Musik und Tanz am Samstag, Trachten am Sonntag. Das Vinzenzifest in Wendlingen lockt 10 000 Besucher an.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Wendlingen - Schwäbische Dreispitze, bayerische Gamsbärte und natürlich die Egerländer mit ihren Lederhosen und runden Hüten sah man am Samstag vor dem Wendlinger Rathaus versammelt. Zum 68. Mal feierten die Egerländer in Wendlingen ihren Stadtheiligen und damit auch Erntedank. Eine Tradition, die rund 300 Jahre alt ist, und die sie auch im Wendlinger Exil nicht aufgegeben haben. 40 Trachtengruppen und 1400 Trachtenträger haben sich beim Vinzenzifest angemeldet, das in diesem Jahr mit dem südwestdeutschen Gautrachtentreffen zusammenfällt.

 

Das Vinzenzifest hat sich gewandelt

Freilich hat sich das Vinzenzifest gewandelt. Die Vertriebenen sind längst fester Bestandteil der Wendlinger Stadtgesellschaft und das Vinzenzifest hat sich zum Stadtfest entwickelt und wäre ohne Hilfe der Wendlinger Vereine nicht denkbar. Dennoch weist das Fest etliche Besonderheiten auf, nicht nur, weil es mehr als 10 000 Leute anlockt und drei Tage lang gefeiert wird. Etwa das Volksmusikkonzert am Freitag, das der Wendlinger Bürgermeister Steffen Weigel bei seiner Eröffnungsrede am Samstag als eine „Kultur der leiseren Töne“ bezeichnete, eine Kultur, die sonst im medialen Einheitsbrei untergehe.

Mit Dreispitz, roter Weste und blauem Kittel trägt Gunter Dlabal die typische Tracht eines Wengerters aus seiner Heimatstadt Bietigheim-Bissingen. Von den vielen Funktionen, die er hat, ist sein Amt als Gauvorstand der südwestdeutschen Trachenvereine wohl das Wichtigste.

Das Fest diente den Verwandten als Treff

Als Helfer und später als hauptamtlicher Mitarbeiter der Wohlfahrt hatte er auf den Freizeiten mit den Jugendlichen Volkstänze aufgeführt. Vom Volkstanz zur Tracht war es nicht weit, weiter war es da schon von Bietigheim-Bissingen nach Wendlingen. Weil aber auch Dlabals Familie vertrieben wurde, diente das Vinzenzifest in erster Linie zum Treff mit den Verwandten, weswegen er schon als Kind den Weg nach Wendlingen gefunden hatte.

Etwa 75 Exilgemeinden aus dem Egerland gebe es noch in Deutschland, mit rund 8000 Mitgliedern, berichtet Volker Jost, der Bundesvorsitzende der Egerländer Gemeinden. Die Gemeinden pflegen einen regen Austausch mit ihrer alten Heimat und auch mit den wenigen Familien, die nicht vertrieben wurden und noch immer im Egerland leben.

Für Gunter Dlabal indessen ist das Vinzenzifest eines der schönsten Erntedankfeste, das er kennt. „Im Zeitalter von Lidl und Aldi wissen wir nicht mehr, wie sehr die Produktion unserer Lebensmittel von der Natur abhängt. Doch wenigstens einmal im Jahr sollten wir daran denken.“ Für ihn ist es auch wichtig zu wissen und weiterzugeben, dass die traditionellen Feste fest ins Kirchenjahr eingebunden werden. Deswegen schritt der Dekan Paul Magino am sogenannten Birnsonntag nach dem Festgottesdienst um 9.30 Uhr einer Prozession voran, bevor um 13.30 Uhr der große Trachtenumzug begann, der durch das Gautreffen deutlich bunter und reichhaltiger war, als sonst.