Die Landeeinheit Philae soll auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko, auch Tschuri genannt, nach Spuren organischer Stoffe und damit von Leben suchen. Die Forscher erhoffen sich Erkenntnisse darüber, ob Kometen einst das Leben auf die Erde gebracht haben.

Göttingen - Die Wahl des Landeplatzes klingt ehrgeizig: Wenn sich bei der europäischen Rosetta-Mission Mitte November die Landeeinheit von der Sonde löst, soll sie sieben Stunden später auf dem Kopf des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko (Tschuri) landen – einer gut beleuchteten, wenig zerklüfteten Region.

 

Die kleine Landeeinheit wird verloren aussehen auf der Oberfläche des unregelmäßigen Himmelskörpers aus Eis und Staub. Die Landeeinheit, auch Lander genannt, hat die Größe eines Würfels mit den Maßen 80 mal 80 mal 100 Zentimeter. Er steht auf drei spinnenartigen Beinen. Auf der Erde wiegt er rund 100 Kilogramm, auf dem Kometen nur wenige Gramm.

Eine Herausforderung wird deshalb die Landung sein: Damit das Leichtgewicht nicht wieder abprallt, wird Philae sich in dem unbekannten Untergrund festzukrallen versuchen. In den Füßen stecken Schrauben, die sich 20 bis 30 Zentimeter tief in den Boden bohren können. Zugleich werden von der Unterseite zwei Harpunen in den Boden geschossen, die bis zu drei Meter tief dringen können, je nach Beschaffenheit des Untergrunds. Und da der Abschuss einer Harpune einen Rückstoß erzeugt, der Philae wieder in die Höhe heben könnte, wird im Moment des Schusses eine kleine Düse auf der Oberseite gezündet. Sie erzeugt fünf Sekunden lang den nötigen Druck nach unten.

Philae ist kein Projekt der Europäischen Raumfahrtbehörde (Esa) wie Rosetta, sondern stammt von einem Wissenschaftlerkonsortium mit Mitgliedern aus Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Österreich, Ungarn und der Esa. Die Initiative ging vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) aus, vor allem von dem Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen. Betrieben wird Philae vom DLR in Köln. Leitender Forscher für die gesamte Landemission ist Hermann Böhnhardt vom Göttinger Max-Planck-Institut. Er teilt sich diese Aufgabe mit seinem französischen Kollegen Jean-Pierre Bibring aus Paris. Das Projekt Philae kostet ungefähr 200 Millionen Euro.

Philae hat zehn Messinstrumente an Bord (siehe Infokasten). Hauptziel der Experimente ist die Analyse der Materie, aus der der Komet besteht. „Der Reiz der Kometenforschung liegt darin, dass sie die Frühphase des Planetensystems repräsentieren“, erklärt Böhnhardt. Woraus besteht diese Urmaterie? Enthält sie organische Materialien, die als Urstoff des Lebens interpretiert werden können?

Kometen entstehen in Riesensternen und bei Supernova-Explosionen. Kleinere Materiebrocken werden dabei fortgeschleudert. Bei der Entstehung unseres Planetensystems haben sich solche Trümmer in der sehr weit entfernten Oortschen Wolke und dem Kuipergürtel gesammelt. Von dort kommen einzelne Überbleibsel aus der Frühzeit des Planetensystems als Kometen zurück. Weit draußen in der Weltraumkälte konnten sich organische Bestandteile der Urmaterie erhalten. Auf der damals noch sehr heißen Erde wäre das nicht der Fall gewesen. Haben Kometen Urstoffe des Lebens auf die Erde gebracht?

Zwei der zehn wissenschaftlichen Experimente an Bord von Philae werden am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung betreut. Fred Goesmann ist der leitende Wissenschaftler für Cosac (Cometary Sampling and Composition experiment). Ein Bohrer nimmt Bodenproben für dieses Experiment. Er dringt bis zu zwanzig Zentimeter tief in den Untergrund und versorgt auch zwei weitere Experimente mit Material. Cosac analysiert, wie sein englischer Name sagt, die chemische Zusammensetzung dieser Proben und sucht dabei nach organischen Substanzen.

Die Bohrkerne, die etwa drei Millimeter lang sind und einen Durchmesser von ebenfalls drei Millimeter haben, werden in einem Ofen erhitzt und verdampft – möglich sind Temperaturen bis 600 Grad. Zu diesem Zweck gibt es auf einem Karussell 26 Mini-Öfen. „Alle Öfen sind für einmaligen Gebrauch bestimmt, weil niemand die Öfen leeren kann“, sagt Goesmann.

Die verdampften Gase fließen zunächst in einen Gaschromatografen, wo die Komponenten getrennt werden. Dazu ist das Gerät mit mehreren unterschiedlich beschichteten Röhren ausgestattet. Die Moleküle passieren diese Röhren wegen der Beschichtung unterschiedlich schnell. Anschließend werden in einem zweiten Gerät, dem Massenspektrometer, die Moleküle durch Elektronenbeschuss ionisiert und durch ein elektrisches Feld geführt. Wie lange sie für den Flug durch das Feld brauchen, erlaubt Rückschlüsse auf ihre Masse. So lässt sich feststellen, welche Arten von verdampfbaren Molekülen im Boden des Kometen stecken. Worauf Goesmann hofft: der Gaschromatograf kann auch die Chiralität der Moleküle bestimmen, ihren Drehsinn. Auf der Erde sind Zuckermoleküle rechtsdrehend, Aminosäuren linksdrehend. Die Frage ist nun: ist das auch auf dem Kometen so? Wenn so eine Messung gelingen würde, „das wäre grandios“, schwärmt Goesmann.

Das Instrument Dim gehört zu der Drei-erkombination Sesame. Leitender Forscher ist Harald Krüger vom MPI in Göttingen. Der Staubmesser (Dust Impact Monitor) ist ein schlichter Würfel von sieben Zentimeter Kantenlänge. Er sitzt ganz oben auf Philae. Das Messprinzip klingt einfach: Staub, der von der Kometenoberfläche aufgewirbelt wird und zurückfällt, trifft auf zwei Flächen des Würfels, die aus Blei-Zirkonat-Titanat bestehen. Das ist ein piezoaktiver Stoff, der auf leichten Druck mit elektrischem Strom reagiert, etwa beim Aufprall kleiner Eispartikel. Da der Strom von der Stärke des Aufpralls abhängt, zählen die Forscher nicht nur Einschläge, sondern versuchen auch die Masse der Teilchen zu bestimmen. Ein Problem dabei ist, dass Dim nur begrenzt Daten speichert.

So autonom die Landeeinheit ist, für die Datenübertragung zur Erde braucht sie das Mutterschiff Rosetta. Ob das Duo den Vorbeiflug an der Sonne übersteht? Die Forscher nehmen mit, was sie an Ergebnissen bekommen. Bestenfalls ist das auch noch nach dem Vorbeiflug der Fall.