Bei Laborrundgängen im Fraunhofer Institut in Stuttgart-Vaihingen erfahren Schüler, wohin die Reise gehen könnte

Vaihingen - Wer von euch möchte denn später mal im Technologie-Bereich arbeiten?“ Zwei Mädchen und ein Junge strecken. Das ist wenig, denn insgesamt 20 Schüler des Hegel-Gymnasiums besuchen an diesem Vormittag das Fraunhofer Institut für Produktionstechnik Automatisierung (IPA).

 

Die Patenschaft zwischen Jugendhaus und IPA besteht seit sechs Jahren. „Wir wollen, dass hier die Kids einfach mal auf Tuchfühlung gehen können, um vor allem auch Mädels für Naturwissenschaften zu begeistern“, sagt Klaus Hausch, Leiter des Jugendhauses. Zwei sind bereits Feuer und Flamme: Ramona möchte bald auf eine IT-Schule wechseln und später Medizin oder Informatik studieren. Sophia hat noch konkretere Vorstellungen: „Ich möchte Softwareentwicklern werden.“

Das freut Institutsleiter Professor Thomas Bauernhansl, der während seines pfiffigen Vortrags versucht, den jungen Leuten Lust auf Wissenschaft und Forschung zu machen. Er selbst habe seine erste Liebe noch aus einer Telefonzelle angerufen, heute besitze jeder ein Smartphone – auch wenn die wenigstens wüssten, wie es eigentlich funktioniert. „Euer Handy weiß, wo ihr seid, mit wem ihr sprecht und worüber, es weiß wie lange ihr schlaft und wie oft ihr euch bewegt“, erklärt er. Diese Daten würden für Geschäfte verwendet, und Firmen wie Apple würden damit zu den reichsten Unternehmen der Welt.

Zellbasierte Krebstherapien

„Die technologische Geschwindigkeit beschleunigt sich immer mehr“, führt Bauernhansl weiter aus, „und die Menschen verstehen es immer weniger“. Was passiert dann? Die Menschen würden misstrauischer, vielleicht gar technologiefeindlich. „Am Ende rauben wir uns damit die langfristige Basis für unseren Wohlstand“, sagt er und empfiehlt den jungen Leuten: „Ihr könntet in Richtung Fridays for Future zum Thema Nachhaltigkeit forschen oder ein Start-up gründen.“ Wer sich gut anstelle, könne damit „wahnsinnig viel Geld verdienen“.

An diesem Tag zeigen die Forscher den jungen Leuten Wege zu personalisierter Gesundheit. Während heute noch mit Antibiotika wie mit einer Schrotflinte auf mögliche Ursachen geschossen werde, könne man in Zukunft viel individueller diagnostizieren und heilen. „Wenn man sämtliche Daten aus Ärzteakten und Handydaten weltweit in einer Plattform zusammenfasst, kann man das Risiko von Fehldiagnosen maximal minimieren“, sagt er. Auch zellbasierte Krebstherapien können in der Zukunft Chemotherapie und Medikamente ersetzen: Eigene Zellen werden außerhalb des Körpers vermehrt und genetisch manipuliert, um dann gezielt den entsprechenden Krebs zu heilen.

Ein „E-Bike zum Anziehen“

Noch koste so eine Therapie 275 000 Euro pro Patient. „Um solche Kosten zu senken, müssen wir in die Automatisierung gehen“, stellt er klar. Das IPA schaffe dafür die Grundlagen in den unterschiedlichsten Bereichen. Davon durften sich die Schüler beim Laborrundgang überzeugen: Sie statteten Kevin, einem Labor-Roboter, einen Besuch ab. Als autonomer Roboter kann er Verbrauchsmaterialien zwischen Arbeitsstationen transportieren oder Mikroplatten aufnehmen und ablegen, ohne die Geräteposition zu verändern. Das spare Zeit und Kosten und erhöhe die Flexibilität und Qualität in der Produktion.

Die Schüler staunten auch über das „E-Bike zum Anziehen“, ein Oberkörperexoskelett, das seinen Träger mit zusätzlicher Kraft versorgt, ohne ihn einzuschränken. Wer zum Beispiel bei Daimler am Band über Kopf arbeiten oder am Flughafen schweres Gepäck verladen müsse, der könne damit entlastet werden. Spezielle Antriebsmodule an Ellenbogen und Schultern helfen dabei, einen Teil des zu tragenden Gewichts zu kompensieren.