An diesem Wochenende findet in Hockenheim das DTM-Finale statt. Die Tourenwagen-Serie hat große Pläne, Motorsport umweltfreundlich und klimaneutral zu gestalten – und geht sogar weiter als die Formel 1.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Manche Freunde des Deutschen Tourenwagen Masters (DTM) werden beim Finale in Hockenheim an diesem Wochenende staunen. Wer sich sonst als Erinnerung ein Programmheft mitgenommen hat, der steht mit leeren Händen da. Die Serie hat die gedruckten Hochglanzblätter abgeschafft, das Programm gibt’s nur noch per App. Die DTM hat sich der Nachhaltigkeit verschrieben. „Auf der gesamten Plattform, von der Organisation über die Rennställe und Fahrer aller Serien bis hin zu den Veranstaltern“, sagt Martin Tomczyk, „zieht jeder mit, um das Event nachhaltig zu gestalten. Das ist sinnig und stimmig.“ Der Rosenheimer, der 2011 DTM-Gesamtsieger war, ist seit Juli Leiter des Managements der Plattform mit den Serien DTM, DTM Trophy und DTM Classic, zudem koordiniert der Ex-Rennfahrer die Rahmenserien. Und da zählt die Aufgabe, den gesamten Auftritt klimafreundlich und nachhaltig zu gestalten, zur Priorität eins.

 

In Zeiten der Klimaerwärmung und der Ressourcenknappheit macht sich jede Motorsport-Serie Gedanken um ihre Zukunftsfähigkeit und unternimmt Schritte, ihre Aktivität rund um die Pisten so grün wie möglich zu gestalten – die Formel 1 kämpft um das Siegel der Klimaneutralität, weshalb die übrigen Serien mit aufs Gas drücken. Die DTM achtet neben der Abschaffung der Programmhefte darauf, möglichst wenig Papier in Umlauf zu bringen, darüber hinaus war am Norisring im DTM-Ticket die Fahrt im ÖPNV inkludiert, Mülltrennung und wiederverwertbares Geschirr gehören längst zum guten Ton wie der Einsatz von Elektrogabelstaplern für Auf- und Abbau. Bei den Liveübertragungen im Fernsehen werden virtuelle Werbetafeln eingeblendet, die an der Strecke nicht zu finden sind. Das spart Rohstoffe bei Herstellung, Transport und Handling. Und im Fahrerlager gilt das Gebot „weniger ist mehr Umweltschutz“: Was in der Formel 1 undenkbar ist, wird in der DTM praktiziert. Auch in Hockenheim stehen nicht mehrere Team-Hospitalitys für Mitarbeiter, Sponsoren und Gäste im Fahrerlager in Reih und Glied, nur noch eine große Sammel-Hospitality versorgt den gesamten Tross mit Speis und Trank. Die Teams reservieren dort Plätze, je nachdem, wie viele Mitarbeiter und Gäste sie an der Strecke versorgen müssen.

Diese Maßnahmen sind erst der Anfang. Tomczyk verweist darauf, dass am Norisring begonnen wurde, den CO2-Fußabdruck der DTM zu ermitteln, von allen Teams und Partnern wurden Informationen angefordert über den Zeitpunkt sowie die Art der Anreise, die Zahl der eingesetzten Fahrzeuge und der Aktivität rund um die Veranstaltung. „Wir müssen den Status quo ermitteln, wie viel CO2 die DTM pro Event verursacht“, sagt Tomczyk, „damit wir ableiten können, wo wir ansetzen müssen.“ Derzeit befinden sich die Daten in Auswertung. Davon unabhängig hat die Serie einen Teil der Route hin zu mehr Klimafreundlichkeit festgelegt. Schon in der kommenden Saison sollen die Autos mit fossilfreiem Sprit unterwegs sein. „Erst 2023“, hatten Kritiker geunkt, doch Tomczyk verteidigt: „Natürlich hätten wir mit Benzin fahren können, dessen fossile Anteile reduziert sind“, sagt der 40-Jährige, „aber wir wollen es umfassend machen, also mit 100 Prozent fossilfreiem Kraftstoff fahren.“

Nun wissen DTM-Fans, selbst wenn sie keine Mechatroniker sind, dass bei diesem Klima-Kurs die Technik der Autos angepasst werden muss, was Kosten für die Rennställe verursacht. Nachdem die DTM seit 2021 auf das GT3-Format bei den Fahrzeugen setzt, handelt es sich um Privatteams, die keine Entwicklungskosten im sechsstelligen Bereich stemmen können. Umweltschutz gibt’s nicht zum Nulltarif, was die Geschichte gefährlich macht, weil sich die DTM auch das Sparen auferlegt hat. „Das ist ein zweischneidiges Schwert“, räumt Tomczyk ein, „aber wir wollen und müssen diesen Schritt gehen.“ Die Teams wüssten um die Notwendigkeit, sie zögen bereitwillig mit, betont Tomczyk, die Dachorganisation wolle ihnen die Mehrkosten der Umrüstung nicht komplett aufbürden und suche agil nach Lösungsansätzen. „Die gesamte Maßnahme ist sinnvoll“, sagt der DTM-Manager.

Fossilfreier Kraftstoff, eine Verringerung des CO2-Abdrucks, schonende Ressourcenverwendung – klingt gut, die DTM-Macher haben noch mehr vor. 2024 soll eine DTM electric existieren. Ein Fahrzeug mit (umgerechnet) mehr als 1000 PS, das die 300-km/h-Marke knackt, wurde Ende 2021 präsentiert und wird weiterentwickelt. Gleichzeitig werden die Grundlagen gelegt, um die nötige Ladeinfrastruktur bereitzustellen. Es soll, wie DTM-Chef Gerhard Berger versprach, „toller Motorsport werden, so wie wir ihn aus der Formel 1 kennen, nur auf elektrischer Basis“. Dabei soll die DTM electric die aktuelle DTM nicht ersetzen – sie stellt eine weitere Säule der Serie dar. „Die E-Mobilität kommt immer mehr“, sagt Tomczyk. Motorsport muss mehr sein, als nur im Kreis herumzufahren – aber er muss, das gilt also auch für die DTM, in jedem Fall spannend und spektakulär sein. Denn sonst kommt niemand mehr.