Die beiden ICE-Bahnröhren von Ulm nach Dornstadt wachsen täglich um viereinhalb Meter. Entgegen den Erwartungen gibt es keine Proteste der Bevölkerung wegen Lärm, Dreck oder Vibrationen.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Dornstadt - Seit August 2013 wird der Bahntunnel gegraben, der einmal das Ulmer Stadtgebiet mit der Albhochfläche verbinden soll. Zwei voneinander getrennte Röhren, jede davon 5940 Meter lang, sind in den Plänen eingezeichnet. Inzwischen, da rund ein Drittel der Grabungsstrecke geschafft ist, senden sowohl die Ingenieure als auch die Lokalpolitiker positive Signale.

 

Bisher seien die Bauarbeiten „erstaunlich problemlos gewesen“, sagt Matthias Abele, der technische Projektleiter der Arbeitsgemeinschaft „Tunnel Albabstieg“, die von den Unternehmen Züblin und Max Bögl gebildet wird. Der Ulmer Landtagsabgeordnete Martin Rivoir (SPD) sieht das genauso, meint aber die Einstellung der Ulmer Bevölkerung zu dem Mammutprojekt. Er habe „viele Unkenrufe im Vorfeld“ gehört, von unerträglichem Lärm zum Beispiel oder von Schmutz oder Protesten. „Nichts davon tritt ein“, sagt Rivoir. Dietmar Wegerer, der Ortsvorsteher des Ulmer Stadtteils Lehr, bestätigt: „Ich habe die ganze Zeit noch keine negative Rückmeldung gekriegt.“ Es sei stets „mit offenen Karten gespielt“ worden, lautet seine Erklärung.

Zu Lehr gehört die Ackerfläche in Nachbarschaft zur Bundesstraße 10, von der aus die Tunnelbauer ihre Großbaustelle für den „Zwischenangriff“ eingerichtet haben. Laut dem Ingenieur Abele ist das eine „kleine Stadt“ mit Wohncontainern für die Arbeiter, einem Sprengstofflager, einer Zwischendeponie für den Erdaushub, einem großen Wasserrückhaltebecken oder einer groß dimensionierten Reifenwaschanlage für die Lastwagenflotte, die unablässig Gestein zu einem der umliegenden Steinbrüche in Ringingen oder im bayerischen benachbarten Elchingen transportiert.

Täglich werden die 35 Sattelzüge gereinigt, bevor sie öffentliche Straßen befahren

Etwa 35 Sattelzüge fahren jeden Tag, die Waschanlage reinigt jedes komplette Räderwerk, anschließend durchfahren die Fahrzeuge eine 300 Meter lange asphaltierte Strecke auf dem Baustellengelände. Erst dann biegen sie ins öffentliche Straßenverkehrsnetz ein. Diese Säuberungsmethode hat sich in den zurückliegenden nassen Monaten bewährt.

Auch die Angst vor Lärm und Vibrationen, die durch Sprengungen ausgelöst werden, ist bisher offenbar unbegründet. Die Bahn hat, auch aus Kostengründen, auf den Einsatz einer Tunnelbohrmaschine bei diesem letzten Bauabschnitt der ICE-Strecke Wendlingen-Ulm verzichtet. Stattdessen baggern und arbeiten sich die Arbeiter unter Tage durch das Kalkgestein des Weißjura und Süßwassermolasse. Vom „Zwischenangriff“ aus geht es sowohl hinauf Richtung Dornstadt als auch hinab nach Ulm. Eine zweite Grabungsbaustelle ist am oberen Tunnelende bei Dornstadt eingerichtet. Das Tunnelportal ist von der Autobahn 8 aus gut zu sehen. Auch hier gibt es Wohncontainer, eine Wasseraufbereitungsanlage, ein Sprengstofflager.

Insgesamt arbeiten 350 Menschen an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr in diesem Projekt mit. In den Sprengstoffdepots liegen zwei Tonnen Explosivmaterial, einmal pro Woche wird das Depot aufgefüllt. So wird der ICE-Tunnel von zwei Orten aus in Angriff genommen.

Seit August 2013 sind drei Arbeiter schwer verletzt worden

Ein dumpfes Grollen und eine kurze Erschütterung in den Holzbaracken der Arbeiter – mehr ist bei einem Besuch unter Tage nicht wahrzunehmen. Die Arbeit sei tendenziell gefährlicher als beim Einsatz einer Großbohrmaschine, sagt Matthias Abele. Das zeigt sich zum Beispiel, wenn die Arbeiter nach der Sprengung ans Baustellenende kommen. „Es gibt Vortriebssituationen, wo das Material einfach nicht stehen bleibt.“ Es sei schon vorgekommen, dass sich über den Firsten der knapp sieben Meter hohen Felsröhren Hohlräume gezeigt hätten und Gestein nachgestürzt sei. Seit August 2013 haben sich drei Arbeiter schwerer verletzt. „Vor der Hacke ist des dunkel“, sagt Abele dazu.

Immer wieder würden die Arbeiter für Gefahren sensibilisiert und geschult. Die Arbeitsroutine, heißt es, stelle die größte Gefahr dar. Den Baggern an vorderster Stelle wird stetig ein stählerner Rettungscontainer nachgeschoben. In ihm findet im Fall eines Unglücks eine komplette Arbeitsschicht für 24 Stunden Platz – versorgt durch eine eigenständige Luft- und Wasserversorgung.

Gut 4,50 Meter stoßen die Arbeiter täglich vor, rund 1600 Kubikmeter fester Masse schaffen die Maschinen innerhalb von 24 Stunden heraus. Eine Garantie, dass alles so reibungslos weitergeht, gibt es nicht. Schwierige Stellen kommen noch. So muss in den kommenden Monaten noch die alte versiegelte Ulmer Mülldeponie „Rappenbad“ unterquert werden. Die Ingenieure tüfteln an Maßnahmen, die verhindern, dass kontaminiertes Wasser in den Baustellenbereich eindringt. Auch unter der „Rommelkaserne“ der Bundeswehr müssen die Tunnelgräber noch hindurch, ebenso unter der Bundesstraße 10. Dort beträgt die „Oberdeckung“ dann nur sechs Meter. Es darf also keine Fehlberechnung geben.

Der Ameisenbläuling soll nicht im Staub ersticken

Eine Schwierigkeit haben die Unternehmen bereits gelöst, sie betrifft den Ameisenbläuling. Angelockt von Thymiangewächsen hält sich der Schmetterling auf einer Wiese bei Dornstadt auf. Die Tunnelbauer haben deshalb eine Messanlage aufgebaut, die Alarm schlägt, wenn zu viel Staub in Richtung der Wiese segelt. Dann wird der Staub mit einer Wassersprühanlage gebunden. Im Dezember 2017 soll der Albabstiegstunnel fertig sein.