Energiekrise hin oder her - der Atomausstieg in Deutschland ist nun eigentlich beschlossene Sache. Für die FDP ist die Debatte aber alles andere als vorbei - besonders für die Liberalen im Südwesten.

Der baden-württembergische FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke kann sich einen längerfristigen Betrieb der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke auch über 2026 hinaus vorstellen. „Ich möchte auch im Jahr 2026 wissen, wie wir die Energieversorgung sicherstellen können“, sagte Rülke der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Und wenn wir dann immer noch einen Ministerpräsidenten haben, der im Jahr nur fünf Windräder baut, dann ist mir das zu wenig.“ Damit bezog er sich auf Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) und den schleppenden Ausbau der Windkraft. Er wolle nicht ewig weitermachen mit den verbliebenen Kernkraftwerken, sagte Rülke. „Aber ich hätte gerne, dass mir jemand sagt, wie wir dann die Grundlast der Energieversorgung sichern.“

 

Rülke, der auch Präsidiumsmitglied der FDP im Bund ist, geht damit nicht nur über die Forderung seiner eigenen Partei in der Ampel-Bundesregierung, sondern auch über seine bisherige Forderung hinaus. Zuletzt hatte er darauf gepocht, die Atomkraftwerke mindestens bis 2024, möglichst aber bis 2026 laufen zu lassen. Nun sagt er, er würde eine erneute Diskussion 2026 nicht ausschließen wollen. „Wir können 2026 entscheiden, ob wir mit einer neuen Generation Brennelemente noch weitermachen oder ob es dann verantwortbar ist, auf die Kernenergie zu verzichten.“

Die Südwest-FDP will in einem Leitantrag zum Landesparteitag Anfang Januar fordern, die Voraussetzungen für einen längeren Betrieb der drei Meiler zu schaffen.

Um welche AKWs es konkret geht

Es geht in der Debatte um die Atomkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland, die ursprünglich Ende des Jahres als letzte vom Netz gehen sollten. Um einen möglichen weiteren Einsatz hatte es innerhalb der Bundesregierung heftigen Streit insbesondere zwischen Grünen und FDP gegeben. Die Liberalen sind wegen der Energiekrise als Folge des Ukraine-Krieges für längere Laufzeiten. Gegen einen Weiterbetrieb sträuben sich vor allem die Grünen. Sie halten die dauerhafte Nutzung der Atomkraft für unverantwortlich - unter anderem aufgrund des langfristig ungeklärten Umgangs mit radioaktivem Atommüll sowie potenzieller Gefahren durch Technikpannen, Anschläge und Cyber-Attacken mit unkalkulierbaren Folgen.

Die Bundesregierung hatte nach einem Machtwort von Kanzler Olaf Scholz (SPD) beschlossen, dass die drei verbliebenen Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus bis zum 15. April weiterlaufen sollen, um die Stromversorgung in diesem Winter zu sichern. Danach soll mit der Nutzung der Atomkraft Schluss sein.

Das sagt die EnBW zu der Frage des Weiterbetriebs

Die EnBW, Betreiber des Meilers in Neckarwestheim, hatte zuletzt erklärt, eine weitere Laufzeitverlängerung sei nicht möglich. Es müssten dann neue Brennelemente besorgt werden, eine Großrevision des Kraftwerks sei nötig und es müsste Personal ausgebildet werden, sagte der Geschäftsführer der Kernkraftsparte, Jörg Michels, Mitte Dezember. Das hätte längst in die Wege geleitet werden müssen.

Rülke stellt den Ausstieg im Frühjahr ebenso infrage wie die Ansage von Scholz. „Das Machtwort von Scholz würde ich nicht überbewerten“, sagte er der dpa. Der Bundestag müsse am Ende über ein solches Gesetz entscheiden. „Und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages unterliegen nicht der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers.“ Rülke sagte, er glaube, dass man im April in einer Situation sein könnte, wo man nicht einfach sagen könne, man schalte nun ab. „Wenn wir Anfang 2023 feststellen, dass es einfach nicht zu verantworten ist, diese drei Kernkraftwerke abzuschalten, glaube ich nicht, dass dieses angebliche Machtwort des Kanzlers dem im Wege steht.“