Burkhart Veigel, mit Wurzeln in Stuttgart-Sillenbuch, ist Fluchthelfer, Mediziner und Romanautor. Sein neuestes Buch, das er zusammen mit seiner Partnerin geschrieben hat, spiegelt Teile seines eigenen Lebens wider.

Berlin/Sillenbuch - Burkhart Veigel war bis zu seinem Ruhestand vor zwölf Jahren seit 1976 als Orthopäde in Sillenbuch tätig. Heute lebt er in Berlin. Schon in seiner Zeit als Mediziner hätte der heute 80-Jährige viel aus seinem früheren Leben zu Papier bringen und damit vermutlich für Aufsehen sorgen können. Doch Veigel beschränkte sich in seiner Sillenbucher Zeit auf seine Profession – und wenn er schrieb, dann Berichte oder Fachartikel und -bücher mit medizinischem Hintergrund.

 

Seit 2006 führt Burkhart Veigels Sohn Henrik die Praxis in dem Filderbezirk, sein Vater ist dorthin zurückgekehrt, wo er mit seinem Studium einst den Grundstein für seinen Beruf legte: Westberlin. Und wo er als Fluchthelfer vielen Menschen half, der DDR den Rücken zu kehren, um diesseits der Grenze ein freies Leben führen zu können. Rund 650 Menschen verhalf Veigel in den Jahren nach dem Mauerbau bis zum Ende der 1960er Jahre zur Freiheit. 2012 wurde er dafür mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Zuvor hatte er das Buch „Wege durch die Mauer – Fluchthilfe und Stasi zwischen Ost und West“ geschrieben, das in der Edition „Berliner Unterwelten“ im Ch. Links Verlag erschienen ist.

1959 das Abitur am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium gemacht

„Das war ein Sachbuch mit vielen Hintergründen“, sagt Veigel, der vor wenigen Wochen eine neue Publikation vorgelegt hat. Wieder geht es um das Thema Fluchthilfe, diesmal aber nicht als faktenlastiges Sachbuch, das Hintergründe zu einem besonderen Kapitel der deutschen Geschichte liefert. Veigel hat sich vielmehr an einen Roman gewagt und – gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der Schriftstellerin Roswitha Quadflieg – ein Buch geschrieben, in dem sich die Lebensgeschichte Veigels in Teilen widerspiegelt, „ohne dass ich aber die Romanfigur bin“, sagt der ehemalige Schüler des Stuttgarter Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums (Ebelu). Dort hat er 1959 sein Abitur gemacht. Zwar finden sich viele Züge Veigels in Janus Emmeran, der Hauptfigur des Romans, „doch auch wenn es so scheint, als ob diese meine Geschichte sei, so spiegle ich mich in Janus nur bedingt wider“, beteuert Veigel.

Der Roman mit dem Titel „Frei“ ist über einen Zeitraum von vier Jahren entstanden. Und die Geburt war weitaus schwieriger, als es sich der Orthopäde und Sportmediziner hätte träumen lassen. Dies nicht zuletzt, da er das Buch nicht alleine, sondern mit seiner Partnerin Roswitha Quadflieg geschrieben „und dabei um jedes Kapitel, um jede Formulierung gerungen hat“. Mehr als das sogar. „Wir hatten öfter richtig Streit“, sagt Veigel lachend, der die vier Jahre, in denen er mit Roswitha Quadflieg an dem Buch gearbeitet hat, nicht missen möchte – auch, weil die Beziehung die ständigen Auseinandersetzungen überlebt hat. „Ich habe schon eine Idee für ein neues Projekt“, sagt Veigel schmunzelnd. Und wieder will er nicht allein in die Tasten greifen und Sätze in möglichst wohlfeinem Deutsch formulieren, sondern das Buch erneut mit seiner Partnerin schreiben. Vor Mitte nächsten Jahres wird es damit aber wohl nichts werden.

Schon neues Projekt im Blick

Einerseits weil Roswitha Quadflieg gegenwärtig „ein eigenes großes Projekt hat“, wie Veigel sagt. Andererseits weil Quadflieg und Veigel ihr Buch bei möglichst vielen Lesungen vorstellen wollen – gerne auch in Veigels einstiger Heimat Stuttgart. Gerne würde er dann auch vor Schülern lesen. Als ehemaliger Ebelu-Schüler wäre dies natürlich eine seiner Wunschadressen. Auf den Fildern würde er Literaturinteressierte ebenfalls gerne an dem Werk teilhaben lassen. Die Vorstellung seines Sachbuches „Wege durch die Mauer – Fluchthilfe und Stasi zwischen Ost und West“ hatte vor fünf Jahren so viele Neugierige angelockt, dass der Veranstaltungsraum am Ende fast zu klein war.

Roman liefert auch viele Fakten zur Fluchthilfe

Auch wenn „Frei“ eine historische Dimension hat und viele Fakten zur Fluchthilfe liefert, die Veigel aus eigener Erfahrung, aber auch aus der Recherche für das Sachbuch und den damit verbundenen Gesprächen mit mehr als 100 Personen – Fluchthelfer und Geflüchtete – hat, so ist der Roman doch in erster Linie eine Geschichte über eine Amour Fou zwischen dem Protagonisten Janus und der jungen Verlegerin Colette. „Wir haben uns beim Schreiben dieses Romans an die historischen Daten und Fakten gehalten und ihnen unsere Fiktion zur Seite gestellt“, schreiben Quadflieg und Veigel am Ende des Buches. Was sie nicht verraten: Vor der Endversion gab es „mindestens vier Fassungen – aber wir mussten uns ja auf eine beschränken“, sagt Veigel. Für ihn sei es besonders spannend gewesen, dass Mann und Frau bestimmte Dinge völlig unterschiedlich sehen – „dass die ganz anders ticken“. Das sei bei jedem Kapitel, das er und seine Partnerin zunächst alleine geschrieben, dann zusammengeführt und überarbeitet hätten, sehr deutlich geworden. In einer Form, die durchaus gefalle – wie viele positive Reaktionen auf Lesungen bereits gezeigt hätten.

Roman ist im Europaverlag erschienen