und Rache fortgesetzt, aber zum ersten Mal am hellen Tag und auf offener Straße. Wie die Staatsanwaltschaft Ellwangen am Freitag mitteilte, ist es in einem Friseurgeschäft in der Clichystraße zunächst zu einem Streit zwischen drei Black Jackets-Leuten und einem in Heidenheim wohnenden Brüderpaar gekommen, das den United Tribuns angehört. Der Streit wegen „einer älteren Sache“ sei zur „Klärung“ auf der Straße fortgesetzt worden, berichtet ein Polizeisprecher. Ein Beteiligter habe plötzlich eine Waffe gezogen und geschossen. Einer der Brüder im Alter von 29 Jahren wurde dreimal in den Oberkörper getroffen, der andere in den Bauchraum. Beide Männer schweben laut Polizei nach wie vor in Lebensgefahr. Noch am Donnerstag Abend nahmen Spezialkräfte der Polizei drei Mitglieder der Black Jackets in Giengen (Kreis Heidenheim) fest. Der Ellwanger Staatsanwalt Armin Burger sagte am Freitag, er sehe „möglicherweise ein Mordmerkmal“.

Schwer zu sagen, wann die Spirale der Gewalt gestoppt werden kann. Ob es nicht in Kürze zum nächsten Attentat kommt. Die Polizei hat die Überwachung der Szene zwischen Heidenheim und Ulm verstärkt. Gleich am Donnerstag Abend wurden vor den Fenstern der Klinik Heidenheim rund 60 versammelte Mitglieder der United Tribuns kontrolliert. Viele hatten Hieb- und Stichwaffen dabei. Die Aufnäher auf den Westen der Rocker ohne Motorrad trugen Städtenamen aus ganz Süddeutschland.