Erst kamen Männer mit Erfahrung, jetzt brutale Straftäter. Die Söldner kämpfen im Auftrag der Regierung – trotzdem bleibt vieles um die Gruppe im Dunkeln.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Wahrscheinlich ist noch nie in ihrer Geschichte so viel über die russische Wagner-Gruppe in die Öffentlichkeit gelangt wie in diesen Tagen. Bis zu 50 000 Mann sollen unter dem Befehl der Spezialeinheit stehen, heißt es vom britischen Geheimdienst. Darunter seien Tausende von Schwerverbrechern, die russische Gefängnisse verlassen durften, um an der Front in der Ukraine zu kämpfen. Auf Fahnenflucht steht der Tod. Gleichwohl ist ein Wagner-Kämpfer nun nach Norwegen desertiert und wird gerade vernommen – Informationen über die Gruppe sind rar.

 

Bewunderer des Dritten Reiches

Geheimnisse umwabern die Gruppe seit ihrer Gründung vor rund zehn Jahren. Die Söldner, die im Auftrag der Regierung Dinge machen, wozu man die reguläre Armee lieber nicht einsetzen will, agieren ungern im Licht der Öffentlichkeit. 2013 wurde sie von Dmitri Utkin und Jewgeni Prigoschin aufgebaut. Utkin scheut das Rampenlicht, es existieren kaum Fotos von dem ehemaligen Soldaten, der als großer Bewunderer des Dritten Reiches gilt. Er soll für den Namen der Truppe verantwortlich sein, weil er die Musik von Wagner schätzt. Prigoschin hat es unter der Bezeichnung „Putins Koch“ zu einer gewissen Prominenz geschafft. Nicht weil er Putin die beste Soljanka auftischt, sondern weil er Chef eines Gastronomieunternehmens ist – und durch viele staatliche Aufträge reich geworden ist. Prigoschin bestritt noch 2019 die Existenz der Gruppe Wagner. 2022 räumte er ein, sie gegründet zu haben.

Belarussen verhaften russische Spezialisten

Da war die Existenz der Truppe freilich schon bewiesen und auf Zelluloid gebannt. Ausgerechnet ein belarussisches Spezialkommando hatte im Juli 2020 eine Gruppe der Söldner festgenommen, auf dem Gelände eines Sanatoriums in der Nähe von Minsk. Alle 33 Männer wurden nur Stunden später heimlich, still und leise nach Russland abgeschoben. Aber die Bilder waren in der Welt.

Ihren ersten Einsatz hatten die Wagner-Söldner im Donbass. Die Truppe unterstützte prorussische Kämpfer in der Ostukraine. Die Söldner halfen dort dabei, lokale Verwaltungen zu besetzen, Munitionsdepots zu beschlagnahmen und ganze Städte zu erobern. Auch bei der Annexion der Krim waren Wagner-Einheiten dabei. Seitdem waren die Söldner in rund 30 Ländern aktiv, in denen Russland Krieg führt oder Interessen militärisch verteidigen möchte, zum Beispiel in Syrien. Während das russische Militär dort den IS aus der Luft bekämpft hat, waren die Wagner-Truppen am Boden im Einsatz. Ein Großteil der Wagner-Männer ist in Afrika im Einsatz: in Mali, Libyen, im Sudan, Südsudan, Tschad, in Mosambik oder der Zentralafrikanischen Republik. Wie viele Kämpfer Wagner dabei unter Vertrag hat, darüber gehen die Schätzungen auseinander.

Die US-Regierung hat Die US-Regierung hat ihre Sanktionen gegen die private Söldnerfirma und mit ihr verbundene Firmen und Personen ausgeweitet. Vermögenswerte in den USA wurde eingefroren.

Den Erfahrenen folgen die Straftäter

Die Wagner-Gruppe rekrutierte zunächst vor allem Männer mit Erfahrung im Geheimdienst oder Militär. Mittlerweile werden gezielt Strafgefangene angeworben. Wer gegen die Ukraine kämpft, soll seine Haftstrafe erlassen bekommen. Die Kämpfer treten ohne Hoheitsabzeichen auf, ihnen werden Kriegsverbrechen teils übelster Art vorgeworfen.

Wie sich die Truppe genau finanziert, darüber gibt es keine gesicherten Informationen. 100 Millionen US-Dollar gibt die Wagner-Gruppe nach Einschätzungen der USA aktuell pro Monat für die Kämpfe in der Ukraine aus. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Geld aus dem russischen Staatshaushalt kommt, ist groß. Aktuell gibt es Berichte, dass es Differenzen gibt zwischen der Wagner-Truppe und dem Kreml, weil die Wagner-Leute die Kriegsführung der russischen Armee kritisieren.