Der Abgeordnete und 48er-Revolutionär Friedrich Hecker war eine schillernde Figur. Was zeichnete ihn aus?

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Karlsruhe - Ein Buch über eine historische Person ohne direkten Anlass, also runden Todes- oder Geburtstag schreiben? Kann man, wenn die Recherchen etwas hergeben, was dem Publikum so noch nicht bekannt war. Frank Winter, ein in Karlsruhe geborener und in Frankfurt am Main lebender Autor, Germanist, Soziologe und Philosoph, hat massenweise Originaldokumente aus dem Nachlass von Friedrich Hecker, der Galionsfigur der demokratischen Erhebung von 1848, aufgesogen, bevor er sich an sein Buch über diesen Mann wagte.

 

Der Roman „Den Feigen tritt jeder Lump“ führt durch das Leben des Rechtsanwalts und Landtagsabgeordneten Friedrich Hecker (1811- 1881), der im Frühjahr 1848 zum Revolutionär wurde. „Ohne einen Schuss und ohne einen Schwertstreich“ wollte er das feudale Großherzogtum zu einer demokratischen Republik zwingen. Dafür setzte er einen bewaffneten Marsch von Konstanz nach Karlsruhe in Bewegung, in der Hoffnung, die ihm entgegentretenden Soldaten allein mit seiner Überzeugungskunst auf seine Seite zu ziehen. Es ging schief, wie man weiß. Der gescheiterte Volkstribun wanderte enttäuscht nach Amerika aus und wurde ein erfolgreicher Farmer, der im Bürgerkrieg gegen die Sklavenhalter kämpfte.

Ein gewisser Hang zur Rechthaberei ist nicht zu leugnen

Ein solches Leben auf 195 Seiten zu komprimieren macht Kompromisse unumgänglich. Winter nimmt sich die Freiheiten, die ein Romanautor sich nehmen darf. Historische Fehler sind ihm dank seiner akribischen Recherchen nicht unterlaufen. Verdienstvoll ist, dass en passant etwas mehr Licht in Heckers Amerika-Aufenthalt kommt, der immerhin die Hälfte seines Lebens umfasste. Winter hat aus den historischen Dokumenten den Sprachduktus Friedrich Heckers nachempfunden. Schnörkellos, manchmal etwas abgehackt, in der dritten Person sprechend und zuweilen durchaus ruppig, so muss man sich den aus Nordbaden stammenden Revolutionär vorstellen. Einer, der es wohl auch der Familie und manchem Freund nicht immer leicht machte und einen gewissen Hang zur Rechthaberei nicht verbergen konnte.

Den Hecker-Zug von Konstanz bis nach Kandern im April 1848 treibt Winter auf 33 Seiten rasch voran. Der Rest illustriert, wie ein Akademiker zu einem Landwirt wird, der den politischen Verstand nicht an den Weidezaun hängt, sondern 1861 ohne zu zögern gegen die abtrünnigen Sklavenhalterstaaten in den Sezessionskrieg zieht – wie Tausende von ausgewanderten Deutschen, etwa der Rheinländer Carl Schurz, der zum General und später zum Innenminister der USA avancierte.

Seinen demokratischen Idealen blieb er treu

Dass Hecker seinen demokratischen Idealen sein Leben lang treu blieb, zeigt die Distanz zu den mittlerweile im geeinten Deutschland herrschenden Preußen, als er 1973 noch einmal in die alte Heimat zu Besuch kam. „Bismarck wird nicht besucht“, versprach er seiner daheimbleibenden Frau Josefine. Die Reise durch Deutschland führte Hecker auch nach Freiburg, sein Treffen mit dem Freund und Nähgarn-Fabrikanten Carl Mez bleibt im Roman unerwähnt. Wie auch die regional nicht unwichtige Anekdote, dass Hecker den Müllheimer Weinpionier Adolph Blankenhorn im Kampf gegen die Reblaus unterstützt und ihm Samen von Amerikanerreben geschickt hat. Alles in allem aber ein lesenswertes Buch ohne pathetische Heldenverehrung, dennoch aber erfüllt vom tiefen Respekt für einen wichtigen Vorkämpfer der Demokratie.