Das Auto-Jahr 2010 zählt viele Gewinner und mindestens genauso viele Verlierer. Ein Rückblick.

Anspruch und Wirklichkeit klaffen bisweilen weit auseinander. Da gibt es seit geraumer Zeit – nicht zu Unrecht – rund ums Auto die intensive Diskussion um den CO2-Ausstoß und mithin den Kraftstoffverbrauch. Praktisch alle Autohersteller bringen Modelle auf den Markt, die besonders sparsam sind. Um jedes Gramm Kohlendioxid wird hart gekämpft, auf dem Rollenprüfstand und in der Werbung.

 

Und was kaufen die Leute? Im gerade zu Ende gegangenen Jahr sind Geländewagen und Sportwagen die großen Gewinner bei den Neuzulassungen auf dem deutschen Markt. Während der Gesamtmarkt bis einschließlich November 2010 einen deftigen Rückgang um ein Viertel hinnehmen musste, legten Geländewagen im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent und Sportwagen sogar um 22,8 Prozent zu.

Immerhin: Bei den Geländewagen zeigt sich ein Trend hin zu den kompakteren und mithin etwas sparsameren Modellen. Zu diesem Segment gehört auch der BMW X1, der nach dem Marktstart 2009 ein fulminantes Jahr 2010 hingelegt hat: Die Statistiker des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) in Flensburg weisen für das bayrische Modell ein Plus von 1140 Prozent im Vergleich zum Vorjahr aus. Der Skoda Yeti, ebenfalls 2009 eingeführt, kommt auf ein Plus von fast 470 Prozent. Ebenfalls fast verfünffacht hat sich der Absatz des E-Klasse Coupés von Mercedes im Segment der Sportwagen.

Von solchen Zuwächsen können die Kleinwagen nur träumen. Sie gehören mit einem Minus von über 40 Prozent klar zu den Verlierern des Jahres 2010 – was nach dem durch die Abwrackprämie im Vorjahr ausgelösten Boom auch nicht wirklich verwunderlich ist. Besonders bitter ist die Situation beispielsweise für Fiat Panda und Fiat Punto, die ein Minus von fast 60 Prozent beziehungsweise 70 Prozent verzeichnen. Kräftig Federn lassen musste auch der Dacia Logan. Das in der Phase der Abwrackprämie gefeierte Billigmodell aus Rumänien hat im vergangenen Jahr über 70 Prozent weniger Kunden gefunden.

Neben den nüchternen Zahlen gibt es aber auch Autos des Jahres 2010, die durch Emotionen oder Extreme auf sich aufmerksam gemacht haben. Zu den Hinguckern des Jahres gehört zweifelsfrei der neue Mercedes CLS, der mit schwungvollen Formen eine Mischung aus Limousine und Coupé verkörpert. Es ist eine Gattung mit Zuwachs: Der Audi A7 bringt neben coupéhafter Form auch die Heckklappe ins Luxussegment, Aston Martin bringt mit dem Rapide einen direkten Gegner für den Porsche Panamera. Letzterer zählt mit einem Zulassungsplus von 184 Prozent übrigens auch zu den Gewinnern des Jahres. Unter rein optischen Gesichtspunkten ist Nissan mit dem Juke ein – vorsichtig ausgedrückt – stilistisches Wagnis eingegangen. Der Mix aus Geländewagen und Coupé im Format eines VW Polo, gekrönt durch ein reichlich bizarr anmutendes Gesicht, dürfte nicht nur an Stammtischen Diskussionen ausgelöst haben.

Diskutieren kann man auch über automobile Extreme, wie es sie jedes Jahr gibt. Volkswagens Superluxussportwagenjuwel Bugatti hat in diesem Jahr eine leistungsgesteigerte Variante in Form des Bugatti Veyron 16.4 Super Sport aufgelegt. Dieser hat genau 199 PS mehr als das Serienmodell und kommt auf 1200 PS respektive 882 kW. Den neuen Geschwindigkeitsrekord von 431 km/h hat sich der Konzern bereits in die Bücher eintragen lassen. Nicht ganz so schnell ist ein Reisemobil, das Hersteller Hymer Anfang letzten Jahres präsentiert hat. Das 300 PS starke Hymercar 322 schaffte eine Höchstgeschwindigkeit von 207,8 km/h und nimmt seither für sich in Anspruch, das schnellste Reisemobil der Welt zu sein. Ob beide Fahrzeuge sinnvoll sind, mag man bezweifeln können. Sie sorgen aber auf jeden Fall für Abwechslung im automobilen Lauf des Jahres. Das gilt auch für den Fiat 500 Twin Air, der mit seinem kleinen Zweizylinder-Motörchen für eine Wiederbelebung dieses praktisch ausgestorbenen Motorenkonzepts auf den Straßen sorgt.

Zu den Gewinnern des Jahres zählt auch der Elektroantrieb. Auch wenn der Hype über die aktuell gegebenen Möglichkeiten hinwegtäuscht, wird der Elektromotor fürs Auto so schnell nicht wieder in den Schubladen der Entwicklungsbüros verschwinden. Ganz egal, ob es um reine Elektroautos oder um Hybridfahrzeuge mit kombiniertem Verbrennungs- und Elektroantrieb geht – die Intensität, mit der sich Hersteller und Zulieferer mit diesem Thema auseinandersetzen, zeugt von der Ernsthaftigkeit und der langfristigen Perspektive, dass immer mehr Autos nicht nur an der Zapfsäule, sondern auch an der Steckdose tanken werden. Immerhin rollen die ersten Elektroautos in Kundenhand schon heute auf den Straßen.

Zu den Gewinnern des Jahres gehört schließlich auch der Winterreifen. In frostigen Tagen wie diesen heiß begehrt, wurde er in den letzten Tagen des alten Jahres zur Pflicht. Wer jetzt bei winterlichen Bedingungen noch mit Sommerreifen unterwegs ist, riskiert einen Strafzettel. Ganz abgesehen von den Risiken, die sich auf dem glatten Parkett bieten.

Das kommt 2011

Neuheiten-Parade auf der IAA
Im neuen Jahr hat sich die Autobranche einen Termin ganz dick im Kalender angestrichen: Vom 15. bis 25. September findet in Frankfurt am Main die Internationale Automobilausstellung (IAA), die größte Autoshow der Welt, statt. Neue Modelle werden indes nicht nur im Herbst, sondern im Verlauf des ganzen Jahres auf dem Markt eingeführt. Mercedes bereitet ein wahres Feuerwerk vor: Zum Jahresbeginn wird der neue SLK präsentiert, später folgen das Coupé der C-Klasse, die B-Klasse, die Neuauflage der M-Klasse und schließlich der SLS AMG ohne Flügeltüren, aber mit faltbarem Roadster-Dach. Bei Porsche steht zur IAA der neue 911 in den Startlöchern, zudem wird es im Sommer den Panamera mit Hybrid- und Dieselantrieb geben. Marktführer VW legt neben dem eher glücklosen Eos für Frischluftliebhaber im Sommer das Golf Cabrio wieder auf und wird zum Jahresende den Kleinwagen Up auf den Markt bringen. Konzernschwester Audi wartet im März mit dem neuen A6 auf, im Herbst soll mit dem Q3 ein kleiner Allradler folgen. Bereits im Februar startet Ford mit dem neuen Focus, während Opel im Herbst die neue Generation des Zafira und das Elektroauto Ampera auf den Markt bringen will. Letzterer ist eine baugleiche Variante des Chevrolet Volt, der ebenfalls im November eingeführt werden soll. Bei den Importmarken fällt die britische Sportwagenmarke Aston Martin auf: Sie bringt im Mai mit dem Cygnet erstmals einen Kleinwagen – eine Abwandlung des Toyota iQ.

Geburtstagsfeier für das Auto
Überdies wird das Auto im neuen Jahr Geburtstag feiern. Vor genau 125 Jahren reichte Carl Benz das Patent für seinen Motorwagen ein. Im Rahmen des Automobilsommers 2011 soll in ganz Baden-Württemberg gefeiert werden (www.automobilsommer2011.de).