Wenn sich die Hitze in der Stadt staut, Straßencafés überfüllt sind, hilft eines: ab aufs Dach! Weit oben schmecken Drinks nach Urlaub. Der Skybeach beim Bahnhof und das Jaz in the City haben Rooftop-Partys mit Feuershow und Aussicht gefeiert.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Der feinkörnige Sand kommt aus Dänemark, wo er besonders weiß ist. Zwischen den Palmen sieht man den Fernsehturm. Der Freiluft-DJ haut harte Bässe raus. „Bock aufs Meer?“ steht auf 170 weißen Liegestühlen, die auf dem Dach des Kaufhofs rasch belegt sind, wenn die Sonne endlich stark genug ist, die Regenwolken zu vertreiben.

 

Stuttgart ist die Stadt des Mineralwassers, nicht des Meerwassers. Was an Meer auf dem obersten Parkdeck unweit des Hauptbahnhofs fehlt, kann die Aussicht ein wenig ausgleichen. Die Illusion sonnt sich. Laute Musik und Holzwege überm Sand erinnern an die hippen Strandbars vom letzten Meerurlaub mit Sonnenuntergang.

Regelmäßig kommen Touristen aufs Beach-Dach

„Stuttgart-Marketing schickt regelmäßig Touristen zu uns“, sagt Lothar Müller, der seit 15 Jahren den Skybeach auf dem Kaufhof-Dach betreibt, „damit sie sehen können, wie idyllisch die Stadt im Tal liegt.“

Die Luft ist klar. Mit Feinstaub hat Stuttgart einen Imageschaden erlitten. Hier oben strahlt die Stadt scheinbar makellos so intensiv, als wolle sie Vorurteile widerlegen.

Der Sand reflektiert die Sonne. Faszinierend ist, wie grün die Hügel sind. Abends bei Dunkelheit leuchtet auf, was Stuttgarts aktuelles Wahrzeichen ist: der Baukran. Neun Baukräne sind’s, die man vom Stranddach aus zählen kann, ohne aufzustehen. Die Kräne tragen in der Horizontalen Lichter und bezeugen, wie zielstrebig eine schön gelegene Stadt umgepflügt wird.

Wo die Illusion das Erfolgsprinzip ist, kann’s egal sein, wenn die „ Full-Moon-Party with Ibiza-Fire-Artists“ zwei Nächte nach Vollmond gefeiert wird und die Akteure einer atemberaubenden Feuershow von hier sind. Die Gruppe Stafffire tritt bei Festen aller Art auf. Die Feuerspieler haben ihr Hobby perfektioniert. Einer von ihnen ist der Polizist Marcel vom Revier in der Klett-Passage. Bei der Arbeit läuft er in Uniform auf der Königstraße Streife. Nun lässt er mit freiem Oberkörper das Feuer kreisen. Das sieht gefährlich aus – und ist es auch.

Maximal 550 Gäste dürfen auf den Skybeach rauf

„Man muss sich voll konzentrieren“, sagt Marcel. Seit zehn Jahren tritt er als Mann des Feuers auf, bisher gab es in seiner vierköpfigen Gruppe keinen Notfall. „Bisher habe ich nur mal Brandsalbe gebraucht“, verrät er. Als Polizist hat er so gut wie nie im achten Stock des Sky Beach zu tun.

Dass es so gut wie keine Zwischenfälle gibt, dürfte an strengen Türstehern liegen. Sie lassen nicht jeden rein. In dieser Nacht werden viele abgewiesen. 550 Gäste dürfen gleichzeitig da sein. Diese Saison war bisher für die Betreiber enttäuschend. „Etwa an der Hälfte aller Tage mussten wir wetterbedingt schließen“, sagt Lothar Müller.

Die Idee kam ihm vor 15 Jahren in Paris

2003 hat ihm in Paris ein künstlich an der Seine aufgeschütteter Sandstrand so sehr gefallen, dass er diese Idee unbedingt nach Stuttgart bringen wollte. Ohne einen Fluss durch die Stadt gehe das nicht, dachte er zunächst. Dann sah er in der Zeitung ein Foto, das vom Bahnhofsturm gemacht wurde. „Da hat es klick gemacht“, erzählt Müller. Die Leute vom Kaufhof konnte er rasch überzeugen, weil ein Strand gut fürs Image ist. Anders als im Milaneo ist das Parkhaus hier rund um die Uhr geöffnet. Renner an der Theke ist die selbst gemachte Sky-Beach-Limo (mit frischer Minze, Ingwer, Limetten, Holunderblütensirup, Wasser).

Orte für den kleinen Urlaubshunger zwischendurch

Achtung, hier kommt unnützes Stuttgart-Wissen: 730 Meter Luftlinie vom Kaufhof-Dach entfernt befindet sich die Terrasse der Wolfram-Bar im Hotel Jaz in the City. Mit geladenen Gästen feierte man hier den Start in den Sommer. Eine grüne Oase ist entstanden, auf der abends die Außentheke lilafarben leuchtet. Rooftop-Fans fahren mit dem Aufzug in den sechsten Stock. Nur einmal blieb bisher eine Kabine stecken. Als Italiener nach einem Wasenbesuch drinnen wild umherhüpften, ging nichts mehr. Die Feuerwehr musste die Touristen befreien.

Auf der Terrasse befindet sich ein abgesperrter Teil, der als Kinderspielplatz für die Bewohner der teuren Eigentumswohnungen ausgewiesen ist. Die Bauvorschrift verlangt dies, auch wenn gar keine Kinder in dem Luxusturm mit den 18 Etagen wohnen. Das Jaz-Hotel ist mit seinen sieben Etagen ein Teil der Cloud No 7.

Nah an den Wolken muss die Freiheit grenzenlos sein. Noch mehr öffentliche Dachterrassen unterm freien Sternenhimmel könnte Stuttgart vertragen. Es spricht für eine Stadt, wenn sie offen ist, speziell nach oben offen. Orte für den kleinen Urlaubshunger zwischendurch tun gut!