Die Landesregierung will den Medien im Medienwandel helfen. Aber wie? An den „runden Tischen dazu herrschte ein großes Stimmengewirr, das jetzt zu ordnen ist. Schon wird Kritik laut – vorneweg von SWR und SPD.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Die Hauptaufgabe von Rudi Hoogvliet ist es, die Landesregierung möglichst gut aussehen zu lassen. Als Regierungssprecher obliegt es ihm, der Öffentlichkeit und den Medien das Wirken von Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu vermitteln. Nebenbei kümmert sich der Grünen-Stratege neuerdings auch um das Wohl jener Medien, die Kretschmann & Co kontrollieren sollen.

 

Seit dieser Legislaturperiode auch für Medienpolitik zuständig, soll Hoogvliet die „reiche Medienlandschaft“ Baden-Württembergs sichern. Noch stehe das Land mit seinem Mix aus öffentlich-rechtlichen und privaten Angeboten gut da, doch die Anbieter müssten sich für die Herausforderungen der Digitalisierung, den globalen Wettbewerb um Werbeerlöse und das sich ändernde Mediennutzungsverhalten wappnen. Freiheit und Vielfalt der Medien, predigt der PR-Profi, seien schließlich „für die Demokratie von unschätzbarem Wert“.

Regierung will die Förderung ausbauen

Im Koalitionsvertrag hatten Grüne und CDU dafür eine besondere Plattform vorgesehen: den „Runden Tisch Medienzukunft“. Gemeinsam mit allen Beteiligten – Medienhäusern, Medienschaffenden, Verbänden und einzelnen Mediennutzern – wollte man dort etwa überlegen, wie sich Geschäftsmodelle an die neue Zeit anpassen ließen und journalistische Qualität weiter zu gewährleisten sei. Das Land wolle seine „Förderangebote ausbauen“, hatten die Regierungspartner vereinbart, dazu gelte es „geeignete Maßnahmen zu identifizieren“.

Die erste Phase des Runden Tisches ist inzwischen abgeschlossen. Bis zur Sommerpause wurde an fünf Einzeltischen – für Regional-TV, Presse, Hörfunk, soziale Medien und „Future Lounge“ – in großer Runde je zweimal ausgiebig diskutiert. Grundlage war ein vom Staatsministerium bestellter Sachstandsbericht einer Berliner Agentur. Nach der Sommerpause soll das Besprochene nun ausgewertet werden und in konkrete Beschlüsse münden.

Die Staatskanzlei wirkt überfordert

Doch bei Beteiligten und Beobachtern wachsen die Zweifel, ob dabei am Ende etwas Brauchbares herauskommt. Auf viele wirkt die Staatskanzlei mit dem Prozess überfordert. Schon die Diskussion in den Foren sei oft erratisch und unstrukturiert verlaufen, hieß es: Jeder Redner durfte seine Sicht auf die Branche und seine Wünsche an die Politik vortragen, weniges wurde vertieft, dann war die Zeit auch schon rum. In den Protokollen wurden die Positionen ohne Urheber unkommentiert referiert – sofern diese überhaupt schon vorliegen.

Mit dem Protokollieren, ergab eine Anfrage des SPD-Vizefraktionschefs Sascha Binder, kommt die Regierungszentrale kaum hinterher. Erst zwei von zehn Aufschrieben seien abgestimmt, hieß es Anfang August. Binder hatte auch deshalb nachgefasst, weil die Opposition bisher außen vor blieb. Dabei sei es eigentlich guter Brauch, in der Medienpolitik parteiübergreifend zu agieren. Per Antrag erkundigte sich der Abgeordnete nach „Ergebnissen und Schlussfolgerungen“ des Runden Tisches – und wurde vertröstet. Der Prozess dauere an, Auskünfte wären verfrüht. Als Nächstes werde der Entwurf eines Abschlussberichts erstellt, der nochmals kommentiert werden dürfe, erst dann folge der Endbericht – und bei Bedarf eine Information an den Landtag.

SWR-Mann beschwert sich beim Land

Unbeantwortet blieben auch Binders Fragen, was sich an den Geldern für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und für private Anbieter ändern könnte. Da hat sich aus Sicht des Südwestrundfunks (SWR) einiger Zündstoff angesammelt, wie ein unserer Zeitung vorliegender Brief des Landesrundfunkratsvorsitzenden Volker Stich an die Staatskanzlei zeigt. Im Auftrag des Gremiums monierte Stich darin allgemein, die Runden Tische seien ein „nicht adäquates Verfahren“ und brächten allenfalls „unvollständige Lösungswege“ für die Medienzukunft. Vor allem werde der SWR als medialer „Hauptplayer im Land“ nicht angemessen berücksichtigt; allein mit seinen Radioprogrammen erreiche er so viele Hörer wie alle privaten Sender zusammen.

Man befürchte, der Runde Tisch sei zu einer „Lobby-Veranstaltung der privaten Anbieter“ geworden, schrieb der einstige Beamtenbunds-Chef. Es gehe aber nicht an, bröckelnde Geschäftsmodelle mit Mitteln aus dem Rundfunkbeitrag zu stützen. Dahinter steht die Sorge, der Vorwegabzug aus den Gebühreneinnahmen von knapp zwei Prozent für die Landesanstalt für Kommunikation könne erhöht werden. Auch der SWR-Intendant Peter Boudgoust hat bereits vorsorglich an die Staatskanzlei geschrieben. Der Brief sei vertraulich, sagt ein Sendersprecher, Näheres könne er nicht sagen. Die privaten Anbieter wünschen sich, wie man hört, tatsächlich eine höhere Förderung. Es reiche aber nicht aus, lediglich Mittel aus dem Rundfunkbeitrag umzuschichten; debattiert wird zudem, die Werbung im SWR zu beschränken.

Fake News gegen Fakten-Journalismus

Zu dem Konflikt möchte der Medienbeauftragte Hoogvliet derzeit nicht viel sagen. Nur so viel: Für ihn verlaufe die Konfliktlinie nicht zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern, sondern zwischen Fake-News und faktenbasiertem Journalismus; Letzteren wolle man stärken. Eines steht für den Regierungssprecher, wenngleich „noch nichts entschieden“ sei, schon jetzt fest: „Die Beratung in den Runden Tischen . . . war fruchtbar.“