Karlheinz Spitznagel war eigentlich nur übergangsweise Sanierer des maroden DRK-Kreisverbandes Ludwigsburg. Nun wird er freiwillig dessen Geschäftsführer – obwohl die Lage mehr als schwierig ist.

Ludwigsburg Der DRK-Kreisverband Ludwigsburg steckt noch immer tief in den roten Zahlen. Doch statt zu resignieren, setzt Karlheinz Spitznagel als neuer Chef noch einen drauf. Er glaubt an die Zukunft des hoch verschuldeten Verbands.
Herr Spitznagel, Sie wechseln von einem sicheren Job beim Landesverband des Roten Kreuzes zu einem maroden Kreisverband. Leiden Sie gern?
Die Stelle des Kreisgeschäftsführers ist tatsächlich hoch brisant. Ich könnte den Job keinem empfehlen. Es gilt, an allen Ecken und Enden höllisch aufzupassen, weil wir immer wieder Fehler der ehemaligen Leitung entdecken und dann nachjustieren müssen. Hinzu kommt, dass man als Kreisgeschäftsführer rechtsverbindliche Erklärungen abgeben muss. Im Prinzip muss man ein Buch mit 1000 Seiten quasi auswendig lernen, um alle rechtlichen Vorgaben zu kennen. Noch dazu wird man mir nach der unerfreulichen Vorgeschichte ganz besonders auf die Finger schauen.

Warum begeben Sie sich dann in das Haifischbecken?
Mir macht das unheimlich viel Spaß. Ich habe gern mit Menschen zu tun, und darum geht es hier ja im Prinzip. Und zwar nicht nur um die Menschen, denen das Rote Kreuz als Institution hilft, sondern auch um die Mitarbeiter. Unser oberstes Ziel bei der Sanierung des Kreisverbandes ist, dass keiner seinen Arbeitsplatz verliert – das ist ein Zeichen unserer Wertschätzung. Darüber hinaus arbeite ich aber auch gerne mit Zahlen. Nicht umsonst war ich 22 Jahre lang als Revisor beim Landesverband des Roten Kreuzes tätig.

Die Erfahrungen von dort können Sie jetzt wohl gut gebrauchen.
Ja. Wenn man in so einen Kreisverband wie den Ludwigsburger kommt, dann reicht ein Studium nicht, um sich zurecht zu finden. Auch drei Jahre Berufserfahrung sind nicht genug, um die teilweise enormen Risiken zu erkennen. Man muss wissen, wie so ein Verband tickt, auf was es zu achten gilt – und muss das auch ansprechen können. Damit macht man sich nicht nur Freunde. Aber ich kann inzwischen gut mit Kritik umgehen. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass wir wieder auf die Beine kommen. Das Potenzial ist enorm – und die Aufbruchstimmung ist schon zu spüren.

Wie ist momentan die Lage beim Kreisverband Ludwigsburg?
Um einmal das Ausmaß zu benennen: es handelt sich um die schwerste Krise, die es beim Roten Kreuz in Baden-Württemberg jemals gegeben hat. Allerdings muss ich betonen: Wir reden hier keineswegs von mangelhaften Strukturen, die behoben werden müssten. Die Misere wurde zu hundert Prozent durch dramatische personenbedingte Fehler, also durch Misswirtschaft, verursacht. Sonst wären auch andere Kreisverbände in einer ähnlich miserablen Lage, denn die haben alle die gleichen Strukturen. Und nicht umsonst ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart noch gegen die frühere Führung.

Wie weit sind Sie mit der Sanierung?
Die ersten Schritte sind gemacht. Unser Sanierungsplan wurde von einem kritischen Wirtschaftsprüfer als realisierbar eingeschätzt. Daraufhin haben wir einen Notlagentarifvertrag mit den Mitarbeitern abgeschlossen. Sie leisten ihren Beitrag zur Sanierung, indem sie in diesem Jahr komplett und im nächsten Jahr noch teilweise auf ihr Weihnachtsgeld und auf so genannte Leistungszulagen verzichten. Die Verhandlungen waren nicht ganz einfach. Denn verständlicherweise waren die Mitarbeiter nicht glücklich darüber, für etwas zahlen zu müssen, was ihre früheren Chefs verbockt haben. Aber letztlich haben wir alle sehr vernünftig miteinander verhandelt.

Was sind die nächsten Schritte bei der Sanierung?
Durch den Beitrag der Mitarbeiter sparen wir rund 600 000 Euro ein. Zudem haben uns der Landesverband und die Ortsverbände Darlehen beziehungsweise Zuschüsse in gleicher Höhe zugesichert. Wir sind also zahlungsfähig. Nun geht es darum, nachhaltig Schulden abzubauen. Vor allem beim Rettungsdienst gibt es noch viele Stellschrauben. Hier wurde in der Vergangenheit nicht zeitnah verhandelt, auch die von den Kostenträgern finanzierte Arbeitszeit in der Notfallrettung müssen wir auf den Prüfstand stellen. Wir stehen noch am Anfang, aber ich denke, in drei bis fünf Jahren könnte die Sanierung weitestgehend abgeschlossen sein.

Es war bereits von Regressforderungen die Rede, die Sie stellen wollen.
Das stimmt. Das sind wir unseren Beschäftigten aber auch allen Mitgliedern des Kreisverbandes schuldig. Wer so massiv etwas verschuldet hat wie die frühere Leitung des Kreisverbandes, der muss auch seinen Kopf dafür hinhalten. Allerdings muss erst einmal geklärt werden, wie hoch der Schaden aus juristischer Sicht insgesamt ist.