Christine Lambrecht ist laut übereinstimmenden Medienberichten zum Rücktritt entschlossen. Es wäre der richtige Schritt. Dabei geht es um viel mehr als die diversen Peinlichkeiten, die Lambrecht sich erlaubt hat, kommentiert Tobias Peter.

Korrespondenten: Tobias Peter (pet)

Die Bundeswehr, ihr Beschaffungswesen und alles, was daran noch hängt, sind eine große, eigene Welt. Deshalb ist der Job der Verteidigungsministerin oder des Verteidigungsministers einer der schwierigsten, die es in der Bundesregierung gibt. Seit dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine ist er dazu so wichtig wie noch nie.

 

Als Olaf Scholz Christine Lambrecht zur Verteidigungsministerin gemacht hat, wusste er nicht, wie sich die weltpolitische Lage innerhalb kürzester Zeit verändern würde. Er kannte Lambrecht als erfolgreiche Justizministerin. Er sah in ihr eine Kandidatin, der er eine Reform des Beschaffungswesens der Bundeswehr zutraute – und die sich loyal verhalten würde. Die nicht öffentlich einfordern würde, sie brauche mehr Geld, als zu dem Zeitpunkt für die Bundeswehr vorgesehen war.

Viele peinliche Vorfälle

Lambrecht – das ist heute klar – wäre auch zu anderen Zeiten keine gute Verteidigungsministerin geworden. Scholz hat aber vor allem auch missachtet, dass man sich bei der Besetzung eines Spitzenpostens immer fragen muss, ob die gewählte Person auch in Krisenzeiten die richtige für das Amt wäre. Die Personalie Lambrecht ist eine Fehlentscheidung des Kanzlers.

Die peinlichen Vorfälle, die Lambrecht sich geleistet hat, wären jeder für sich noch kein Rücktrittsgrund. Dass sie ihren erwachsenen Sohn im Helikopter mitnahm, als sie zum Truppenbesuch flog, ließ politischen Instinkt vermissen. Das Video, in dem Lambrecht an Silvester zwischen Böllern vom Krieg und Begegnungen mit tollen Menschen spricht, hat Fremdscham beim Zuschauen verursacht. Eine gute Ministerin oder ein guter Minister kann so etwas dennoch politisch überleben.

Doch gemeinsam mit einer Amtsführung, die wenig Interesse für die Truppe erkennen ließ, haben die Vorfälle die Autorität der Ministerin untergraben. Ohne Autorität ist aber zum Beispiel auch die so wichtige Reform des Beschaffungswesens kaum denkbar. Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, das nun für die Bundeswehr zur Verfügung steht, muss rasch und gut investiert werden.

Das offene Geheimnis

Nicht jede Kritik gegen Lambrecht war fair. Fraglos kann die Ministerin nichts dafür, wenn der Schützenpanzer Puma reihenweise in einer Übung ausfällt. Natürlich hat die SPD-Politikerin bei der Bundeswehr einen über viele Jahre aufgebauten Problemstau vorgefunden, der sich nicht mal eben auflösen lässt. Die entscheidende Frage ist aber immer: Traut man einer Ministerin oder einem Minister die Lösung von Problemen noch zu?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Lambrecht gern Innenministerin geworden wäre. Als Olaf Scholz ihr dieses Amt nicht angeboten hat, wollte sie zumindest gern Ministerin werden. Für das Amt der Verteidigungsministerin hat sie nie die notwendige Leidenschaft entwickelt – oder zumindest die Bereitschaft, sich auf die große, eigene Welt der Verteidigungspolitik voll und ganz einzulassen.

Spekulationen über die Nachfolge

Lambrecht steht – wie mehrere Medien übereinstimmend berichten – vor dem Rücktritt. Wenn sie diesen Schritt tatsächlich geht, gebührt ihr dafür Respekt. Nicht jeder Politiker schafft es abzutreten, wenn es notwendig ist.

Die Spekulationen über die Nachfolge haben längst begonnen. Die Wehrbeauftragte Eva Högl wäre gut für das Amt geeignet, SPD-Chef Lars Klingbeil auch. Im Fall einer Berufung Klingbeils wären aber weitere Umbauten im Kabinett notwendig, wenn Scholz weiter sein Versprechen halten will, Ministerposten paritätisch mit Männern und Frauen zu besetzen.

Diesmal muss das Amt an jemanden gehen, der es wirklich ausfüllen kann und das auch will. Nicht nur an jemanden, der ein Amt will.