Immer öfter führen weibliche Präsidenten die Rotarier und Lions-Vereinigungen, wie Sarah Kupke in Sindelfingen und Carolin Küchle im Schönbuch. Die Organisationen überleben nur, wenn sie die Männertraditionen über Bord werfen.

Böblingen/Sindelfingen - Als ein Rotarier vor fünf Jahren Sarah Kupke fragte, ob sie nicht Mitglied eines neuen Clubs werden wolle, fand die Sindelfingerin diese Idee ganz und gar abwegig. „Rotarier, das war für mich ein elitärer Club alter Herren.“ Doch der Bekannte ließ nicht locker. Kupke informierte sich näher über den weltweiten Verbund und stellte fest, dass die Ziele der Rotarier ihren persönlichen nahe lagen: die eigene Person und den Beruf in den Dienst der Gesellschaft zu stellen. Und da Kupke sowieso auf der Suche nach einem Ehrenamt war, das sich mit ihrem zeitaufwendigen Job als Rektorin der Internationalen Schule in Sindelfingen verbinden ließ, trat sie dem neuen Rotary-Club Sindelfingen bei.

 

Und dieser ist als alles andere als ein Alt-Herren-Verein. Die 38 Mitglieder sind gestandene Berufstätige zwischen Mitte 40 und Mitte 50, die Hälfte davon Frauen. Seit Juli ist Kupke für ein Jahr die Präsidentin. Als solche legt sie den Schwerpunkt der Arbeit fest. Und dieser ist für die Pädagogin die Bildungsarbeit. Sprachkurse für Flüchtlinge fördern die Rotarier aktuell – dafür sammelten sie kürzlich Geld mit einem Benefizkonzert des Bundespolizeiorchesters.

Jüngere Clubs sind offener als Traditionsvereine

Kupke ist nicht die erste Präsidentin in Sindelfingen. Weibliche Chefs sind im jungen Club ganz normal. Ganz anders bei den Rotariern Leonberg-Weil der Stadt, die sich vor 24 Jahren zusammenfanden. Vor vier Jahren wurde die erste Frau aufgenommen, heute sind drei der 53 Mitglieder weiblich. Ähnlich ist die Situation im Rotary Club Schönbuch, der dieses Jahr 30 wird: 55 Männer, drei Frauen. Auch das Durchschnittsalter der Mitglieder ist höher als das der Sindelfinger. Viele Ruheständler seien darunter, sagt Peter Conzelmann, der Sprecher der Schönbuch-Rotarier und Böblinger Kulturamtsleiter.

Deshalb setzt sich langsam auch in Traditionsclubs die Erkenntnis durch, dass die Rotarier nur eine Überlebenschance haben, wenn sie sich für Frauen öffnen. Doch es sei gar nicht so einfach, geeignete Kandidatinnen zu finden, sagt Andreas Wierse, der Präsident der Leonberger Rotarier. Voraussetzung für die Aufnahme ist eine Führungsposition oder erfolgreiche selbstständige Tätigkeit. „Es herrscht ein gewisser Wettbewerb. Viele Clubs werben um die wenigen Frauen in Führungspositionen, die es gibt. Das ist ein wenig so wie bei den Aufsichtsräten in den Dax-Konzernen.“

Umworben wurde vor einigen Jahren auch Christine Kraayvanger, die Böblinger Baubürgermeisterin. Sie hatte die Wahl zwischen verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen. Ihre Entscheidung fällte sie pragmatisch nach der Zeit der Clubtreffen. „Manche treffen sich um die Mittagszeit. Das ist für mich schwierig, da mal zwei Stunden zu verschwinden.“ Unter anderem deswegen trat sie dem Lions-Club Böblingen-Sindelfingen bei, der seine Treffen alle zwei Wochen abends abhält. Eine regelmäßige Teilnahme an den Clubabenden ist Pflicht. „Wir wollen keine Karteileichen und Mitglieder, die nur mit dem Scheckbuch wedeln“, sagt Arno Lienau, der Präsident des Lions-Clubs Weil der Stadt, der emanzipierteste im Kreis. „Die Hälfte unserer Mitglieder sind Frauen. Auch mehrere Präsidentinnen hatten wir schon.“

Es gibt auch reine Frauen-Clubs

Christine Kraayvanger ist nur eine von drei Frauen im Böblinger Lions-Club, der sich erst 2008 für weibliche Mitglieder öffnete. Doch das stört sie nicht. „Als Architektin bin ich es gewohnt, überwiegend mit Männern zu arbeiten. Die Atmosphäre in unserem Club ist richtig gut und ich freue mich auch über die altersmässige Unterschiedlichkeit. Jüngere können aus dem Erfahrungsschatz der Älteren schöpfen.“ Ein reiner Frauenclub wäre eher nichts für sie. 101 solcher Damen-Clubs haben die 1917 in Chicago gegründeten Lions in Deutschland und 593 gemischte Vereinigungen. Aber 854 der insgesamt 1548 Clubs mit 52 113 Mitgliedern sind noch reine Männer-Bastionen.

Für Carolin Küchle käme eine Mitgliedschaft in einem altehrwürdigen Club nicht in Frage. Sie gehört zu den Gründern der vor fünf Jahren ins Leben gerufenen Lions Schönbuch, ist seit Juli die Präsidentin. „Die Atmosphäre ist bei uns lockerer als in den Traditionsclubs“, sagt die 35-Jährige. Dazu gehören auch unkonventionelle Aktionen. So sammelten die Mitglieder mit Gartenarbeit Geld für gute Zwecke. „Alle waren dabei“, sagt Küchle. Lions-Frauen können eben auch Rasen mähen.