Viele Menschen sorgen sich in der Coronakrise um ihr Erspartes – sie holen ihr Geld von der Bank und legen es in Schließfächer. Finanzexperten warnen jedoch vor Panikmache.

Stuttgart - Die Idee, mitten in der Stadt ein kleines Fort Knoxzu errichten, war von Beginn an von wirtschaftlichem Erfolg begleitet. Aber nun, in Zeiten der Coronakrise, erweisen sich die 1300 Schließfächer in einem Hochsicherheitstresorraum unter dem Marktplatz als Goldgrube. „Wir erleben derzeit einen regelrechten Run auf unsere bankenunabhängigen Schließfächer“, sagt Ferdinand Eppli: „Angesichts der Krise werden große Beträge von den Bankkonten geholt und in unseren Schließfächern eingelagert. Wer rechtzeitig daran gedacht hat, hat sich mit einem Teil des Bargelds bei uns noch mit Goldbarren eingedeckt. Für viele war es zu spät.“ Nun gibt es bei ihm eine Warteliste für den Goldankauf.

 

Tatsächlich erleben Edelmetallhändler in ganz Deutschland derzeit eine Nachfrage nach Gold, die alle Dimensionen der Finanz- und Euro-Krise sprengt. Auch in Stuttgart waren vor dem Herunterfahren des öffentlichen Lebens Schlangen vor der Degussa-Filiale in der Kronprinzstraße zu sehen, wo Privatanleger physisches Gold hamsterten. Inzwischen meldet auch Degussa auf seiner Homepage, dass man Aufträge über 25 000 Euro nicht mehr annehme.

Zugang zum Geld auch in der Krise

„Ein wichtiger Grund, warum die Menschen jetzt auf bankenunabhängige Schließfächer setzen ist, dass hunderte, vielleicht sogar tausende Bankfilialen in ganz Deutschland derzeit geschlossen bleiben und die Schließfachmieter dann auch keinen Zugang zu ihrem Eigentum haben“, sagt Eppli vom gleichnamigen Auktionshaus. Im Gegensatz dazu kommen die Schließfachbesitzer bei ihm selbst täglich Zugang zu ihren Werten. Der Grund ist einfach, wie Eppli erklärt: „Da wir mit unserem Expertenzentrum am Marktplatz als Pfandhaus und Schließfachvermieter per Definition als Kreditinstitut gelten, dürfen wir geöffnet lassen.“

Und in diesen eingeschränkten Öffnungszeiten bekommt Ferdinand Eppli all die Sorgen und Befürchtungen seiner Kunden mit: „Sie sind ein gutes Stimmungsbarometer der Gesellschaft.“ Die Palette dessen, was die Schließfachbesitzer berichten, reicht von der Angst vor dem kompletten Zusammenbruch des Finanzwesens, den Kollaps des Euro bis hin zum Bankensterben. Erst dieser Tage sei in Österreich eine Bank über den Jordan gegangen. „Dann gilt zwar die Einlagensicherung in Höhe von 100 000 Euro, aber wenn einer beispielsweise 800 000 Euro auf der Bank liegen hat, sind halt 700 000 Euro futsch“, sagt Eppli. Daher ist es keine Seltenheit, dass Kunden Millionenbeträge in seinen Schließfächern bunkern: „Sie wollen auf Nummer sicher gehen.“

Aber auch für den kleinen Mann könne sich ein Schließfach, für das man je nach Größe zwischen 27 und 50 Euro im Monat anlegen muss, lohnen. Denn auch wenn man nicht mit dem schlimmsten aller Fälle, dem totalen Zusammenbruch des Wirtschafts- und Finanzsystem rechnen muss, Liquiditätsengpässe könnten jedem drohen. Dann, wenn Banken gar nicht oder nur teilweise geöffnet hätten oder die Automaten nur bedingt Geld ausspucken. Szenarien wie in Argentinien seien zwar nicht zu erwarten, aber aus seiner Sicht denkbar. Da in diesen Tagen offenbar viele Menschen so denken, rät Ferdinand Eppli, das Geld in Sachwerte zu investieren. Dinge, die sich notfalls auch schnell wieder einlösen lassen oder im schlimmsten Fall auch als Zahlungsmittel akzeptiert seien. Der Experte denkt in diesem Fall an Silbermünzen: „Mit denen könnten sie auch beim Bäcker bezahlen.“ Genau solche Liquiditätsengpässe erlebt Eppli bereits jetzt. Sein Pfandleihgeschäft brummt: „Leute, die gerade kein Einkommen haben, brauchen kurzfristig Geld.“

Finanzexperte beruhigt Anleger

Thomas Reichert, ein Stuttgarter Finanzexperte, warnt jedoch vor Panikmache: „Wenn man an solche Szenarien wie in Argentinien glauben will, dann ist der Kauf eines Bauernhofes zur Selbstversorgung nebst Erwerb eines Jagdscheins wohl die bessere Alternative, als die Sicherheitsillusion Bargeld und hoher Goldanteil.“ Reichert meint, die Krise werde auch wieder vorbeigehen, die Aktienkurse werden sich erholen: „Ich rate dazu, gelassen zu bleiben und nicht Opfer einseitiger Sichtweisen zu werden.“