Die Mobile Jugendarbeit fliegt aus ihrer Wohnung, die Bezirksbeiräte verlangen nach Milieuschutz und Aktivisten errichten unter der Paulinenbrücke eine Miniwohnung: Der Süden brütet angestrengt über dem Wohnungsproblem.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Die mobile Jugendarbeit im Süden ist bald ohne Obdach – gekündigt wegen Eigenbedarf. Fast 30 Jahre lang residierte die Gesellschaft mit ihrem Streetworker-Team in einer Erdgeschosswohnung in der Möhringer Straße. Ein paar Büroräume, Küche, Bad und ein Wohnzimmer, wo sich die Sozialarbeiter mit den Jugendlichen von der Straße treffen und besprechen können – mehr brauchte es nicht. Die Terrasse war eine schöne Dreingabe. „Die Jungs haben sie erst neulich wieder hergerichtet. Wenn ich denen jetzt erzähle, dass wir in sechs Monaten hier ganz raus müssen, wird das bitter“, berichtete Streetworker Baykar Tavit am Dienstagabend in der Sitzung der Bezirksbeiräte im Süden. Die Räte reagierten betroffen, zeigten sich solidarisch. Man wolle alles tun, um eine neue Unterkunft zu finden für die so wichtige Jugendarbeit im Stadtbezirk.

 

Den Milieuschutz in Anschlag bringen

Doch wo findet man im Süden noch freie, bezahlbare Wohnungen? Die Demonstrationen gegen den Wohnungsnotstand, die im Frühjahr in der Besetzung zweier Wohnungen an der Wilhelm-Raabe-Straße gipfelten, haben offenbart, wie viel gesellschaftspolitischen Sprengstoff das Thema birgt. „Und die breite Unterstützung durch die Anwohner der Umgebung hat gezeigt, viele Leute haben Angst, ihre bezahlbare Wohnung zu verlieren“, sagte die SPD-Bezirksbeirätin Marion Eisele, deren Fraktion einen Antrag dazu vorlegte, überschrieben mit: „Geeignete Instrumente zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum“. Beim Thema herrschte grundsätzliche und fraktionsübergreifende Eintracht im Bezirksbeirat, und so konnten alle – nach einem kurzem parteipolitischen Scharmützel – dem Antrag der Genossen nur beipflichten.

Darin fordern die Bezirksbeiräte die Stadtverwaltung auf, aufzulisten, was sie gegen den Wohnungsnotstand unternimmt. Sie wollen wissen, ob Mietpreisbremse und Zweckentfremdungsverbot überhaupt helfen, und sie schlagen vor, das baurechtliche Instrument „Milieuschutz’“ endlich in Anschlag zu bringen: „Das Aufeinandertreffen von Menschen unterschiedlicher Generationen und mit unterschiedlichsten Lebensgeschichten, mit individuellen Lebensstilen und -plänen machen wohl den besonderen Charme unseres Stadtbezirks aus. Die SPD-Fraktion betrachtet das Instrument der Erhaltungssatzung als geeignet, den charakteristischen Charme unseres Bezirks zu schützen.“ Die Angebotsmieten würden rapide steigen. Bezirksvorsteher Raiko Grieb (SPD) berichtete von seinen Beobachtungen auf den einschlägigen Immobilienplattformen im Internet. „Da werden zum Beispiel für eine Vier-Zimmer-Wohnung ohne Garten, Garage oder Balkon in genau dem Viertel, wo die Hausbesetzung stattfand, 645 000 Euro verlangt!“ Wo solch satte Gewinne winkten, nehme nicht Wunder, wenn die Mieter im Quartier kalte Füße bekämen und sich mit Hausbesetzern solidarisierten.

Suche nach bebaubarer Fläche

Auf Anregung der Grünen wurden in den Prüfantrag noch die Wohnungsbaureserven im Süden aufgenommen. Das fragliche Kataster umfasst Areale, die kurzfristig bebaubar sind oder zumindest mittelfristig Potenzial bieten für den Bau neuer Quartiere. Insgesamt wurden in der Landeshauptstadt rund 30 Hektar solcher Fläche ausfindig gemacht. FDP-Bezirksbeirat Wolf-Dieter Wieland schlug sogar vor, die Bezirksbeiräte sollten selbst ausschwärmen, um geeignete Flächen für Wohnungsbau aufzutun.

Das Thema brennt auch den jungen Leuten vom Verein Stadtlücken unter den Nägeln. In der kommenden Woche wollen sie es auf ihrem Experimentierfeld unter der Paulinenbrücke auf andere Weise beleuchten. In ihrer Aktion „Wohnen unter der Brücke“ wird von Montag, 15. Oktober, 17 Uhr an eine Miniwohnung unter der Brücke von Tiny House aVoid eingerichtet sowie eine Wohninstallation der Initiative Adapter. Führungen, Wohnzimmerkonzerte, Performances und eine Design School sind angekündigt. Am Donnerstag, 18. Oktober, laden die Stadtlücken um 19 Uhr unter der Brücke zur Wohndebatte ein. Zum Gespräch kommen Experten aus Wissenschaft, Planung und Politik, die mit dem Publikum diskutieren wollen.