Händeringend suchen Arbeitsagenturen, Jobbörsen und Promotion-Agenturen nach Santa-Claus-Imitatoren. Dabei ist das Interesse an Auftritten des Rauschebartträgers größer denn je.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart/Hamburg - Statt im kalten Wind über den Weihnachtsmarkt zu schreiten, betreiben sie lieber Telefonakquise. Statt Kinder mit Geschenken zu beglücken, machen sie Social-Media-Marketing vom heimischen Laptop aus. Deutschlands Studenten wollen nicht mehr als Weihnachtsmänner und -frauen jobben. Dabei ist das lukrativ: Im Schnitt 500 Euro verdient ein Santa Claus am Heiligen Abend in Berlin. Doch nach fast 70 Jahren gibt das Berliner Studierendenwerk seine Weihnachtsmann-Vermittlung auf.

 

„Schweren Herzens“, wie Sprecherin Jana Judisch sagt. Es hätten sich nicht mehr genügend Bewerber gefunden. Über Fachkräfte-Mangel in der Branche wird auch andernorts gestöhnt. „Viele jungen Leute haben keinen Bock mehr, am Wochenende oder an Feiertagen zu arbeiten“, klagt Willi Dahmen aus dem niedersächsischen Celle. Der 66-Jährige mit dem echten weißen Rauschebart hat sich der Nachwuchsförderung verschrieben. In seinen Seminaren geht es um den Weihnachtsmann-Ehrenkodex: Rauchen und Smartphone im Kostüm sind tabu, vor der Bescherung wird stets ein Lied oder Gedicht verlangt. „Ich könnte 30 oder 40 Weihnachtsmänner mehr gebrauchen.“

Viele Familien besinnen sich auf die Tradition

Arbeitsagenturen und Studentenwerke vermitteln so gut wie keine Santa Claus mehr. Gleichzeitig ist die Nachfrage vor allem in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München, Frankfurt oder Stuttgart in dieser Saison besonders hoch , wie das Online-Mietportal Erento berichtet. „Viele Familien besinnen sich auf die Tradition, vielleicht gibt es auch wieder mehr Kinder“, meint Marketingleiter Tom Sperner. Auch Engel und Christkinder würden gesucht.

Petra Henkert hat gerade einen Aufruf „Berlin sucht 100 Weihnachtsmänner!“ gestartet. „Es haben sich Leute gemeldet, die schon immer davon geträumt, sich aber nicht getraut haben“, sagt die Chefin eines Weihnachtsbüros im brandenburgischen Zeuthen.

Ganz anders ist die Situation bei der Konkurrenz in Hamburg

Ganz anders ist die Situation bei der Konkurrenz, der Hamburger Promotions-Agentur Blank & Biehl GmbH – nach eigener Aussage eine der größten Weihnachtsmann-Vermittlungen Deutschlands. Seit 2014 kann man auf www.weihnachtsmann-mieten.de Weihnachtsmann-Doubles für private und geschäftliche Events buchen. Während andere Anbieter über Nachwuchssorgen klagen, kann die Hamburger Firma aus dem Vollen schöpfen. In ihrer Datenbank sind rund 38 000 Personen gespeichert, die als Promoter, Messehostessen, bei TV-Produktionen auftreten oder eben als Weihnachtsmänner arbeiten.

Nach Aussage von Blank & Biehl-Geschäftsführer Jan M. Biehl kann man in der Online-Bewerbung angeben, wie dick der Bauch und wie lang der Bart ist, ob er weiß oder grau ist oder wie viele Kilometer man bereit ist zu fahren. „Die älteren Herren fahren nicht mehr ganz so viel wie junge Promoter.“ Bei jungen Nikoläusen gäbe es keine Nachswuchssorgen. Anders bei den erfahrenen „Premium-Weihnachtsmännern“ mit echtem Bart und Bauch aus. „Die sind rar, weil es weniger von ihnen gibt und sie irgendwann altersbedingt ausscheiden. Dennoch bekommen wir jährlich neue dazu.“

Stuttgarter Agentur für Arbeit hat gar keine Bewerber mehr

Bei der Agentur für Arbeit in Stuttgart sind zu Bestzeiten bis zu 15 Miet-Santas beschäftigt gewesen – mit bis zu 24 Aufträgen am Tag, doch das Internet macht der traditionsreichen Vermittlung Konkurrenz. Anders als in der Vergangenheit läuft die Vermittlung inzwischen größtenteils über diverse Online-Portale. „99 Prozent der Weihnachtsmannvermittlung geht mittlerweile übers Netz“, sagt Arbeitsagentur-Mitarbeiter Oleg Heintz. Seit über 25 Jahren vermittelt er Weihnachtsmänner.

„Die Nachfrage nimmt meiner Meinung nach nicht ab – im Gegenteil“ berichtet Heintz. Aber: „Wir haben für 2018 überhaupt keine Bewerber.“ Das liege vor allem am Internet. Diesen Trend bestätigt man auch bei der Arbeitsagentur in Karlsruhe-Rastatt bestätigt. „Bei uns wurde die Weihnachtsmann-Vermittlung 2012 eingestellt“, so ein Sprecher. Ein Grund dafür sei der hohe Personalaufwand. In der Vorweihnachtszeit seien zwei Kollegen nur mit der Vermittlung und den Gesprächen mit Bewerbern und Auftraggebern beschäftigt gewesen.

Der millieuübergreifenden Beliebtheit des Weihnachtsmanns tut der Personalmangel indes keinen Abbruch. Dem Weihnachtsmann-Forscher Thomas Hauschild zufolge hat dessen zeitlose Faszination vor allem mit seiner Freigiebigkeit zu tun. „Wie schafft man es, dass Kinder Vertrauen in eine Zukunft setzen, in der die Eltern irgendwann nicht mehr bei ihnen sind? Dass sie lernen, selbst auch zu geben, ohne dass sie sofort eine Gegenleistung erwarten? Das aber lernten sie durch eine Figur wie dem Weihnachtsmann“, sagt Hauschild.