CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer verzichtet auf eine Kanzlerkandidatur und will auch den Parteivorsitz abgeben. Wie reagieren Abgeordnete aus dem Südwesten?

Stuttgart - In Reaktion auf die Regierungskrise in Thüringen hat die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer angekündigt, auf die Unions-Kanzlerkandidatur zu verzichten und auch den CDU-Vorsitz abgeben zu wollen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich dafür aus, dass die scheidende CDU-Chefin Verteidigungsministerin bleibt, wie aus der Sitzung des CDU-Präsidiums bekannt wurde. Kramp-Karrenbauer ist seit Dezember 2018 Bundesvorsitzende der CDU. In einer Pressekonferenz am Mittag will Kramp-Karrenbauer Details zu ihrer Entscheidung nennen – doch schon zuvor gab es zahlreiche Reaktionen, auch von Abgeordneten aus dem Südwesten.

 

Reaktionen von baden-württembergischen Politikern

Olav Gutting, Mitglied des CDU-Bundesvorstands und Bundestagsabgeordneter aus Bruchsal befürwortete AKKs Entscheidung. „Leider haben sich die Fehler in der Führung in der letzten Zeit gehäuft“, sagte Gutting unserer Zeitung. „Bei aller persönlicher Sympathie muss man feststellen: An der Basis gab es wachsende Zweifel an der Kanzlerfähigkeit von Annegret Kramp-Karrenbauer. Ihr Schritt auf eine Kanzlerkandidatur zu verzichten ist deshalb richtig. Sie erspart damit der Partei eine Zerreißprobe.“

Für Michael Hennrich, den direkt gewählten CDU-Bundestagsabgeordneten aus Nürtingen, sind die kommenden Wochen entscheidend für die CDU. „Für mich ist in den nächsten Wochen die entscheidende Frage, ob es meiner Partei gelingt, die unterschiedlichen Strömungen miteinander zu versöhnen und wir wieder gemeinsam an einem Strang ziehen. Ziel muss es sein, die inhaltliche Auseinandersetzung mit den politischen Wettbewerbern zu suchen und nicht weiter in irgendwelchen innerparteilichen Scharmützeln zu verharren. Politische Prozesse müssen darüber hinaus so organisiert werden, dass auch die etablierten Parteien sich wieder schärfer voneinander abgrenzen und somit die damit verbundenen Debatten ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung rücken. Ich bin mir sicher, dass das der beste Weg ist, um wieder zur alten Stärke zurückzukehren und die politischen Ränder nachhaltig zu schwächen.“

Aus Sicht des baden-württembergischen FDP-Abgeordneten Benjamin Strasser ist der Rückzug von Kramp-Karrenbauer die Folge „einer schon länger zerbröselnden Autorität“. Strasser sagte unserer Zeitung: „Offenbar hat es Annegret Kramp-Karrenbauer nie wirklich geschafft, die Reihen der Union zu schließen und eine einheitliche Linie zum Umgang mit AfD und Linkspartei herzustellen. Das werden ihre potenziellen Nachfolger nun schnell klären müssen.“

Der CDU-Abgeordnete Armin Schuster (Lörrach-Müllheim) sagte: „Es war doch schon durch das Nebeneinander von Kanzlerin und Parteichefin eine komplizierte Situation. Das wird jetzt sogar zu einem Dreiecksverhältnis, denn der oder die Kanzlerkandidaten kommen noch dazu. Das ist bis Dezember keineswegs auszuhalten. Auf keinen Fall darf sich diese komplizierte und unklare Situation lange hinziehen.“

Reaktionen auf Bundesebene: „Dramatische Situation“

Auch von Parteichefs und anderen Politikern auf Bundesebene gab es bereits zahlreiche Reaktionen auf AKKs Rückzug. So sprach die Grünen-Chefin Annalena Baerbock von einer „dramatischen Situation“ für das Land. Baerbock sagte am Montagvormittag, durch die Ankündigung des Rückzugs von Kramp-Karrenbauer sei nichts gelöst. „Es gibt die Gefahr, dass ein noch größeres Machtvakuum entsteht. Die Union muss klären, wie sie unter diesen Bedingungen eine stabile Regierung tragen kann. Alle Parteien sind jetzt gefragt, nicht parteistrategisch zu taktieren, sondern eine klare Brandmauer gegen die AfD hochzuhalten.“ Die instabile Situation in Thüringen dürfe nicht auf Deutschland übergreifen.

Der Linken-Vorsitzenden Bernd Riexinger sieht die CDU nun vor einer Richtungsentscheidung: „Mit dem Rücktritt von Kramp-Karrenbauer steht die CDU vor einer Richtungsentscheidung: Rechtsoffen à la Merz oder konsequent gegen Rechtsbündnisse. Auch die Grünen müssen sich entscheiden, ob sie für eine linke Alternative oder ein Bündnis mit der CDU stehen“, schrieb Riexinger auf Twitter.

Was sagt Friedrich Merz?

Friedrich Merz will sich zunächst nicht zu möglichen Ambitionen auf Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur äußern. „In so einer Situation ist kluges Nachdenken wichtiger, als schnell zu reden“, sagte ein Sprecher von Merz am Montagvormittag unserer Zeitung. Im Rennen um den Parteivorsitz war Merz Kramp-Karrenbauer Ende 2018 unterlegen. Seitdem macht er keinen Hehl daraus, dass er sich eine stärkere Rolle in der Politik vorstellen kann – auf welchem Posten, ließ der 64-Jährige bislang offen.

In der vergangenen Woche hatte Merz mitgeteilt, seine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender des Vermögensverwalters Blackrock in Deutschland zum Ende des ersten Quartals zu beenden. „Ich werde meine Zeit nun nutzen, die CDU noch stärker bei ihrer Erneuerung zu unterstützen und mich weiter politisch einzubringen“, kündigte der Nordrhein-Westfale an. „Deutschland und Europa stehen zu Beginn des neuen Jahrzehnts vor großen Herausforderungen. Ich möchte dazu beitragen, dass unser Land erfolgreich bleibt und zukunftsfähig wird.“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Krauß hat indes Bundesgesundheitsminister Jens Spahn als Nachfolger Kramp-Karrenbauers ins Spiel gebracht. „Jens Spahn hat als Minister einen tollen Job gemacht und allen gezeigt, dass er es kann“, sagte Krauß. Er verkörpere den Neuaufbruch. Mit ihm hätte die CDU nicht nur einen mutigen Parteivorsitzenden, sondern auch einen schlagkräftigen Kanzlerkandidaten.

AfD-Chef fordert Rücktritt der Kanzlerin

Der AfD-Chef Jörg Meuthen hat den Rückzug von Annegret Kramp-Karrenbauer als „Folge unglücklichen Agierens“ bezeichnet. Das eigentlich Problem der CDU sei dadurch allerdings in keiner Weise gelöst“, teilte Meuthen am Montag in Berlin mit. „Die Partei ist inhaltlich und personell komplett entkernt. Verantwortlich dafür ist die langjährige CDU-Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel.“ Meuthen forderte den Rücktritt der Kanzlerin. „Kommt es nicht sehr bald zu diesem Schritt, wird sich die Agonie der CDU noch beschleunigen.“