In den USA hat Bosch schon viele Millionen Euro bezahlt. Nun wird der Zulieferkonzern erstmals auch in Deutschland verklagt: Weil er VW die Schummelsoftware lieferte, soll er für Milliardenschäden haften.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Automobilzulieferer Bosch sieht sich nun auch in Deutschland mit Schadenersatzansprüchen wegen seiner Rolle im Dieselskandal konfrontiert. Nachdem der Konzern bereits in den USA einen dreistelligen Millionenbetrag gezahlt hat, wird er jetzt auch vor dem Landgericht Stuttgart verklagt. Im Auftrag eines privaten Anlegers hat die Anwaltskanzlei Tilp dort am Mittwoch die „erste deutsche Anlegerklage“ gegen die Robert Bosch GmbH eingereicht, wie der Kanzleichef Andreas Tilp unserer Zeitung sagte. Dazu habe man eine bereits anhängige Klage gegen die Porsche Automobil Holding als Mehrheitsauktionärin von VW entsprechend erweitert. „Ohne Bosch hätte es Dieselgate nicht gegeben“, betonte Tilp.

 

Im konkreten Fall geht es zwar nur um 11 000 Euro, die der Kläger wegen einer verspäteten Information der Kapitalmärkte zur Dieselaffäre mit Porsche-Vorzugsaktien verloren haben will. Insgesamt machen Anleger vor Gerichten in Stuttgart und Braunschweig aber Schäden mit Wertpapieren von zehn Milliarden Euro geltend; davon entfallen neun Milliarden auf VW und eine Milliarde auf die Porsche Holding. Für diese Milliardenschäden hafte auch Bosch, argumentiert Tilp nun. Mit dem Vorgehen gegen den Zulieferer erhöhe man auch den Druck auf die Porsche Holding und auf VW; die Dieselaffäre dürfte auch bei der Hauptversammlung der Volkswagen AG an diesem Donnerstag in Berlin eine Rolle spielen.

In den USA schon Vergleich geschlossen

Aus Sicht des Klägeranwalts war Bosch federführend an der Entwicklung der Schummelsoftware und an dessen Verschleierung beteiligt. Der millionenfache Einsatz der illegalen Motorsteuerung durch VW sei dem Konzern bekannt gewesen. Dadurch habe er selbst einen Beitrag zur Schädigung von Umwelt und Gesundheit sowie zur Täuschung von Verbrauchern, Behörden und Kapitalmarktteilnehmern geleistet. Bosch erklärte auf Anfrage nur allgemein, man äußere sich wegen der „sensiblen rechtlichen Rahmenbedingungen“ nicht zu Details von Straf- oder Zivilverfahren. Der Konzern kooperiere mit den Ermittlern und wahre seine Interessen in den Klageverfahren. In den USA hatte Bosch einen Vergleich über etwa 300 Millionen Euro geschlossen; weitere Forderungen sind dort noch anhängig. Gegen neun Bosch-Mitarbeiter ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Betrug.

Die Klage vor dem Landgericht Stuttgart stützt sich vor allem auf Dokumente, die in den US-Verfahren bekannt wurden. Diese waren auch in einem anderen Stuttgarter Zivilprozess angefordert, aber bisher offenbar nicht vorgelegt worden. Es geht insbesondere um ein Schreiben aus dem Jahr 2008, in dem Bosch von Volkswagen verlangte, von jeglicher Haftung im Zusammenhang mit der Motorsoftware freigestellt zu werden. Auf die Forderung ging Volkswagen offenbar nicht ein.

– Hintergrund und Kommentar