In seiner Amtszeit hat sich in Sachsenheim viel getan, die Stadt wandelte sich zum boomenden Unternehmensstandort. Das fand nicht nur Zuspruch. Jetzt hört Bürgermeister Horst Fiedler auf.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Sachsenheim - Das Tor zum Himmel macht seinem Namen alle Ehre. Es eröffnet einen elysischen Panoramablick ins Weite. Sucht das Auge einen nahen Fixpunkt, trifft es auf Hohenhaslach. Stolz thront der Ort auf einem Bergsporn. „Als ich zum ersten Mal von Heidelberg herfuhr, um mir Sachsenheim anzuschauen, kam mir der Blick in diese weite, schöne Landschaft paradiesartig vor“, sagt Horst Fiedler. Mehr als 16 Jahre ist das her. Kurz darauf wählten die Sachsenheimer Fiedler, dessen weiches Kurpfälzer-Idiom auch nach fast zwei Jahrzehnten im Schwäbischen noch durchscheint, zum Bürgermeister.

 

Die Rückerfindung der Langsamkeit

Das ist nun vorbei: Am Sonntag eröffnet der 62-Jährige den neuen Hohenhaslacher Weitblickweg. Den Skulpturen- und Besinnungspfad durch die Weinberge hat er sich auch als Ort für ein Bilanz-Gespräch ausgesucht. Die Einweihung wird seine letzte öffentliche Amtshandlung sein. Ein irgendwie sinnfälliges Finale, findet Fiedler. Nicht nur, weil er in dem Sachsenheimer Teilort als frischgebackener Schultes seine erste Bleibe in einer Einliegerwohnung fand. Sondern weil Themen wie Neufokussierung und Perspektivwechsel jetzt auch auf seiner persönlichen Agenda stehen. „Die letzten 16 Jahre waren sehr intensiv. Ich muss jetzt mal runter von dem hohen Adrenalinspiegel, in mich reinhören und die Rückerfindung der Langsamkeit lernen.“

Auch wenn der strahlende Sonnenschein Frühlingsmilde suggeriert: Es weht eine steife Brise. Horst Fiedler zieht die warme Jacke übers kurzärmelige Hemd. Dabei ist er Gegenwind gewohnt, auch im übertragenen Sinn. Nicht alle Sachsenheimer bewerten seine mit reger Bautätigkeit, Industrieansiedlungen und Flächenverbrauch konnotierte Arbeit positiv. Im Volksmund kursieren Spitznamen wie „Beton-Fiedler“, und sein Entschluss, kein drittes Mal anzutreten, rief auf sozialen Medien hässliche Kommentare wie „Endlich weg“ oder „Wird auch Zeit“ hervor.

Spontaner Applaus war nicht sein Ziel

„Mein Amtsverständnis war es nicht, auf spontanen Applaus zu schielen“, meint Fiedler dazu. „Es ist klar, dass es nicht allen gefällt, wenn man eine Stadt voranbringt.“ Wenn sich dieser Ärger aber, und das womöglich anonym, undifferenziert auf entsprechenden Plattformen Bahn bricht, findet er das problematisch. „Da setzt jemand eine These in die Welt, jeder hat etwas dazu zu sagen, und niemanden interessiert, ob es überhaupt stimmt.“ Kritik gehöre von Angesicht zu Angesicht artikuliert, findet er.

„Dafür habe ich viele Formen eingeführt, bin für Bürgersprechstunden in die Ortsteile gefahren, habe Bürgerversammlungen gemacht oder Bezirksbeiräte für Klein- und Großsachsenheim eingeführt, als Pendant zu den Ortschaftsräten unserer Ortsteile im Kirbachtal.“

Ein Hot-Spot im Kalten Krieg

Knapp 19 000 Einwohner, verteilt auf sechs Orte, die sich über 17 Kilometer ausdehnen, eine Stadt im Spannungsfeld von pulsierender Wirtschaft und dörflicher Weinbauern-Idylle: Sachsenheim ist ein facettenreiches Gebilde. Ein Zweckbündnis, „aber eines, von dem alle Seiten profitieren“, meint der scheidende Rathauschef. „Das Kirbachtal wäre alleine nicht überlebensfähig gewesen.“

Große Unternehmen wie Porsche oder Breuninger haben sich in Sachsenheim angesiedelt, sie residieren in örtlichen Industriegebieten oder im Interkommunalen Gewerbepark Eichwald. Letzteres ist für Fiedler ein Erfolgsprojekt. Einst Nazi-Fliegerhorst, war das Gelände im Kalten Krieg Flugabwehrraketen-Basis der US-Army – die erste Nike-Atomraketen-Abschussbasis in der BRD, wie spätere Forschungen ergaben. Dennoch: Flächenfraß und Verkehrszuwachs sind manchem ein Dorn im Auge, ebenso wie die Dominanz von Logistikern. Fiedler führt im Gegenzug die gewachsene Prosperität, die in Sachen Ganztagsbetreuung frühe Vorreiterrolle der Stadt, das Pfund „Schul-Vollstandort“ und den stetigen Beschäftigungszuwachs ins Feld. Was die Logistiker angehe, gelte: „Wir fangen mit Logistik an, ziehen aber später in der Qualität der Arbeitsplätze nach.“ Das Konzept gehe bereits auf. Fiedler ist mit sich im Reinen: „Sachsenheim ist in den letzten Jahren aufgewacht und befindet sich in dynamischer Vorwärtsbewegung.“

Die Bürger packen mit an

Das sah anders aus, als er anfing. „Mein Start war, dass unser Haushalt nicht genehmigt wurde. Ich musste erst einmal zwei Konsolidierungsrunden einlegen.“ Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch: Anstatt lieb Gewonnenes zu streichen, wurde es in die Hände von Bürgern gegeben und konnte so erhalten werden. In der einst städtischen Kelter führt der Kulturring Hohenhaslach Regie, Bürger übernahmen Patenschaften für Brunnen, die stillgelegt werden sollten. Für das Schlossfreibad und die Halle in Häfnerhaslach gründeten sich Trägervereine. „Das ist das Schönste“, sagt Fiedler: „Wenn Bürger in solchen Situationen mit anpacken.“

Er selbst bleibt fürs Erste auch Sachsenheimer. Seine Kinder, zehn und zwölf Jahre alt, fühlen sich wohl, er will sie nicht aus ihrem Umfeld reißen. Seine Frau wird auch künftig zur Arbeit nach Heidelberg pendeln, weswegen ein Zuhause in Bahnhofsnähe ein Muss für die Familie war. „Sie hat studiert und will ihrem Beruf nachgehen. Sie musste lange genug zurückstecken“, sagt der künftige Bürgermeister a. D. Dafür will er mehr für die Kinder da sein. Ob er einfach als Privatier wird mit anschauen können, wie sein Nachfolger Holger Albrich von Mai an agieren wird? Fiedler lacht. „Ich kann mir noch nicht richtig vorstellen, was für ein Gefühl das sein wird. Aber er wird und muss einige Sachen anders und neu machen. Das ist doch klar.“