„Stern von Berlin“ wurde sie genannt, die Kabarettistin und Sängerin Claire Waldoff. Frech, laut und unwiderstehlich krähte sie von den Bühnen der Hauptstadt in den 20-Jahren. Dass sie in Stuttgart ihre letzte Ruhestätte gefunden hat, ist kaum bekannt.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Stuttgart - „Ach Jott, wat sind die Männer dumm!“ ist einer ihrer Hits und der Titel sagt schon viel über Claire Waldoffs Auftreten. Mit frecher Schnauze zwickt sie von der Bühne herunter nicht nur die Männer, sondern selbstverliebten Gockeln aller Art frech grinsend ins Ego. 1906 von Gelsenkirchen nach Berlin gekommen, will die 1884 als Clara Wortmann geborene Künstlerin eigentlich Theaterschauspielerin werden. Doch daraus wird nichts und die junge Frau muss sich mit kleinen Rollen durchschlagen. Doch das Kabarett „Roland von Berlin ist dermaßen über ihren Auftritt begeistert, dass es neue Plakate drucken ließ: „Claire Waldoff – der Stern von Berlin!“

 

Mittelpunkt der lesbischen Szene ihrer Zeit

Die Stimme ist unverwechselbar, genauso wie die Erscheinung der zierlichen Frau. „Und auf einmal, über die bewegten Köpfe der lachenden Zuschauer und durch den Zigarettenrauch und den Lärm brüllt ihre Stimme andante: ,Hermann heest a’“, beschreibt Kurt Tucholsky einen ihrer Auftritte mit dem wohl bekanntesten ihrer Lieder. Mit Tucholsky, der ihr Lieder unter seinem Pseudonym Theobald Tiger schreibt, ist sie befreundet. Ihre Bewunderer sind zahlreich, auch wenn sich die Begeisterung teilweise in seltsamen Formen zeigt: „Eigentlich möchte man ihr stundenlang in die Fresse hauen. So frech und vergnügtgrienend steht sie da“, schreibt der Feuilletonist Paul Marcus alias Pem. „Rot leuchtet der Kopf. Rund alle Rundungen. Das Auge zwinkert wissend, jedes Wort kräht krakeelend. Urkomisch, hinreißend. Ein Original!“

Mit ihrer Lebensgefährtin Olga von Roeder, mit der sie offen zusammenlebt, ist Claire Waldoff der Mittelpunkt der lesbischen Szene Berlins in den 20er-Jahren. Für die mörderischen Spießer, die 1933 die Macht an sich reißen, ist jemand wie Claire Waldoff ein Dorn im Auge. Die Nazis erteilen ihr Auftrittsverbot.

Auf dem Pragfriedhof ist der Grabstein erhalten

1957 stirbt die Künstlerin mit 72 Jahren. Olga von Roeder lässt die Urne mit der Asche ihrer geliebten Frau im Familiengrab auf dem Pragfriedhof beisetzen. 1983 wird das Grab aufgelöst, die Stadt lässt die Urnen der beiden Frauen in eine gemeinsame Nische an der Außenmauer des Kolumbariums unterbringen. Man muss ein bisschen suchen, doch wenn man das Gebäude im Zentrum des Friedhofs umrundet, wird man fündig. Die Treppe hinauf zum oberen Saal, dann nach recht um die Ecke, dann ist der Grabstein an der Wand zu sehen.