Rollstuhlfahrer haben in Stuttgart und Umgebung viele Möglichkeiten, Leistungssport zu treiben. Doch behinderten Athleten sind oft die dafür wichtigen Sportrollstühle zu teuer. Wozu das führt, zeigt das Beispiel eines Rollstuhlrugbyspielers aus Fellbach.

Digital Desk: Sebastian Xanke (xan)

Stuttgart - Rudolf Dumler ist seit einem Unfall vor 17 Jahren querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Unterkriegen hat er sich davon nicht lassen: Seit 16 Jahren spielt der 38-Jährige Rugby beim TSV Schmiden in Fellbach. Rollstuhl-Rugby, um genau zu sein. Damit er seine Sportart ohne Einschränkungen betreiben kann, braucht er einen Sportrollstuhl.

 

Was nach keiner großen Sache klingt, ist für Betroffene oft mit einer Odyssee verbunden. Denn die speziell auf Sport ausgelegten Rollstühle sind teuer – Kosten von 6000 Euro und je nach Sportart auch 10 000 Euro aufwärts sind üblich. „Krankenkassen übernehmen so einen Stuhl aber so gut wie nie“, weiß Tatjana Zeller, die die Rollstuhlabteilung beim TSV Schmiden leitet. „Ich bin seit 2006 in dem Rugbyteam und musste mir meinen Sportrollstuhl über Stiftungen zusammensuchen“, erzählt sie.

Alltagsrollstühle sind nur mäßig einsetzbar

Rudolf Dumler geht es nicht anders. Seit mehr als zwei Jahren fragt er Sponsoren und Krankenkassen an, die ihm bei der Finanzierung eines Nachfolgers für seinen inzwischen 14 Jahre alten Sportrollstuhl helfen sollen. Bislang ohne Erfolg. „Über die Jahre hat sich bei meinem jetzigen Sportrollstuhl die Spur verzogen. Er fährt also nicht mehr ganz gerade“, sagt Dumler. Außerdem passe nach so langer Zeit die Sitzbreite nicht mehr optimal. Üblicherweise erneuere man einen Sportrollstuhl alle fünf bis sieben Jahre.

Für Kinder sind diese Abstände noch einmal kürzer – sie wachsen so schnell, dass ein entsprechender Rollstuhl bald wieder unbrauchbar wird. Einen neuen Sportrollstuhl alle paar Jahre können sich aber nur die wenigsten Eltern leisten. Was bleibt, ist der von Krankenkassen finanzierte Alltagsrollstuhl. Doch der reiche höchstens im Breitensport, sagen die Rugbyspieler. Dabei gibt es in Stuttgart und Umgebung viele Angebote für Rollstuhlfahrer, die über den Breitensport hinausgehen: vom turniermäßigen Fechten, zum Tischtennis oder eben zum Rugby.

„Das ist mit einem Sportrollstuhl nicht möglich“

Einer, der Rollstuhlbreitensport in Stuttgart betreut, ist Marcel Pierer vom MTV Stuttgart. Der MTV stellt sechs Sportrollstühle für Erwachsene bereit, mehr sei aus Kostengründen nicht drin, sagt Pierer. Ausreichend ist das nicht: „Es gab schon Leute, die gekommen sind und meinten, dass sie gerne mitmachen würden aber keinen Sportrollstuhl haben“, sagt der Abteilungsleiter. „Dann wechseln wir durch, aber das ist natürlich nicht optimal.“

Etwas anders sehe es bei der von ihm und seiner Frau gegründeten Rollstuhlgruppe für Kinder zwischen drei bis 18 Jahren aus. Rund 30 Kinder treffen sich dabei regelmäßig, um Freizeitsport, wie Wheelsoccer (Rollstuhlfußball) oder Boccia, zu treiben. Keiner von ihnen besitzt einen Sportrollstuhl. Zwar brauche den auch nicht jedes Kind, für bestimmte Parasportarten wie etwa Badminton sei er jedoch sehr wichtig, erklärt Pierer.

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Auf der anderen Seite könne es Kindern auch helfen, wenn sie mit ihrem Alltagsrollstuhl Sport machen. „Dabei lernen sie verschiedene Fahrtechniken. Das ist mit einem Sportrollstuhl nicht möglich, weil er andere Fahreigenschaften hat“, so Pierer. Zugleich verliere „so ein Alltagsrollstuhl beim Sport schon mal ein paar Schrauben oder bekommt einen Platten.“ Kosten, auf denen die Eltern sitzen bleiben, wenn Reparaturen zu häufig anfallen.

Für Betroffene eine Erniedrigung

Im Leistungssport ist die Gefahr, dass etwas am Rollstuhl kaputtgeht, noch einmal höher. Das Risiko, für Reparaturen zahlen zu müssen, dementsprechend auch. „Ich verstehe, dass es zum Beispiel für Krankenkassen nicht prickelnd ist, so viel Geld ausgeben zu müssen“, sagt Rugbyspielerin Tatjana Zeller. Unter anderem, um Krankheiten vorzubeugen, sei es aber für Rollstuhlfahrer wichtig, auch intensiven Sport treiben zu können.

Rudolf Dumler versucht nun, über das Sozialamt an Fördermittel für seinen Sportrollstuhl zu kommen. Denn ein solcher Stuhl könne unter die Eingliederungshilfe ins soziale Leben fallen, sagt Dumler. Seine Finanzen müsse er dabei vollständig offenlegen. „Den Kampf um Hilfsmittel bin ich gewohnt“, sagt der Sportler. „Trotzdem ist es ernüchternd, um etwas kämpfen zu müssen, das einem gesundheitlich gut tut. Das ist schon erniedrigend und zermürbend.“