Der Leonberger Zimmereibetrieb Ziegler saniert das marode Gebälk des evangelischen Gotteshauses. Dem hat der sogenannte Eichenporling im Laufe der Jahre mächtig zugesetzt.

Rutesheim - Wenn Zimmerermeister Jürgen Ziegler fast spielerisch mit dem großen Stück Eichenbalken herumhantiert, traut man ihm Riesenkräfte zu. Spätestens als er mit der bloßen Hand das Herzstück des Balkens herausreißt und dieses zwischen seinen Fingern zu Staub zerbröselt, wird klar, dass hier überhaupt keine Muskelkraft gefragt ist. Denn das dicke Holzstück ist federleicht.

 

Wie so oft im Leben gilt hier: außen hui und innen pfui. Der Balken, der auf den ersten Blick tadellos aussieht, ist morsch, denn der Eichenporling hat sich über ihn hergemacht und frisst ihn langsam auf. „Das Gemeine an dem Pilz ist, dass außen alles in Ordnung scheint, denn er wandert im Kern des Balkens voran“, weiß Ziegler. Mit diesem Pilz hat der Zimmerermeister, der auch Restaurator im Zimmererhandwerk ist, bereits Erfahrung. „Auch der Dachstuhl der Leonberger Stadtkirche war vom Pilz befallen und dazu noch vom Hausbock, einem Schädling, der sich ebenfalls in die Balken hineinfrisst“, erklärt der Experte. 2002 brachte er den historischen Dachstuhl wieder in Ordnung. Jetzt ist er mit seinen Fachleuten in der Rutesheimer Johanneskirche zu Gange. Auslöser für den Pilz ist Feuchtigkeit. „Das Dach hatte keine undichten Stellen, aber der Eichenporling arbeitet sich über Jahrzehnte voran“, erklärt Ziegler. Die auslösende Feuchtigkeit könne sogar aus der Zeit vor der Sanierung in den 50er Jahren stammen.

Risse am Meuerwerk der Fensterbögen sind Anhaltspunkte

„Am Mauerwerk der Fensterbögen wurden Risse entdeckt, die uns darauf haben schließen lassen, dass mit der Lastenverteilung im Dachstock etwas nicht stimmt“, erläutert der Rutesheimer Architekt Volker Jüngling. Er ist auch Kirchengemeinderat und Bauleiter für die Sanierung der Kirche, denn die soll auch im Inneren auf Vordermann gebracht werden. „Doch bevor die Arbeiten im Kirchenraum starten, muss der Dachstuhl in Ordnung sein.“

„Es ist ein sogenannter hängender Dachstuhl“, sagt Jürgen Ziegler, der jedes Mal ehrfürchtig vor der Handwerkskunst seiner beruflichen Vorfahren steht. „Wenn man überlegt, wie die Baumeister allein aus der Erfahrung die Balken am Zimmerplatz vorgerichtet, durchnummeriert und schließlich auf den hohen Mauerkronen aufgeschlagen haben, das ist schon unglaublich“, meint der Eltinger. Auch in Rutesheim wird die Decke in der Mitte von einem dicken Eichenbalken getragen. Der wird von der Konstruktion des Dachstuhls nach oben gehalten und dieser verteilt dann die Last auf die Außenwände des Kirchenbaus. „Mit einem hängenden Dachstuhl lassen sich große Spannweiten erreichen, und das ohne Stützen darunter“, erklärt Ziegler.

Die Erbauer des Dachstuhls haben dabei drei Holzarten verwendet. „Wo Tragfähigkeit gefragt ist, haben sie Eichenbalken eingesetzt, wo die Last nicht so groß ist, hat Fichte gereicht und außen wurde das feuchtigkeitsresistente Lärchenholz verwandt“, sagt der Zimmerermeister. Auch bei der Sanierung wird das entsprechende Holz an der gleichen Stellen eingesetzt.

Befallener Balken sieht von außen gesund aus

Und wie geht der Eltinger Dachstuhlrestaurator vor? „Für einen Laien sieht der befallene Balken gesund aus, doch ein Fachmann entwickelt ein Auge dafür“, sagt Ziegler. Dann wird der Balken angebohrt, um zweifelsfrei festzustellen, wie weit die Schadstelle reicht. Der Balken wird je nach Befall entweder ganz ersetzt, oder bis zu einem halben Meter nach der gesunden Stelle zurückgeschnitten. „Wir müssen ganz sicher sein, dass kein Pilzrest übrig bleibt, der dann vielleicht nach 20 Jahren Trockenstarre wieder vorwärts marschiert“, bringt es Ziegler auf den Punkt.

Dabei arbeitet er eng mit spezialisierten Tragwerksplanern zusammen. Diese rechnen aus, wie dick die Holzdübel sein und in welchem Abstand sie gesetzt werden müssen, um die neuen mit den alten Balken zu verbinden. „Wir verwenden Holz nicht nur aus historischen Gründen, das macht auch bauphysikalisch Sinn, denn an Metallnägeln bildet sich auch Kondensat und Feuchtigkeit“, erklärt Ziegler.

Umsonst gibt es die Kirchensanierung nicht. „Für den Dachstuhl rechnen wir mit einer halben Million Euro, hinzu kommen noch 270 000 Euro für die Innenarbeiten“, rechnet Architekt Volker Jüngling vor. Dafür gibt es Zuschüsse vom Landesdenkmalamt, von der Landeskirche und der Stadt. Fertig sein sollen die Arbeiten zur 1250-Jahrfeier der Stadt im Juli 2017.