Der Schachverein Leonberg hat in diesem Jahr sein 40-jähriges Bestehen gefeiert.

Leonberg - Wenn Jubiläen gefeiert werden, ist das immer auch ein Grund inne zu halten und zurück zu blicken. „Wir hatten eine kleine Feier in der Kraxl Alm in Rutesheim, bei der 35 unserer 42 Mitglieder dabei waren“, sagt der Vorsitzende des 1978 im Eltinger Hof auf Initiative des Schachkreises Stuttgart-West gegründeten Schachvereins Leonberg, Martin Berger. Ihm und seinen Vereinskollegen geht es aber vielmehr darum, das Schachspiel in möglichst vielen gesellschaftlichen Bereichen in der Stadt anzubieten und unterschiedliche Gruppen zu vernetzen.

 

Die Vereinsmitglieder treffen sich jeden Freitag um 19 Uhr im Eltinger Rathaus in der Carl-Schmincke-Straße. Interessenten, egal ob sie zum Spaß spielen oder an Einzel- oder Mannschaftsturnieren teilnehmen wollen, sind jederzeit – auch in den Schulferien – willkommen und können sich mit Spielpartnern unterschiedlichster Stärke messen. „Im November haben wir mit großem Interesse die Duelle um die Schach-Weltmeisterschaft zwischen Magnus Carlsen und Fabiano Caruana verfolgt“, berichtet Berger. Über den Sieg des Norwegers im Tiebreak besonders gefreut hat sich dabei Vereinsmitglied Ulrich Scheibe, der mit einer Norwegerin verheiratet ist und in Carlsens Heimatort Tønsberg wohnt.

Schachgruppen an zwei Schulen

Montags und donnerstags zwischen 13 und 17 Uhr bietet der Club Schach-Nachmittage im Bürgerzentrum an, die vor allem von Älteren besucht werden. An jüngere Mitglieder richten sich die Schachgruppen am Johannes-Kepler-Gymnasium und an der Mörike-Grundschule, wo Schach im Rahmen der Hector-Kinderakademie angeboten wird. Martin Berger betreut zudem noch 15 bis 20 Nachwuchstalente an der Römerschule in Stuttgart-Süd.

Jeden zweiten und vierten Freitag im Monat wird im Inklusionscafé B 21 Schach gespielt. „Zwischen zwei und acht Hobbyspieler mit leichter geistiger Behinderung nehmen unser Angebot wahr und lernen ganz nebenbei logisches Denken und den Umgang mit Niederlagen“, erläutert Martin Berger. Zwei Schachfreunde mit Behinderung sind Mitglieder in einer der drei Vereinsmannschaften.

Die erste Mannschaft spielt in der Bezirksliga, die zweite und dritte sind in der A- beziehungsweise B-Klasse aktiv. „Unsere erste Mannschaft ist oft zwischen Bezirks- und Landesliga hin- und hergependelt“, sagt Berger. Zwei Spielzeiten hielt sich das Team sogar in der Verbandsliga.

Spiel für Kinder, Online-Turnier und chinesische Variante

Die Mitgliederzahl des Vereins bewegt sich seit Jahren konstant zwischen 40 und 50. Von den derzeit 42 Mitgliedern ist der jüngste sieben, der älteste 87 Jahre alt. „Wir haben viele unter 20 Jahren und viele über 50, aber dazwischen klafft ein großes Loch“, sieht Berger Parallelen zu anderen Sportvereinen.

Um vor allem Kinder für das königliche Spiel zu begeistern, hat sich Martin Berger einiges einfallen lassen: Unter anderem hat er das Spiel „Schach-Schlamassel“ entwickelt, mit dem der Nachwuchs die Züge der einzelnen Figuren schneller lernen kann. „Es ist eine Mischung aus Schach und ,Mensch ärgere dich nicht‘“, verrät der studierte Datenwissenschaftler.

Online-Spiel hat Vorteile

Neue Vereinsmitglieder erhofft sich der 52-Jährige auch über die Online-Turniere zu gewinnen, die der SV Leonberg alle zwei Wochen mithilfe des so genannten Lichess-Servers ausrichtet. Bisher nehmen überwiegend Vereinsmitglieder und Bekannte teil. Das soll im neuen Jahr offener gestaltet werden. Schließlich spielen deutlich mehr Menschen Schach, als in den Vereinen organisiert sind. „Wenn man über das Internet Schach spielt, kann man sich seinen Gegner aussuchen und zu jeder Zeit spielen“, weiß Martin Berger um die Vorteile des Online-Spiels.

Und noch eine Besonderheit gibt es im Leonberger Schachverein: Hier wird nicht nur die bekannte Variante des strategischen Brettspiels verfolgt, sondern auch die chinesische Form Xiangqi. Die Unterschiede: es gibt auf beiden Seiten einen Palast und einen Fluss, als Spielfiguren dienen unter anderem Kanone und Elefant. „Leonberg ist einer der wenigen Orte in Deutschland, in denen jedes Jahr ein Xiangqi-Turnier ausgerichtet wird“, sagt Berger. Die direkte Qualifikation zur Deutschen Meisterschaft ist hier möglich.

Dem Schachverein Leonberg scheinen auch in den nächsten 40 Jahren die Ideen nicht auszugehen.

Schach mitten im Leben

Sprache
Der Schachverein Leonberg will das königliche Spiel auch deshalb in Leonberg möglichst bekannt machen, da es weite Teile der Gesellschaft bereits erfasst hat. Auch Nicht-Schachspieler verwenden unbewusst zahlreiche Begriffe, die ihren Ursprung im Schach haben: Jemand wird „in Schach gehalten“, „Minister XY ist ein Bauernopfer“, „Im Aufsichtsrat gab es eine Rochade“ oder „Es liegt eine Pattsituation vor“.

Literatur Das bekannteste Buch über Schach in Deutschland dürfte Stefan Zweigs „Schachnovelle“ sein. International ist vor allem „Lushins Verteidigung“ von Vladimir Nabokov vielen Lesern ein Begriff. Auch ins Krimi-Genre hat das königliche Spiel immer wieder Einzug gehalten, so zum Beispiel im Buch „Gambit“ des amerikanischen Schriftstellers Rex Stout. Bei den Gute-Nacht-Geschichten im Pomeranzengarten hat Martin Berger seine Zuhörer im August mit der Kurzgeschichte „Lebendes Schach“ des polnischen Autors Slawomir Mrozek überrascht, bei der die Figuren auf dem Spielfeld ein Eigenleben entwickeln.

Film Unter den zahlreichen Filmen über das königliche Spiel ragt „Bauernopfer – Spiel der Könige“ heraus, bei dem das Duell der Superhirne Bobby Fischer und Boris Spasski nacherzählt wird. Bernhard Wicki hat dem Schachspiel mit der „Grünstein-Variante“ ebenfalls ein filmisches Denkmal gesetzt. Relativ neu sind die Filme „Königin von Katwe“ über den Aufstieg eines Mädchens aus den Slums von Uganda zur Schachmeisterin und „Das Talent des Genesis Potini“ über den neuseeländischen Schnellschachspieler gleichen Namens.