In Michas Lädle für Zeitschriften & Tabak kommen kunstinteressierte Kunden auch beim Blick ins Schaufenster auf ihre Kosten. Frisch zur Wahl zeigt der Inhaber provokante Plakate von Klaus Staeck.

S-Süd - Es ist Schulanfang. Wer Schreibwaren führt hat sein Schaufenster mit Grundbedarf für ABC-Schützen ausgestattet. Andernorts dominieren die Titelseiten aktueller Zeitschriften das Bild. In der Auslage von Michas Lädle erregt ein Sack mit der Aufschrift „Sand fürs Getriebe“ die Aufmerksamkeit der Passanten: Ein Werk von Klaus Staeck. Noch bis zur Bundestagswahl zeigt Inhaber Michael Schmidt unter dem Motto „Nichts ist erledigt“ Arbeiten des Künstlers, dessen provokante Plakate mit Slogans wie „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen!“ längst legendär sind.

 

Staeck gefiel das Konzept

„Wir haben ihn einfach gefragt, ob wir seine Sachen ausstellen können“, schildert Schmidt den erstaunlich unkomplizierten Weg zur Ausstellung in der Weißenburgstraße. „Nachdem ein paar Modalitäten geklärt waren, konnte es losgehen, auch weil Staeck das Konzept gefiel.“ Die Idee zur Kunst im Kiosk verdankt sich Klaus Fabricius, dessen Arbeiten ebenfalls schon bei Micha präsentiert wurden. „Er bringt den Sachverstand mit“, beschreibt Schmidt die Rolle seines Kultur-Kompagnons. „Ich selbst kann nur sagen, ob mir etwas gefällt oder nicht.“ Die Auswahl, die beide gemeinsam treffen, stößt in der Regel auf die Gegenliebe der Kunden.

Nur einmal kam es zu einer unschönen Szene, als sich eine Dame an einem Motiv des Stuttgarter Künstlers Hartmut Hörmann stieß. „Die hat mir verbal regelrecht eine verpasst“, erinnert sich Schmidt. „Natürlich muss man mit solchen Reaktionen rechnen, wenn man nicht nur gefällige Arbeiten ausstellt. Das zeigt ja auch, dass bewusst wahrgenommen wird, was hier im Schaufenster geschieht. Einen Moment hat es aber trotzdem an mir genagt.“

Treffpunkt für die Anwohner

Die Frau, die kurz darauf Michas Lädle entert, ist nicht auf Krawall aus. Sie sucht Rat, weil ihr Mann Probleme mit seinem Füllfederhalter hat. Michael Schmidt nimmt sich Zeit für die Beratung. Der Umgangston ist fast familiär. „Hier war schon zu Zeiten des Vorbesitzers ein Treffpunkt für die Anwohner“, erklärt er. Entsprechend einfach sei es gewesen, Fuß zu fassen. Dass die Klientel sehr gemischt ist und vom Tellerwäscher bis zum Millionär reicht, hat ihm die bisherigen Jahre im Heusteigviertel versüßt. „Es ist schön, dass die Leute auch durch den Laden in Kontakt kommen“, schwärmt der 40-Jährige. „Bei einer Ausstellungseröffnung gibt es immer ein kleines Beisammensein. Da kommen dann auch Menschen ins Gespräch, die sich im Alltag kaum begegnen würden. Die Kunst führt sie zusammen. Dabei sind auch schon echte Freundschaften entstanden. Das zu beobachten ist für mich der schönste Lohn.“

Dass in der Nachbarschaft viel ein- und ausgezogen wird, stört den gelernten Restaurantfachmann keineswegs. „Ich fände es langweilig, fünf Jahre lang jeden Tag nur die gleichen Gesichter zu sehen“, sagt er. „Stammkunden sind klasse, aber etwas Abwechslung tut gut.“ Auch im Schaufenster. Street-Art von Fred Collant fand dort in der Vergangenheit ebenso ihren Platz wie Grafiken von Horst Janssen. Dass die Staeck-Plakate kurz vor der Bundestagswahl gezeigt werden, ist kein Zufall. „Ich war überrascht, wie viele seiner jahrzehntealten Arbeiten immer noch aktuell sind“, zeigt sich der Hausherr von Michas Lädle beeindruckt. „Das ist für die politische Orientierung wahrscheinlich hilfreicher als jedes TV-Duett. Trotzdem sind die Motive nicht einseitig parteipolitisch. Ich mache keinen Wahlkampf. Privat habe ich natürlich meine Meinung, aber hier möchte ich mich, was das angeht, eher raushalten und einfach meine Zeitungen verkaufen.“