Interessengruppen wollen sich nicht mehr zu Gunsten der Autofahrer gegeneinander ausspielen lassen. Zuletzt planten der Fuss e.V und die Rad-Lobby sogar eine gemeinsame Demonstration.

Stuttgart - Peter Pipiorke schüttelt ungläubig den Kopf. Der Vorsitzende der Naturfreunde Radgruppe Stuttgart hat nachgezählt. Am Radweg entlang der Theodor-Heuss-Straße auf Höhe des Kleinen Schlossplatzes stehen 79 Pfosten, die den Verkehr zwischen Radfahrern, Fußgängern und Autofahrern kanalisieren sollen.

 

Das Ziel wird selten erreicht. Täglich kommt es zu Konflikten, zu kleinen und größeren Rempeleien zwischen den Verkehrsteilnehmern. „Zum Glück ist noch nichts Größeres passiert“, sagt Pipiorke, warnt aber vor den Gefahren dieses Nadelöhrs: „Dabei sind die Pfosten in den angrenzenden Straßen noch gar nicht mitgezählt. Wahrlich ein architektonisches Highlight, passend zur internationalen Bauausstellung, die die Stadt ausrichten will. Sicherheitsmäßig ist dies aber ein Desaster: ein Wald von Pfosten, ein- und ausparkende Autos, dazwischen Radfahrer, die eigentlich nicht richtig wissen, wo sie radeln sollen. Nicht zuletzt die Fußgänger, die in diesem Chaos versuchen, sich den Weg zu bahnen.“

Parkplätze an der Theo: „Ein Kniefall vor der BW-Bank“

Radfahrer entwickeln bei dieser Strecke eine Art Hassliebe. Einerseits ist sie die schnellste Verbindung durch die Stadt. Andererseits kennen die Radler die Gefahren. „Sie sehen es als eine Horrorstrecke“, sagt der Rad-Lobbyist. Die Angst, von einer unachtsam geöffneten Autotür erwischt zu werden, fahre stets mit. „Die Ursache dafür liegt darin, dass die Stadtverwaltung sich – mal wieder – nicht entschließen konnte, den Autoverkehr zu Gunsten der Radfahrer zu beschneiden“, sagt Pipiorke. Herausgekommen ist ein Radweg unterhalb der empfohlenen Abmessungen. Folge man dem Radweg vom Rotebühlplatz kommend in Richtung Hauptbahnhof, folge „ein Kniefall vor der BW-Bank“, meint Pipiorke: „Es reicht nicht die Tiefgarage aus, es werden weitere ebenerdige Stellplätze vor der Bank für notwendig erachtet.“ Durch diese Situation löse sich in der Stadt mal wieder ein Radweg im Nichts auf oder werde auf den Gehweg geführt.

Für Radfahrer sei das nicht hinnehmbar. Denn die Ausschilderung „Gehweg – Radfahrer frei“ fordere laut Straßenverkehrsverordnung Schrittgeschwindigkeit von den Radlern. Damit wird aus Sicht der Radfahrer ihr Verkehrsmittel ad absurdum geführt. Daher fordern Radfahrer: „Radfahrer gehören nicht auf den Gehweg, sondern auf einen sicheren Radweg, der auf der Straße verläuft.“

Radfahr-Community löst „roten Alarm“ aus

Wer meint, in dieser Sache entwickeln sich Fronten zwischen Fußgängern und Radfahrern, der irrt. „Wir finden es makaber, dass man versucht Fußgänger und Radfahrer immer öfter gegeneinander auszuspielen“, sagt Peter Pipiorke. Daher tun sich die jeweiligen Interessengruppen immer öfter zusammen, um die Gefahren anzuprangern. Just am Sonntag solidarisierte sich der Fuss e.V. mit den Radfahrern bei der Demonstration in Zuffenhausen. Die Radfahr-Community, die wegen jedes tödlich verunglückten Radfahrers den sogenannten „code red“ ausruft und eine Mahnwache abhält, demonstrierte in Zuffenhausen zusammen mit den Mitgliedern von Fuss e. V.. Grund war der Tod eines vierjährigen Jungens, der von einem Auto erfasst wurde.

„So unerträglich die Auseinandersetzung mit dem Geschehenen ist, so unerträglich ist auch der Versuch, die letztendliche Verantwortlichkeit woanders als beim Fahrer zu suchen“, sagt Peter Erben vom Fuss e. V.: „Mobilität, die die Schwächsten im Verkehr gefährdet und an den Rand drängt, ist keine gute Mobilität.“

Aus diesem Grund hat Peter Pipiorke im Namen der Radfahrer und der Fußgänger einen Brief an Oberbürgermeister Fritz Kuhn, Baubürgermeister Peter Pätzold (beide Grüne) und Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) geschrieben. „Ich bin auf die Antwort gespannt“, sagt er und listet seine Forderungen auf: „Wir wollen, dass der Zielbeschluss des Gemeinderates zu einem modernen urbanen Lebensraum Innenstadt umgesetzt wird. Dazu gehört der Rückbau der ebenerdigen Parkplätze, sichere Radwege auf der Fahrbahn zu Lasten des Autoverkehrs und Gehwege, auf denen die Fußgänger ungestört flanieren können.“