Die Stadt hat durch die Erhebung 500 Einwohner verloren. Jetzt ist sie einer von sechs Musterklägern in Baden-Württemberg, die gegen die Volkszählung vorgehen.

Rutesheim - Die Stadt Rutesheim macht ernst. „Die Klagebegründung wird im September beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht“, kündigt der Erste Beigeordnete, Martin Killinger, an. Die Kommune wehrt sich gegen den Zensus und ist einer von sechs Musterklägern in Baden-Württemberg. Vor das VG Stuttgart zieht sie gemeinsam mit den Städten Heilbronn und Esslingen. Weitere Musterkläger sind Mannheim (VG Karlsruhe), Emmedingen (VG Freiburg) und Metzingen (VG Sigmaringen). „Wir arbeiten dabei mit dem Städtetag von Baden-Württemberg zusammen“, sagt Killinger, der das Prinzip erklärt: Jede der klagenden Kommunen vertritt eine bestimmte Region und Größe nach Einwohnerzahl. Im Fall von Rutesheim sind dies Städte und Gemeinde mit 10 000 bis 12 000 Einwohnern. Je nach Größe wurden beim Zensus unterschiedliche Methoden angewandt. Und genau die sind der Knackpunkt.

 

Bis zu 10 000 Einwohnern wurde nur eine Frage nach der Zahl der Personen in einem Gebäude gestellt – von 10 000 Einwohner an war pro Person ein Bogen mit 45 Fragen auszufüllen. Befragt wurden zehn Prozent der Haushalte, diese Zahlen wurden mit zehn multipliziert. „Wie uns zahlreiche Bürger mitgeteilt haben, war ihnen beim Ausfüllen der umfangreichen Fragebögen nicht bekannt, dass jeder ausgefüllte Fragebogen für eine hier wohnende Person gezählt wird und dann im Melderegister zehnfach multipliziert wird“, erläutert der Rutesheimer Bürgermeister Dieter Hofmann.

So errechnete der Zensus 2013 eine Einwohnerzahl, die um 500 unter der im Melderegister geführten Zahl liegt: also nur 9764 und nicht 10 265 im Mai 2013. Nach Auswertung der Kommunen zwischen 10 000 und 12 000 Einwohnern, lag das Minus im Zensus durchschnittlich bei 1,5 Prozent. Dieser Wert sei acht Mal höher als bei Gemeinden mit 8000 bis 10 000 Bewohnern. Ein methodischer Fehler, meinen die klagenden Kommunen. „Dieses Verfahren ist nicht sachgerecht, und wir können das so nicht hinnehmen“,sagt Hofmann.

Dabei geht es natürlich ums Geld. Denn jeder Einwohner weniger kostet Rutesheim etwa 700 Euro im Jahr an Zuweisungen aus Finanzausgleich. Insgesamt fehlten so bei 500 Personen weniger etwa 350 000 Euro pro Jahr, hat Stadtkämmerer Joachim Sinn errechnet. „Es geht um Gerechtigkeit und natürlich auch um den Finanzausgleich“, heißt es in einem Papier, in dem die Argumente der Kläger zusammengefasst sind.

So sei das Melderegister immer auf einem aktuellen Stand. „Bei Zuzug eines Neubürgers erfolgt eine automatische Rückmeldung an die Herkunftsgemeinde mit automatischer Streichung im Register und Abzug bei der dortigen Einwohnerzahl“, lautet eines der Argumente. Rutesheim kann aber auch auf weitere aktuelle Beispiel verweisen. So wurden für die Kommunalwahl am 25. Mai 8400 Wahlbenachrichtigungen verschickt. Nur 40 konnten nicht zugestellt werden.

Hoffnungen auf eine schnelle Entscheidung macht sich in Rutesheim aber niemand. „Mit einem Urteil in letzter Instanz wird zirka in einem oder zwei Jahren gerechnet“, meint der Erste Beigeordnete Killinger. Dann hoffentlich vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. „Das wäre schon ein Erfolg“, meint Killinger. Denn egal, wie dieses entscheidet, so würde es damit letztlich dem Gesetzgeber Vorgaben für den nächsten Zensus und die darauffolgenden auferlegen, die für mehr Gerechtigkeit sorgen würden.

Am jetzigen Stand wird dies wohl trotzdem nichts mehr ändern. „Im Hinblick auf den immensen Aufwand wird mit einer Aufhebung der zahlreichen beklagten Zensusbescheide nicht gerechnet“, führt der Erste Beigeordnete weiter aus.

Mit der Klage gegen den Zensus ist Rutesheim in guter Gesellschaft, denn alle weiteren Städte mit über 10 000 Einwohnern im Kreis – Renningen, Weil der Stadt, Gärtringen und Holzgerlingen – wollt nach dem Bescheid des Statistischen Landesamtes ebenfalls klagen. Weil der Stadt etwa wurden 600 Einwohner weniger beschieden. „Das ist fast ein ganzes Dorf“, hatte der Bürgermeister Thilo Schreiber dies kommentiert. Auch Ditzingen kommt nach dem Zensus auf 600 Bewohner weniger und hat sich der Sammelklage angeschlossen. Bis zum Ausgang der Musterklage ruhe diese Verfahren jedoch.