Der Ministerpräsident sagt, die Bundesregierung müsse beurteilen, ob die Sicherheitslage in Afghanistan die Rückführung von Flüchtlingen zulasse. Zugleich schlägt der Grünen-Politiker eine Stichtagslösung vor.

Stuttgart - Trotz mancher Hoffnungen in seiner Partei wird sich Ministerpräsident Winfried Kretschmann der Abschiebung von Flüchtlingen nach Afghanistan nicht in den Weg stellen. „Der Bund ist für die Beurteilung der Zielländer zuständig“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag. „Der Bund hat dafür die Instrumente, die Kompetenz und die Verantwortung.“ Niemandem sei gedient, wenn sich die Verantwortlichkeiten ständig vermischten. Die Länder verfügten bei Abschiebungen über „Beurteilungsspielräume, die in der Person liegen, nicht im Zielland“.

 

Nach Protesten gegen frühere Abschiebungen in das Krisenland am Hindukusch hatte der zuständige Staatssekretär im Innenministerium, Martin Jäger, zugesichert, er werde bei Afghanistan-Abschiebungen jeden Fall einzeln ansehen. Kretschmann wies am Dienstag in Erwartung eines neuen Sammeltransports darauf hin, dass ohnehin jeder Fall einer individuellen rechtlichen Würdigung unterliege. Deshalb empfinde er das Wort „Sammeltransport“ als unglücklich. Es bedeute nur, „dass alle in ein Flugzeug gesetzt werden“.

„Humanitäre Aspekte erweitern“

In einem Brief an Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) verlangt Kretschmann eine aktualisierte Bewertung der Sicherheitslage in Afghanistan. Das Stuttgarter Staatsministerium verweist auf den Bericht des UN-Flüchtlingshilfswerks, laut dem Afghanistan nicht sicherer geworden und die Lage in vielen Regionen keineswegs stabil sei. Ein Sprecher der Landesregierung sagte, „wenn wir Menschen, die hier kein Bleiberecht bekommen, nach Afghanistan zurückbringen, dann wollen wir Gewissheit, dass dies von einer möglichst aktuellen Lagebewertung gedeckt ist“.

Kretschmann räumte ein: „In Einzelfällen, die umstritten sind, hat man schon Skrupel.“ Er plädierte dafür, „die humanitären Aspekte“ zu erweitern. „Wir sollten mehr machen für Menschen, die gut integriert sind.“ Allerdings wecke dieses Ansinnen bei der CDU die Sorge, falsche Anreize für eine weitere Zuwanderung zu setzen.

Der Ministerpräsident sagte, er habe eine Stichtagsregelung für Flüchtlinge vorgeschlagen, die dann bleiben dürften. Auch könnten die Härtefallkommissionen eine größere Rolle spielen. „Aber ich bin nur ein Ministerpräsident unter sechzehn.“ Die Spannweite reiche von Horst Seehofer (CSU) in Bayern bis Bodo Ramelow (Linke) in Thüringen.

Grünen-Landeschefin Sandra Detzer sagte, mehr als zehn Jahre habe es aus gutem Grund einen Abschiebestopp nach Afghanistan gegeben. „Es wäre klare grüne Position, den Stopp wieder in Kraft zusetzen, aber dafür gibt es im Bund derzeit keine Möglichkeit.“ Just dies verlangt der Jugendverband der Grünen.