Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Rutesheim besuchen die KZ-Gedenkstätte Dachau, sprechen mit einer Zeitzeugin und unterstützen das Arolsen-Archiv.

Rutesheim - Mit einer Woche des Erinnerns haben die 170 Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 10 des Gymnasiums Rutesheim mit den Themen „Erforschen, Erfragen und Handeln“ des Holocausts gedacht. Die Organisation hatte die Fachschaft Geschichte am Gymnasium inne mit der Vorsitzenden Stefanie Neidhardt

 

Den Auftakt bildete die Fahrt zur Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau. Die Führungen gaben einen Einblick in die Arbeit der SS, um dann durch das Tor mit der zynischen Aufschrift „Arbeit macht frei“ in den eigentlichen Bereich der Gefangenen zu gelangen. Der Exerzierplatz, auf dem alle Häftlinge, politisch Verfolgte, Widerstandsleistende, Juden oder Sinti und Roma sowie Homosexuelle, stundenlang in eisiger Kälte oder praller Sonne stehen mussten, prägte sich im kalten Januarwind besonders ein. „Es ist erschütternd zu erfahren, was die Menschen dort erleben mussten“, meinte eine Schülerin im Anschluss an den Besuch der nachgebauten Lagereinrichtung.

Gespräch mit einer Überlebenden

Zurück in Rutesheim ging es in die zweite Phase des Erinnerns – Fragen an eine Zeitzeugin. Die 93-jährige Ruth Michel-Rosenstock berichtete von ihren Erlebnissen im damaligen Dorf Mikuliczyn in den Waldkarpaten. Sie war gekommen, um ihrer verstorbenen Familie, ihren Freunden, Nachbarn und Bekannten eine Stimme zu geben.

Im Jahr 1928 in Königsberg geboren, erzählte sie von ihrer Kindheit in Ostpreußen, aber auch vom schnellen Erwachsenwerden. Als ihr jüdischer Vater sich zum Schutz der Familie versteckte, war sie für die Beschaffung von Nahrung für die ganze Familie verantwortlich. Ruth Michel-Rosenstocks Geschichte ging weiter mit der Ermordung ihres Vaters und von 204 weiteren Männern, Frauen und Kindern. Sie wurden nach der Erschießung in einem Massengrab im Wald verscharrt.

Ruth Michel-Rosenstock fand das Grab nach 80 Jahren wieder und bemühte sich, dort ein Denkmal zu setzen. „Zum Ende des sachlich vorgetragenen Berichts herrschte betroffenes Schweigen unter den Jugendlichen“, sagt Lehrerin Stefanie Neidhardt.

Digitales Denkmal setzen

Zum Abschluss der Woche arbeiteten die Schülerinnen und Schüler an dem Projekt #everynamecounts. Hierbei handelt es sich um eine Initiative des Arolsen-Archivs, das den Verfolgten des Nationalsozialismus ein digitales Denkmal setzen möchte. Auch zukünftige Generationen sollen sich an die Namen und Geschichte der Verfolgten erinnern. Dafür arbeiteten die Jugendlichen mit original Aufnahmeakten der Nationalsozialisten, die Namen, Familienstand, Adresse und Beruf der Verfolgten sowie ihr weiteres Schicksal erfassten.

„Das eigentlich Beeindruckende an diesem Projekt war, dass einem klar wurde: Jedes einzelne dieser vielen Opfer war ein Mensch mit einem Leben, einem Schicksal, mit einer persönlichen Geschichte“, ziehen Anna Kunzmann und Celine Monica aus der Klasse 10d ein Fazit dieser Woche.

Auch die Schülerinnen und Schüler der Schülermitverantwortung (SMV), die sich am Gymnasium für „Schule gegen Rassismus – Schule mit Courage“ engagieren, waren mit dabei. Sie haben die Stufe 10 zu ihren Erwartungen und Erfahrungen mit der Woche des Erinnerns befragt und machen die Ergebnisse auf Stellwänden im Foyer der Schule für alle sichtbar.

Um die Wahrnehmung von Antisemitismus im Hier und Jetzt zu schärfen, findet am 8. April um 18.30 Uhr in der Bühlhalle 2 ein öffentlicher Vortrag des Antisemitismusbeauftragten Michael Blume statt. Er ist Religions- und Politikwissenschaftler sowie Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus.