Reportage: Robin Szuttor (szu)

Die Käuferinnen sind zum größten Teil Karrierefrauen, Mitte 40. „Sie haben alles, nur keine Familie und keinen Mann. Manche wollen auch gar keinen Mann“, sagt van Santen. Er hat an diesem Morgen einen Brief von einer Unternehmerin bekommen – dick unterzeichnet mit „Vielen Dank“. Van Santen schenkte ihr damals zwei Kinder, der dritte Versuch klappte nicht mehr. Sie hat nun den zehnjährigen Geburtstag des Sohnes zum Anlass genommen, eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen. Der Junge geht ins Gymnasium, spielt Klarinette, macht Judo – ein As auf allen Gebieten. Die achtjährige Tochter hat das Zeug zur Primaballerina, entwickelt sich auch sonst ganz prächtig. Kinder, wie man sie sich nur wünschen kann. Da hatte Maarten van Santen ein sehr gutes Händchen.

 

Schon vor hundert Jahren gab es Mediziner, die mit Samenspenden arbeiteten. „Nur redete man nicht groß drüber“, sagt van Santen. „Da brummte der Frauenarzt halt: Ich hab da was für Sie, kommen Sie mal vorbei.“ In der Nachkriegszeit, schätzt man, entstanden in Deutschland jährlich etwa 100 Kinder durch Samenspenden. Verboten war die Methode nie, aber geächtet. So vermutete die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie damals in dem Wunsch, Mutter zu werden, ohne den Vater zu kennen, grundsätzlich eine neurotische Persönlichkeitsstörung. Heute ist das anders.

1970 entschied sich der Ärztetag zum ersten Mal mehrheitlich dafür, das Verfahren nicht als standes- und sittenwidrig einzustufen, wenig später entstanden die ersten Samenbanken. Seitdem kamen in Deutschland rund 100 000 Kinder mit Hilfe donogener Insemination auf die Welt.

Hormone für höhere Erfolgschancen

Der Zeugungsakt ist reine Gynäkologie. Der ausgewählte Samen wird aufgetaut, gewaschen und geschleudert, dann in die Gebärmutter, nahe dem Eileiter, eingeführt. Um die eher geringen Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung bei Frauen über 40 – van Santen spricht von fünf Prozent – zu erhöhen, werden Hormone gespritzt. „Die Prozedur ist zwar unangenehm, steigert die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft aber auf 30 Prozent.“

In seiner Samenbank kann van Santen auf Proben von 320 Spendern zurückgreifen. Nicht selten gehen täglich drei, vier Anfragen von Männern ein. Kaum einer eignet sich als Samengeber. „Wir suchen sozusagen die Bullen“, sagt van Santen. 45 aktive Spender hat er zurzeit unter Vertrag. Sie besitzen, woran es vielen Männern heute mangelt: leistungsfähige Spermien.

Vor allem bei Europäern ist die Qualität seit vielen Jahren rückläufig. Keiner weiß, warum. Oft liegt die Samenzellenrate bei weniger als 30 Millionen pro Milliliter – van Santens Bullen haben mehr als 100 Millionen. Aber nicht nur die Menge macht den Unterschied. Gute Samen sind wie gesunde Kaulquappen: quirlig, vital, formstabil. Und vor allem wissen sie, wo sie hinwollen. Nicht wie jene degenerierten Kameraden, die gar nicht erst auf die Idee kommen, irgendeine Eizelle zu suchen, und lieber faul in der eigenen Soße vor sich hindümpeln. Solche Exemplare braucht van Santen nicht. Wer zu seiner Elitegruppe gehört, erhält zwischen 75 und 100 Euro pro Spende – besondere Güte macht sich bezahlt. Zudem gibt es 25 Euro bei der Blutgruppe O, weitere 25 Euro als Dankeschön für den seltenen Rhesusfaktor negativ.

Drei Tage Enthaltsamkeit

„Manche Spender kommen jede Woche“, sagt van Santen. Er erwartet drei Tage Enthaltsamkeit, damit sich das Samensäckchen hinter der Prostata gut füllen kann. Bei Unkeuschheit durch Verkehr, Masturbation oder einen Spontanerguss muss der Termin verschoben werden.

Wer gibt seinen Samen für Geld? „Ganz unterschiedliche Typen“, sagt van Santen. Der Pilot, der alles erreicht hat und der Welt noch so viel mehr geben kann. Der Betriebswirtschaftsstudent, der es vor allem des Geldes wegen macht. Der glückliche Familienvater, der unglücklichen Paaren helfen will. Je älter der Spender, desto höher sei das Risiko von Genstörungen beim Kind. Männer über 35 Jahren haben deshalb keine Chance, Teil der Genkollektion zu werden. Van Santen nimmt auch nur Herren, die frei von Erbkrankheiten und Nervenleiden in der Familie sind. Fettsucht, Hypertonie, Diabetes, Hormonstörungen stehen ebenfalls auf der schwarzen Liste. Am liebsten sind ihm heterosexuelle, monogam lebende Männer, die bringen keine Infektionen mit. Noch besser: Männer, die schon gesunde Kinder zeugten.

Er untersucht das Blut der Bewerber auf Lues, Syphilis, Aids, Hepatitis, Zytomegalie. Den Samen auf Tripper, Chlamydien, pathogene Keime wie Streptokokken. Ist die Probe in Ordnung, kann es losgehen. Bis zu 30-mal darf gespendet werden. Dann müssen die Röhrchen neun Monate in Quarantäne. Erst, wenn die letzte Sperma-Charge nach einer weiteren Untersuchung und Blutanalyse frei gegeben ist, erhält der Mann seinen vollen Spenderlohn.

Ein halbes Dutzend Topleute

Ein halbes Dutzend „Topleute“ hat van Santen aktuell in der Bank. Auch sie müssen nach zehn gezeugten Kindern ihr Spenderdasein aufgeben. Denn mit jedem Kind, das in Baden-Württemberg groß wird, wächst das Risiko, dass sich später zwei Halbgeschwister ineinander verlieben, ohne von ihrer Blutsverwandtschaft und den Gefahren für die Nachkommen zu ahnen.

Beim Griff in die Samentruhe werden ethnische Merkmale berücksichtigt. „Ein türkisches oder afrikanisches Paar möchte eben ein Kind, das ihm ähnelt“, sagt van Santen. Kundinnen können in den Kategorien Augenfarbe, Haarfarbe, Haartyp (wellig, glatt), Körpergröße, Körpertyp (dünn, sportlich, kräftig), Rasse (Europa, Afrika, Asia, Indo) und Bildung (Hauptschule bis Hochschule) wählen. Sehr begehrt sind Erzeuger mit Universitätszeugnis. „Aber nicht jede will einen Übergescheiten, das Kind muss ja zu den Eltern passen“, sagt van Santen, dem letztlich die Kür des besten Kandidaten vorbehalten ist.

Dabei schlüpft er gewissermaßen in die Rolle der Frau. Eigentlich spielen Dinge wie frühe Glatzenbildung keine Rolle, aber van Santen registriert auch solche Nebensächlichkeiten und lässt sie ins Gesamtbild eines Aspiranten einfließen. Um einen leichten Silberblick wettzumachen, muss der Bewerber schon viel Charme, Nonchalance, Durchsetzungskraft oder andere guten Eigenschaften in die Waagschale werfen. Van Santen sieht sich auch als Verkäufer: „Meine Kundinnen haben Ansprüche, sie wollen den Traumprinzen.“

Die Käuferinnen sind zum größten Teil Karrierefrauen

Die Käuferinnen sind zum größten Teil Karrierefrauen, Mitte 40. „Sie haben alles, nur keine Familie und keinen Mann. Manche wollen auch gar keinen Mann“, sagt van Santen. Er hat an diesem Morgen einen Brief von einer Unternehmerin bekommen – dick unterzeichnet mit „Vielen Dank“. Van Santen schenkte ihr damals zwei Kinder, der dritte Versuch klappte nicht mehr. Sie hat nun den zehnjährigen Geburtstag des Sohnes zum Anlass genommen, eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen. Der Junge geht ins Gymnasium, spielt Klarinette, macht Judo – ein As auf allen Gebieten. Die achtjährige Tochter hat das Zeug zur Primaballerina, entwickelt sich auch sonst ganz prächtig. Kinder, wie man sie sich nur wünschen kann. Da hatte Maarten van Santen ein sehr gutes Händchen.

Schon vor hundert Jahren gab es Mediziner, die mit Samenspenden arbeiteten. „Nur redete man nicht groß drüber“, sagt van Santen. „Da brummte der Frauenarzt halt: Ich hab da was für Sie, kommen Sie mal vorbei.“ In der Nachkriegszeit, schätzt man, entstanden in Deutschland jährlich etwa 100 Kinder durch Samenspenden. Verboten war die Methode nie, aber geächtet. So vermutete die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie damals in dem Wunsch, Mutter zu werden, ohne den Vater zu kennen, grundsätzlich eine neurotische Persönlichkeitsstörung. Heute ist das anders.

1970 entschied sich der Ärztetag zum ersten Mal mehrheitlich dafür, das Verfahren nicht als standes- und sittenwidrig einzustufen, wenig später entstanden die ersten Samenbanken. Seitdem kamen in Deutschland rund 100 000 Kinder mit Hilfe donogener Insemination auf die Welt.

Hormone für höhere Erfolgschancen

Der Zeugungsakt ist reine Gynäkologie. Der ausgewählte Samen wird aufgetaut, gewaschen und geschleudert, dann in die Gebärmutter, nahe dem Eileiter, eingeführt. Um die eher geringen Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung bei Frauen über 40 – van Santen spricht von fünf Prozent – zu erhöhen, werden Hormone gespritzt. „Die Prozedur ist zwar unangenehm, steigert die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft aber auf 30 Prozent.“

Ob eine Frau mit einer seiner Samenzellen Mutter geworden ist, erfährt der Spender nicht. Van Santen kann ihm im Gegenzug aber nicht versprechen, dass sein Name für immer verschwiegen bleibt. Die Daten müssen 30 Jahre gespeichert werden. Und das Kind eines Samenspenders hat, sobald es volljährig ist, das Recht zu erfahren, wer sein biologischer Vater ist. So urteilte das Oberlandesgericht Hamm im Februar.

Bei van Santen kann die Mutter außerdem vertraglich festlegen, dass sie in besonderen Fällen Kontakt zum Spender suchen darf – etwa, wenn ihr Kind an Leukämie erkrankt und eine Knochenmark- spende lebensrettend sein könnte. Van Santen übernimmt dann die Rolle des Vermittlers. „Aber allein der Spender entscheidet, ob er will oder nicht.“

Auch Alleinstehende werden bedient

Van Santen gehört zu bundesweit einer Handvoll Ärzten, die auch alleinstehenden Frauen und lesbischen Paaren Sperma zur Verfügung stellen. Die meisten seiner Kollegen lehnen dies ab wegen einer Unschärfe im Gesetzbuch: Kann die Mutter ihr Kind nicht mehr versorgen, weil sie zum Beispiel arbeitslos wird, ist bei heterosexuellen Paaren automatisch der Partner in der Pflicht – bei lesbischen Paaren nicht.

Theoretisch müsste dann also der Samenspender für das Kind geradestehen. Gibt der Arzt dessen Namen aber nicht preis, fiele die Forderung von Alimenten auf ihn selbst zurück. „Ich bin ja schließlich der Erzeuger im vertraglichen Sinn“, sagt Maarten van Santen. Seine Lösung: er verlangt bei lesbischen Paaren und Singlefrauen immer eine notarielle Verpflichtungserklärung, in der die finanzielle Absicherung für das Kind garantiert wird. Freilich profitieren in solchen Fällen nur wohlhabende Wunschmütter oder abgesicherte Beamtinnen von seiner Hilfe.

Die ethischen Anforderungen

Man kann es sehen wie Papst Franziskus, der schon als Kardinal in Buenos Aires einen „anthropologischen Rückschritt“ darin erkannte, homosexuelle Bindungen der Ehe gleichzustellen. Man kann es sehen wie Benedikt XVI., der bei der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie für das Leben im vergangenen Jahr herausarbeitete, dass Methoden der künstlichen Befruchtung nicht den ethischen Anforderungen an die Menschenwürde entsprechen. Der vor einem „Profitstreben im Umgang mit der Unfruchtbarkeit“ warnte und vor einer „Hybris der Vernunft“, die vielerorts dazu führe, dass sich Mediziner zu „Schöpfern“ aufspielen. Der die Wissenschaft eindringlich dazu ermutigte, „die Wahrheitssuche in sich wachzuhalten, sich in den Dienst des authentischen Menschenwohles zu stellen und der Gefahr zu widerstehen, bloß funktionale Praktik zu sein“.

Man kann es auch sehen wie Maarten van Santen, der glaubt, mit seiner Arbeit genau dieses Menschenwohl zu verfolgen. „Warum soll man die medizinischen Möglichkeiten nicht nutzen?“, meint er. „Wenn ein Mensch unfruchtbar war, hieß es früher: Pech gehabt! Ich begrüße es, wenn sich die Gesellschaft jetzt weg von dem christlich-strengen Familienmodell entwickelt und sich nach den Bedürfnissen der heutigen Menschen orientiert.“ Es sei doch letztlich egal, wer das Kind erzeugt. „Was zählt ist, Frauen mit einem großen Kinderwunsch helfen zu können.“ Van Santen arbeitete viele Jahre als Arzt in Tansania und Kenia. Die afrikanische Kultur, sagt er, sei in dieser Frage sehr fortschrittlich: „Wenn es da nicht klappt mit einem Kind, hilft halt der Häuptling aus.“