Zwischen den Haltestellen Wolfbusch und Gerlingen werden Gleisbauarbeiten durchgeführt. Eine Streckenerkundung verdeutlicht, wie viel Planung und Koordination dahinterstecken.

Stuttgart - „Hier – ein gutes Beispiel!“ Alexander Schirling, der Leiter Gleisanlagen bei der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB), bleibt nahe der Haltestelle Wolfbusch stehen. Er zeigt ins Gleisbett, über das sonst die Züge der Linie U 6 in Richtung Giebel und Gerlingen fahren. Die Schwellen sind abgenutzt und verwittert. Das teergetränkte Holz – Eiche oder Buche – bröselt, hat Risse und Löcher. „Nun ist es Sondermüll, Teer ist nicht mehr erlaubt.“ Schirling zeigt einen Nagel, auf dessen Punzierung zu erkennen ist, wann es verlegt wurde. „R 81“, also im Jahr 1981. Holzschwellen würden um die 30 Jahre alt, erläutert er. „Auf die jeweilige Belastung kommt es an.“ Nun werden sie durch Betonschwellen ersetzt. „Die halten etwa 60 Jahre“, nimmt sein Kollege, der SSB-Baubezirksleiter Gregor Hassler, den Faden auf.

 

Bis Freitag bleibt Strecke gesperrt

Die beiden Bauingenieure gehen die Strecke von Wolfbusch bis nach Gerlingen ab, die bis Freitag, 27. August, geschlossen ist: Zwischen der Stadtbahnbrücke über der Engelbergstraße bis zur Breitwiesenstraße in Gerlingen (Kreis Ludwigsburg) wird der Oberbau – das Gleisbett, die Schwellen und die Gleise – erneuert, inklusive Weichen. Haben die beiden Baufirmen, die den Zuschlag bekamen, diese beiden Kilometer abgeschlossen, geht es weiter ab Wolfbusch entlang der Solitudestraße.

„Wir erneuern im Sommer, weil da weniger Verkehr ist, weniger Fahrgäste unterwegs sind“, so Schirling. „Die Zeichen der digitalen Zeit“, setzt er hinzu, auf Löcher zeigend, die drei Meter tief sind und von geriffelten Metalldeckeln mit fast einem Meter Durchmesser abgedeckt sind. „Wir brauchen neue Mastfundamente für mehr Strom.“ Den braucht es angesichts neuer Technik und Stuttgarts so pittoresker wie herausfordernder, steilhügeliger Topografie.

Schrittweise werden Strecken saniert

Die SSB erneuert die Infrastruktur ihres Stadtbahnsystems sukzessive. Das bedeutet Planen und Koordinieren. Die Vorlaufzeit für die aktuelle Maßnahme habe zwei Jahre betragen, sagt Hassler. Dazu gehören neben Ausschreibungen und Materialbestellungen auch das Abstimmen in Ämterrunden, mit dem Tief- und Hochbauamt, dem Garten-, Friedhofs- und Forstamt, dem Amt für Umweltschutz und jenem für öffentliche Ordnung. „Wenn die Straße sowieso schon gesperrt ist, führen wir auch parallele Maßnahmen durch, wie nun im Giebel etwa eine Kanalsanierung“, so Schirling. Aber es gehe auch um die Natur, die Anwohner und den Individualverkehr. Die sollen so wenig wie möglich beeinträchtigt werden, brauchen einen Ersatz für das kurzzeitig ausfallende öffentliche Verkehrsmittel Stadtbahn.

Ersatzbusse im Einsatz

Aktuell fahren daher zwischen den Haltestellen Rastatter Straße und Gerlingen Gelenkbusse. Im Baustellenbereich gibt es nun temporär ein Einbahnstraßensystem sowie einen Einbahnwechselverkehr. Ampeln leiten PKW abwechselnd in die eine und in die andere Richtung. Schließlich braucht es Platz für die Gleisarbeiten, für die Maschinen, Transportfahrzeuge, welche die Schienen herankarren. Bereits im Werk wurden sie auf Schwellen vormontiert und in 15-Meter-Stücke geschnitten. Einige dieser „Joche“ sind im abgesperrten Bereich der Engelbergstraße aufgestapelt, warten darauf, vom Kran eines Zweiwegefahrzeugs, das auf der Straße und der Schiene fahren kann, ins Gleisbett gehoben zu werden.

Auch Schotter wird recycelt

Dort liegt schon eine etwa 30 Zentimeter dicke Schicht aus recyceltem Schotter. Der wurde zuvor herausgebaggert, zwischengelagert, gereinigt, dann vor Ort mit Walze oder Rüttelplatte verdichtet. „Schotter muss greifen, seine Kanten müssen wieder geschärft werden“, erläutert Hassler. Nur so kann er das Gleisbett stabilisieren und die Vibrationen dämpfen. Die Krux: Im Laufe der Zeit mahlen sich die Steine durch die Belastung der Züge aneinander, runden ab, verdrecken. „Recycling spart Ressourcen. Allein hier fallen Tausende Tonnen Schotter an“, sagt Hassler. Dass die Schwellen optimal darin eingebettet sind, dafür sorgt eine Gleisstopfmaschine, die als erste die neuen Schienen befährt. Mit pickelartigen Vibrationsstopfer taucht sie unter die Schwellen, hebt die Gleise an und schiebt den Schotter unter die Schwellen, füllt Lücken aus. Der Koloss, knallgelb mit stattlichem Gewicht von mehr als 45 Tonnen, harrt nahe der Breitwiesenschule seinem Einsatz. Danach wird noch die Schleifmaschine die neuen Schienen abfahren, bevor es die Stadtbahn wieder darf.

Sicherheit steht an erster Stelle

„Infrastrukturerhalt und -erneuerung sind ein laufender Prozess“, erklärt der Gleisanlagenleiter Schirling. „Es geht um Sicherheit als oberstes Gebot. Aber auch um ein besseres Fahrerlebnis und das Eindämmen von Vibration.“ Es könne sein, dass nach der Sanierung erst einmal die Gleise anders „gehört“ würden. Aber habe sich alles gefügt, reduziere sich der Lärm. „Wir sind dankbar, wenn uns Bürgerinnen und Bürger auf ändernde Geräusche der Bahnen hinweisen“, betont Hassler. Der Baubezirksleiter fährt auf verschiedenen Linien, um „zu spüren“, bei welchen Gleisen es hakt, kontrolliert viermal im Jahr sein Streckennetz – zu Fuß. Hassler schmunzelt: „Ich komme locker auf die empfohlenen 10 000 Schritte am Tag!“