SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz erhält für die Ankündigung, als Regierungschef sofort den gesetzlichen Mindestlohn drastisch anzuheben, Rückhalt von prominenter wissenschaftlicher Seite.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bezeichnet es als „mein wichtigstes Gesetz“: die Anhebung der gesetzlichen Lohnuntergrenze von derzeit 9,60 auf zwölf Euro. Beim Gewerkschaftsbund in Stuttgart präzisierte er am Montag: „Ich setze mich dafür ein, dass nicht irgendwann, sondern im ersten Jahr der neuen Regierung beschlossen wird: Wir wollen den Mindestlohn anheben auf zwölf Euro und von der Basis aus regelmäßig im jetzigen Verfahren weiter anheben“, sagte er mit Blick auf die Mindestlohnkommission. „Einmal muss das sein als Erhöhung für zehn Millionen Arbeitnehmer.“ Ähnlich äußerte sich Scholz kurz darauf als Gast unserer Zeitung, wo er sich auch gegen regionale Differenzierungen aussprach.

 

Bis zu 20 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen

Rückendeckung gab am Dienstag der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. „Für mehr als ein Fünftel aller Beschäftigten würde es zum Teil drastische Lohnerhöhungen bedeuten“, sagte er und hielt Kritikern wie CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet oder den Wirtschaftsverbänden entgegen: „Ein höherer Mindestlohn würde wahrscheinlich wenige Jobs kosten, das ist die Erfahrung der Einführung des Mindestlohns.“

Eine Untergrenze von zwölf Euro „wäre aus jeglicher Perspektive sinnvoll – abgesehen davon, dass es dem Staat auch eine Menge zusätzliche Steuereinnahmen bringt, umgerechnet 17 bis 20 Milliarden Euro durch weitere wirtschaftliche Aktivität, höhere Einkommen und damit höheren Konsum“, so der Ökonom. „Auch die Sozialausgaben für Aufstocker würden reduziert werden.“

Auch die Grünen fordern zwölf Euro – eine gezielt gewählte Untergrenze, weil sie fast genau 60 Prozent des deutschen Medianlohns – also der sogenannten Armutsgefährdungsschwelle – entspräche. Die Linke mahnt gar einen Schub auf 13 Euro an.

Lesen Sie aus unserem Angebot: Von Kevin Kühnert und Krawatten