Der US-Boy Fabiano Caruana wird im November den norwegischen Schachweltmeister Magnus Carlson herausfordern – als Außenseiter, aber mit Chancen. Der 25-Jährige wäre der erste Weltmeister aus den USA seit Bobby Fischer 1972.

Berlin - Der Glückwunsch kam prompt. In einer fairen Geste erwies Schachweltmeister Magnus Carlsen seinem nun feststehenden Herausforderer umgehend Respekt. Kaum stand der 25-jährige Amerikaner Fabiano Caruana am Mittwochabend als Sieger des Berliner Kandidatenturniers fest, twitterte der Norweger: „Als Schachfan hat es großen Spaß gemacht, das Turnier zu verfolgen. Glückwunsch an Caruana für einen völlig verdienten Erfolg – und viel Glück im November.“ Dann nämlich werden sich die beiden Kontrahenten im Kampf um die Schachkrone in London in einem Match auf zwölf Partien gegenübersitzen.

 

Die ersten kleinen verbalen Pfeile fliegen

Viel Glück im November – versteckt sich dahinter die Botschaft: „Das wirst Du auch brauchen“? So hat das der selbstbewusste Champ durchaus nicht gemeint. Aber die ersten kleinen verbalen Pfeile fliegen durchaus schon. Wie sich Carlsen denn nun wohl fühlen wird, wurde Caruana gefragt. Der US-Boy war um die Antwort nicht verlegen: „Ein bisschen besorgt wird er vielleicht schon sein“, sagte Caruana. Obwohl der eher schüchterne Schach-Profi, dessen Großeltern in die USA ausgewandert waren, gewiss nicht zur Großmäuligkeit neigt.

Vielleicht war eher in der Art, wie er seinen Triumph in der Berliner Schlussrunde sicherstellte, eine versteckte Nachricht an Carlsen enthalten. Nach einem für alle Spieler zermürbenden Turnier, nach einem Verlauf, der Caruana in der drittletzten Runde eine bittere Niederlage bescherte und damit seine Siegchancen drastisch minderte – nach all den Nervenschlachten hatte er in der sechsten Stunde der Partie den Turniersieg fast sicher. In einer überlegenen Stellung hätte er seinem Gegner Alexander Grischuk ein Unentschieden anbieten können – der hätte nicht abgelehnt. Der halbe Punkt hätte Caruana gereicht. Der aber spielte ungerührt weiter. Das brachte ihm zwar den Sieg, aber zuvor auch das Risiko, durch einen Patzer den größten Erfolg seiner Karriere noch wegzuwerfen. Diese eiserne mentale Stärke kennt man sonst eben nur von Carlsen, der jede Stellung gnadenlos ausspielt. Die Botschaft des Herausforderers: Das kann ich auch.

Caruanas Erfolg kommt überraschend

Sein Erfolg durfte nicht erwartet werden, denn Caruana kam nicht auf dem Zenit seines Könnens nach Berlin. Sein Glanz-und-Glamour-Jahr war eigentlich 2014. Damals landete er beim Sinquefield Cup in St. Louis unfassbare drei Punkte vor dem Weltmeister, startete das Turnier mit sieben Siegen in Folge – eine der stärksten Leistungen der Schachgeschichte.

Seine solide Schachausbildung erhielt der Amerikaner in Europa. Er lebte drei Jahre in Ungarn, erzielte 2007 dort seine erste Großmeisternorm und spielte mehrere Jahre für die italienische Nationalmannschaft. Caruana hat beide Staatsbürgerschaften. Er war übrigens auch in der Bundesliga für Baden-Baden im Einsatz, zuletzt in der Saison 2016/17.

Vom millionenschweren Mäzen gefördert

Zurück in den Staaten erhielt er unter anderen eine Förderung durch den schachbegeisterten millionenschweren Mäzen Rex Sinquefield, der seine Heimatstadt St. Louis zu einem Mekka des US-Schachs gemacht hat. Seinen Bemühungen ist es nicht zuletzt zu verdanken, dass die USA zu einer Weltmacht des Schachs aufgestiegen sind. Caruana saß am Spitzenbrett der US-Nationalmannschaft, die 2016 Gold bei der Schacholympiade errungen hat. Nach dem Triumph beim Sinquefield Cup 2014 konnte er lange nicht an die Erfolge anknüpfen. Nun ist er zurück. Gegen Carlsen ist er Außenseiter, aber chancenlos ist er sicher nicht. Seine Bilanz weist bei neun Niederlagen fünf Siege auf. 17-mal trennten sich die beiden remis. Im Falle eines Sieges hätten die USA nach 46 Jahren wieder einen Schach-Weltmeister (damals Bobby Fischer, 1972)

Einen Hauch von WM-Atmosphäre können die Schachfreunde im Südwesten übrigens schon über Ostern genießen. Caruana und Carlsen treffen bei den „ Grenke Classics“ aufeinander. Das Spitzenturnier beginnt am Samstag in der Schwarzwaldhalle in Karlsruhe, ab Mittwoch geht es im Kulturhaus Baden-Baden weiter.