Im Kowalski wird der Film "Raving Iran" gezeigt, ab 23 Uhr stehen die Protagonisten der Doku an den Decks. Wir wollten mehr über die Feiergewohnheiten in Teheran wissen und haben mit dem gebürtigen Iraner Saeed vom 0711blog darüber geplaudert.

Stadtkind: Tanja Simoncev (tan)

Stuttgart - "Raving Iran" ist in aller Munde. Die Dokumentation über die DJs Anoosh und Arash, die Helden der Underground-Techno-Szene in Teheran sind, zeigt mit welchen Schwierigkeiten die Lust auf Feierei im Iran verbunden ist. Thematisiert wird das ewige Versteckspiel vor der Polizei, genauso wie die stagnierende Karriere der beiden und die gefährlichen Umstände, unter denen sie einen letzten ekstatischen Rave in der Wüste organisieren. Techno und House sind in Teheran strengstens verboten, jedes Mal riskieren die beiden Gefängnisstrafen und Schlimmeres.

 

Am Samstag haben Anoosh und Arash nichts zu befürchten, wenn sie im Club Kowalski an den Decks stehen. Dass das möglich ist, ist einem Glücksfall geschuldet. Die beiden haben sich für eines der größten Techno-Festivals der Welt, die Street Parade in der Schweiz, beworben - und die Genehmigung bekommen auszureisen.

Lebt euer Leben

Die Dokumentarfilmerin Susanne Regina Meures war, so scheint es, zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Sie hat in ihrem Film nicht nur die Zeit vor dem Festival, sondern auch die Zeit danach festgehalten, in der die Brüder entscheiden müssen, wieder zurückzukehren oder zu bleiben. "Wir möchten nicht, dass ihr wieder zurückkommt. Lebt euer Leben, mein Sohn", sagt die Mutter zu ihrem Sohn im Trailer und hilft dabei bei der schwierigen Entscheidung. Im Kowalski wird zuerst der Film gezeigt und anschließend dieses neue Leben gemeinsam mit den Protagonisten des Films gebührend gefeiert.

Vorab wollten wir mehr über die Feiergewohnheiten im Iran wissen und haben uns mit Saeed getroffen. Der gebürtige Iraner, der seit sechs Jahren in Stuttgart lebt, Geschäftsführer der 0711 Media Production GmbH ist und selbst Partys organisiert hat, gewährte uns einen kleinen Einblick in seine Jugend in Teheran.

My home is my club

Mit 19 Jahren kam Saeed nach Deutschland. Bei der Verwandtschaft in Hannover gestrandet, habe er zunächst wenig mit good old Germany anfangen können. Vor allem das Nightlife machte anfangs wenig Spaß, denn der Eintritt in die Clubs blieb ihm verwehrt. "Wir kamen nirgends rein - uncool." Doch das sollte sich spätestens in Stuttgart ändern. Auch wenn es im Iran keine Clubs gibt, weil elektronische Musik und Alkohol verboten sind, sei der Einblick in das westliche Nachtleben jedoch kein Schockerlebnis für den 26-Jährigen gewesen. "Wir kannten ja auch vieles durch das Internet oder TV-Programm."

Und im Iran wird ja auch trotzdem gefeiert, was nicht nur der Film etwas dramatisiert bestätige, sondern auch Saeed selbst erlebt habe. Eben nur nicht öffentlich, sondern auf Privat-Partys. "Theoretisch darfst du Zuhause alles machen, was du willst. Illegal ist es dann, wenn Alkohol getrunken wird - was meistens der Fall ist." Saeed spricht von einer Grauzone - eigentlich dürften ja auch keine fremden Mädels mit fremden Jungs abhängen, aber das werde selbst auf der Straße von einigen nicht eingehalten. Jeder weiß darüber Bescheid und es wird halt geduldet."

Und die Partys im Iran seien auch keineswegs vergleichbar mit den WG-Partys hier in Deutschland. "Da wird dann schon mächtig aufgefahren, von der Nebelmaschine bis zur Bar ist alles vorhanden, der Gastgeber ahmt quasi einen Club bei sich Zuhause nach. Es gibt auch Pool-Partys. Je nachdem wie viel Geld du hast, kannst du dir da alles kaufen - auch Sicherheit."

Partys ohne Angst

In Deutschland war das alles dann plötzlich kein Thema mehr. Und Saeed versuchte sich während seinem Studium an der Hochschule der Medien dann sogar selbst mal als Party-Veranstalter. Der leidenschaftliche Fotograf begann mit Kumpels eine Party-Reihe zu organisieren, woraus sich schließlich auch der Kontakt zu 0711 ergeben habe. "Das war für mich natürlich eine krasse Erfahrung. Nicht nur die Tatsache ansich, dass man jetzt Partys veranstaltet, sondern auch ohne Angst, dass da gleich die Polizei auf der Matte steht, zu feiern."

Und so habe sich der 26-Jährige im Städtle immer besser eingelebt. Ein Highlight dabei sicherlich die Firma mit Schowi von Massive Töne zu gründen. Dies, sein Umfeld, die Kontakte sind für Saeed Gründe, warum er sich in Stuttgart nun richtig wohlfühlt. "Ich kann mir nicht vorstellen, in den nächsten Jahren weg, geschweige denn zurück in den Iran zu gehen. Irgendwann aber vielleicht schon. Aber um meinen Job so auszuüben, wie ich es möchte, ist Teheran erstmal keine Option."

Und was vermisst Saeed in Deutschland?

"Den Stress, Partys zu machen - ohne Sicherheit und mit dem Gedanken: Gleich könnte die Polizei kommen."

Und was nicht?

s.o.

Der Film "Raving Iran" entwickelte sich seit dem Kinostart Ende September zum neuen Kultstreifen in der elektronischen Musik-Szene. Im Rahmen des Semf wird die Doku über die beiden iranischen Techno-DJs am Samstag im Club Kowalski gezeigt (leider schon ausverkauft!), anschließend legen sie als Blade & Beard dort auf. Hier geht's zum Event.