VfB gegen KSC, Dortmund-Schalke, HSV-St.Pauli – klar, alles Derbys. Aber was ist eigentlich mit dem Baden-Württemberg-Duell SC Freiburg gegen den VfB Stuttgart: Derby oder nicht?

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Sonntag, Schwarzwaldstadion, SC Freiburg gegen den VfB Stuttgart – Vorhang auf zum Baden-Württemberg-Derby! Stopp, werden Fußball-Puristen einwenden. Freiburg gegen Stuttgart ist kein Derby! Allenfalls ein Duell. Was zu der Frage führt, was das eigentlich ist, ein Derby.

 

Die historische Bedeutung des Begriffs reicht bis ins zwölfte Jahrhundert zurück. Damals zelebrierten die Engländer bereits etwas Fußballähnliches, mit großer Begeisterung hechteten und stauchten die Bewohner des Dorfes Ashbourne einer Kugel hinterher. Ashbourne liegt in der Grafschaft Derbyshire – womit das mit der Begrifflichkeit schon mal geklärt wäre.

Als erstes Fußballderby im heutigen Sinne gilt das Duell im nahe gelegenen Nottingham. 1866 spielten die örtlichen Clubs Forest und Notts County um den Titel des Stadtbesten. Dass dabei bürgerliche Ober (Notts County)- auf proletarische Unterschicht (Forest) traf, trug maßgeblich zur Legendenbildung bei.

Wie so Vieles aus der Welt des Fußballs schwappte auch die Begeisterung für örtliche Revierkämpfe irgendwann von England auf auf Deutschland über. Das fränkische Kräftemessen der Nachbarstädte Fürth und Nürnberg gilt hierzulande als die Mutter aller Derbys, gefolgt vom Münchner Stadtduell zwischen dem FC Bayern und dem TSV 1860. Wohl niemand käme auf die Idee, hier am Derbybegriff zu rütteln, genauso wenig wie beim Ruhrpottklassiker Dortmund gegen Schalke.

Einiges spricht für ein Derby – aber nicht alles

Was Eines zeigt: Ein Derby ist nicht (mehr) zwingend eine reine Stadtmeisterschaft. Was daran liegt, dass die einstigen Lieblingsfeine vom anderen Flussufer oftmals keine Konkurrenz mehr darstellen. Siehe Münchner Löwen, siehe Stuttgarter Kickers. Unbestritten dürfte sein, dass die inflationäre Verwendung das Derby entwertet hat. Bayern gegen den HSV mag zwar ein Klassiker der Bundesliga sein, ein Nord-Süd-Derby ist es ganz sicher nicht. Auch die Paarung Aalen-Heidenheim elektrisiert nicht mehr, nur weil sie mal zum B-19-Derby ausgerufen wurde.

Die Internetseite footballderbies.com unterscheidet zwischen Stadtduellen, regionalen Duellen und gewachsenen Rivalitäten (wie etwa zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona). Ist eine dieser Anforderungen erfüllt, wird auch dem Begriff Derby genüge getan.

Und wie verhält es sich nun mit dem Baden-Württemberg-Duell? Per Definition spricht viel für ein Derby: Badener gegen Schwaben, Klein gegen Groß, beide Städte nur durch den Schwarzwald getrennt, eine gewisse Tradition (34 Bundesliga-Duelle immerhin). Für den VfB-Kapitän ist es aber „nicht entscheidend, wie man das Spiel nennt. Die Spiele in Freiburg sind immer besonders intensiv und umkämpft, die Stimmung im Stadion ist sehr emotional“, sieht Christian Gentner die Derby-Frage pragmatisch. Für Freiburgs Jérôme Gondorf ist das Aufeinandertreffen am Sonntag (18 Uhr) auf alle Fälle mehr als ein normales Bundesligaspiel: „Das ist ganz sicher ein Derby, da steckt ordentlich Brisanz drin. Ich hoffe auf heiße Fan-Fangesänge,“ meint der frühere Kickers-Profi.

Freiburgs historisches erstes Spiel in Stuttgart

Es ist wohl unstrittig, dass die Paarung für die Freiburger mehr Derby-Charakter enthält als für die Gäste. Die Symbadischen gegen die Sauschwoaba. Im Südwest-Zipfel der Republik klappen sie die Mottenkiste immer noch gerne auf, wenn es um Fußball geht. Weniger zwar als im Epizentrum der Schwaben-Antipathie, in Karlsruhe, aber doch ausgeprägter als in der Landeshauptstadt, wo die Abneigung des KSC zur festen Folklore zählt, der Sportclub aus Freiburg bei den meisten aber kaum mehr Emotionen hervorruft als Mainz, Augsburg oder Hannover. „Wir Badener“, hat der Schriftsteller Harald Hurst festgestellt, „brauchen die Schwaben, denn nur durch sie können wir uns perfekt definieren: Wir sind nicht so wie die.“ Was den Schwaben und damit auch den geneigten VfB-Fan eher wenig tangiert, getreu dem Motto: Was juckt’s den Mond, wenn ihn der Hund anbellt?

Die unterschiedliche Bedeutungsschwere des Spiels hat auch sportliche Gründe. Aus VfB-Sicht war keines der Aufeinandertreffen von historischer Bedeutung. Für die Freiburger Fußballfreunde hat sich das erste Auswärtsspiel der Bundesliga-Geschichte hingegen fest ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. 1994 gewann der SC in Stuttgart mit 4:0 – ein Meilenstein auf dem Weg zum Klassenverbleib.

Also, wie jetzt? Duell? Derby? Derby light? „Ein Derby“, hat der frühere schottische Nationalspieler John Collins einmal gesagt, „ist etwas völlig Einzigartiges. Die Zuschauer gehen aus sich heraus, plötzlich spürst du dieses warme Gefühl der Zuversicht durch deine Adern fließen.“ Das mag etwas pathetisch klingen. Wenn derlei Emotionen am Sonntag aber in ein packendes Match münden, sind wohl alle zufrieden. Derby hin oder her.