Die Caritas möchte in der Adlerstraße eine zentrale Anlaufstelle für Suchtkranke eröffnen und stößt auf den erbitterten Widerstand von Bürgern und Lokalpolitikern. Ein Beteiligungsverfahren soll dabei helfen, eine Lösung zu finden.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Fixer flankieren Schulwege, Dealer und Prostituierte sprechen Minderjährige an und in den Grünanlagen lungern zwielichtige Gestalten: Ein bürgerlicher Stadtteil verkommt. Wer kann, zieht fort, die Immobilienwerte purzeln in den Keller. Ein so finsteres Bild skizzierten Kritiker der geplanten Substitutionsambulanz in der Adlerstraße, die schlimmste Befürchtungen plagen. Am Dienstagabend hatten Bürger in der Sitzung des Bezirksbeirates Süd Gelegenheit, ihre Meinung zu äußern zur Einrichtung der Caritas. Als besonders heikel wurde die Nähe zu gleich mehreren Schulen befunden.

 

Teil eines Investorenprojektes

Schon bei der ersten Vorstellung des Projekts im März zeichnete sich ab, dass kontrovers und emotional diskutiert werden würde. Daher regten die Bezirksbeiräte eine informelle Bürgerbeteiligung zum Thema an. Das kommunalpolitische Instrumentarium hat aber zur Voraussetzung, dass es sich bei dem Vorhaben um ein städtisches Projekt handelt. Davon war ein Teil der Bezirksbeiräte ausgegangen, nachdem der Sozialbürgermeister Werner Wölfle persönlich das Projekt in einer Sitzung im März vorgestellt hatte. Tatsächlich aber ist die geplante Substitutionsambulanz, Kontakt-, Anlauf- und Beratungsstelle der Caritas Teil eines umfangreicheren Investorenprojektes – „Miteinander im Süden“ genannt. Die Verwaltung befürwortet zwar einen Beteiligungsprozess zur Adlerstraße. Die Kosten übernimmt sie jedoch nicht. Die muss der Bezirksbeirat selber stemmen.

Der Immobiliendienstleister Corpus Sireo will in der Adlerstraße, oberhalb der Postfiliale Böblinger Straße, einen Neubau mit 52 Wohnungen für Ältere sowie sechs Wohnungen für Familien errichten. Auf zwei Etagen soll die Caritas mit ihren Angeboten für Drogenkranke einziehen. Abgerissen werden soll dafür ein leer stehender Trakt, den die Post früher für die Paketabfertigung nutzte. Man wolle in der Adlerstraße Angebote für Drogenkranke bündeln, so Klaus Obert, zuständiger Bereichsleiter bei der Caritas. Fachkräfte wären besser verzahnt, der Kontakt zu den Klienten würde enger. Langfristig solle die Einrichtung das High-Noon im Leonhardsviertel, die Substitutionsambulanz in der Hauptstätter Straße sowie die Suchtberatung in der Katharinenstraße ersetzen.

Vielleicht kommt am Ende nichts

Spätestens an diesem Punkt regte sich auch Unmut unter jenen, die die Einrichtung nicht grundsätzlich ablehnten, aber befürchten, dass die Konzentration der Angebote zu viele Süchtige anlockt. „Man will diese Leute halt nicht mehr in der schicken Innenstadt haben, sondern lieber am Rand“, argwöhnte eine Anrainerin. Sie sorge sich um ihre Tochter, die zur benachbarten Mörikeschule gehe. „Man muss Drogenkranken helfen, aber nicht geballt an einem Ort!“ Die Leitungen der Mörikeschulen – Realschule und Gymnasium – sehen ihre Schüler nicht in Gefahr, nehmen aber deren Ängste wahr. Der Arbeitskreis Prävention aus Lehrern, Schulpsychologen und Schülercoaches habe das Thema aufgegriffen, sensibilisiere und stärke die Sucht-Abwehrkräfte der Schüler, berichtet die Leiterin des Gymnasiums, Sonja Spohn. „Man muss sich den Konflikten stellen. Die Drogenproblematik gehört zum Leben in einer Großstadt, und die Schüler sollen lernen, mit den Konflikten umzugehen.“

Die teils scharfzüngig geführte Debatte zeigt, dass Klärungs- und Diskussionsbedarf besteht. Der Bezirksbeirat Süd hat nun eine informelle Bürgerbeteiligung auf den Weg gebracht, über die der Ausschuss des Gemeinderats in der nächsten Woche entscheidet. Den Bezirksbeiräten war dabei wichtig, dass der Prozess „ergebnisoffen“ bleibt – im Zweifelsfall also keine Drogeneinrichtung kommt. Auch hätten sie gern, dass sich Investor und Caritas an den Kosten beteiligen. Beide haben signalisiert, dass sie an einer Beteiligung der Bürgerschaft interessiert sind, obwohl das eine Verzögerung oder gar das Ende des Projekts bedeuten könnte. Caritas-Mann Obert hofft, dass die Bürgerbeteiligung die Akzeptanz der Einrichtung fördert.