Bei seinem Rücktritt vom Amt des DFB-Präsidenten hat Fritz Keller zum großen Rundumschlag ausgeholt. Die Führungskrise im Verband geht auch ohne den Winzer aus Südbaden weiter.

Stuttgart - Der tief gefallene Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ließ es sich nicht nehmen, sich unmittelbar nach seinem Rücktritt noch einmal an die Öffentlichkeit zu wenden. Er sei „fassungslos über den Fehler, der mir da unterlaufen ist“, „tief erschüttert, dass ich wegen eines solchen Vorgangs meine Funktion als DFB-Präsident aufgeben muss“, schrieb er in einer langen „persönlichen Erklärung“ und schloss mit den Worten: „Dass ich wegen eines solchen Vorgangs öffentlich so dastehe, macht mich traurig, und ich bitte einfach um eine faire Beurteilung meiner Amtszeit.“

 

Die Annahme einer Luxusuhr als Geschenk von einem ukrainischen Oligarchen war es gewesen, die Reinhard Grindel am 2. April 2019 zum Rücktritt zwang.

Jetzt ist es der Vergleich des DFB-Vizepräsidenten Rainer Koch mit dem Nazischarfrichter Roland Freisler, der Grindels Nachfolger Fritz Keller den Job gekostet hat. Wie angekündigt ist der 64 Jahre alte Winzer aus Südbaden am Montag offiziell zurückgetreten. Auf eine ausführliche „persönliche Erklärung“ wollte auch er nicht verzichten – doch betrifft seine Fassungslosigkeit nicht nur das eigene Fehlverhalten („Ich übernehme persönlich Verantwortung für meine Entgleisung“), sondern vor allem die Zustände im Verband, dem er nur 20 Monate vorstehen durfte.

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Mit einer krachenden Abrechnung hat sich Fritz Keller zurückgezogen und bei seinem Rundumschlag in alle möglichen Richtungen ausgeteilt. Bereits bei seiner Amtsübernahme im Herbst 2019 sei der DFB „ein Sanierungsfall mit unzähligen ungelösten Themen und Baustellen“ gewesen; er sei bei der Umsetzung seines Vorhabens, den Verband zu professionalisieren und rundzuerneuern, „auf Widerstände und Mauern“ gestoßen; er habe feststellen müssen, „dass es viel zu häufig um eigene Befindlichkeiten, interne Machtkämpfe, um die Sicherung von Vorteilen sowie um das ‚Arbeiten‘ am eigenen Bild in der Öffentlichkeit“ gegangen sei.

Beim DFB regiert das Hauen und Stechen

Keller zeichnet das Bild eines Verbands, in dem das Hauen und Stechen regiert. „Eine vertrauensvolle, verlässliche und kollegiale Zusammenarbeit“ habe es innerhalb der DFB-Gremien nie gegeben; die Durchsetzung seines Auftrags sei ihm „an vielen Stellen immer wieder schwer bis unmöglich“ gemacht worden; mit rechtlichen Mitteln habe er „die Durchsetzung von Transparenz“ erkämpfen müssen. Kurzum: „Mit ordnungsgemäßer Verbandsführung hatte und hat das alles nichts zu tun“ – entsprechend sei „mein Fehlverhalten in einem für den DFB beschämenden Umfeld“ erfolgt.

Zwar hat Keller beim DFB nun nichts mehr zu melden – wie es weitergehen müsse, teilt er dennoch ausführlich mit: Nötig sei „eine personelle Erneuerung“, eine „komplette Professionalisierung in der Führungsspitze und schnelle Einführung völlig neuer Strukturen“, die „Aufklärung aller möglichen Unregelmäßigkeiten und Verfehlungen im DFB durch externe, unbelastete, öffentlich anerkannte Spezialisten“, die „Stärkung eines auf Vertrauen und Zuverlässigkeit aufbauenden Führungsstils, insbesondere unter Einbeziehung von Diversitätsgedanken“. Mit anderen Worten: Es brauche einen komplett neuen DFB, in dem kein Stein auf dem anderen bleiben und keine Führungskraft sein Amt behalten dürfe.

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Vorerst aber ist es (wieder einmal) sein Intimfeind Rainer Koch, der den Verband zusammen mit Peter Peters bis zum vorgezogenen Bundestag zu Beginn des nächsten Jahres interimsmäßig führen soll. Nur noch bis dahin will Schatzmeister Stephan Osnabrügge im Amt bleiben; auch Koch hat angekündigt, sein Amt des Vizepräsidenten zur Verfügung zu stellen – dem Präsidium aber will der heftig kritisierte Fußballfunktionär aus München offenbar auch weiter angehören.

Der Vertrag des ebenso umstrittenen Friedrich Curtius hingegen, mit dem sich Keller einen monatelangen Machtkampf geliefert hatte, soll bereits in Kürze aufgelöst werden. Der Generalsekretär war öffentlich in die Kritik geraten, weil er einen Dienstleister damit beauftragt hatte, seinen Wikipedia-Eintrag aufzuhübschen. Die Kosten von 20 000 Euro wurden zunächst vom DFB übernommen.

Wer könnte Nachfolger von Fritz Keller werden?

Völlig offen ist nun die Frage, wer den DFB künftig führen soll, nachdem nach Wolfgang Niersbach und Reinhard Grindel auch Fritz Keller innerhalb kurzer Zeit auf ganzer Linie gescheitert ist. Öffentlich werden viele Namen gehandelt, Bayern-Chef Karl-Heinz-Rummenigge etwa oder Philipp Lahm, zuletzt wurde Ex-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus ins Spiel gebracht. Auch Thomas Hitzlsperger, dem Vorstandschef des VfB Stuttgart, würden viele zutrauen, den DFB zu befrieden.

Doch dürften sich alle gut überlegen, ob sie sich ein Amt antun, das so viel Ärger verheißt. Reinhard Grindel sah sich 2019 nicht nur zum Rücktritt genötigt, sondern auch zum Versprechen, die Uhr „so schnell wie möglich zurückgegeben“.