Der Eltinger Schäfer Reinhold Weiß hat beim Rappeberg einen „Lämmchenkindergarten“ eingerichtet.

Leonberg - Mäh, mäh, mäh, mäh – lasst uns schnell zum Zaun laufen, denn es stehen schon wieder ein paar dieser komischen zweibeinigen Wesen dahinter! Wie sie neugierig gucken und was für merkwürdige Laute sie von sich geben, dabei ist doch mit einem kräftigen Mah, wie das der Mutter, alles Wichtige gesagt.

 

Huch, da streckt doch einer dieser Zweibeiner seine Hand durch den Zaun! Ob der wohl weiß, dass eine Berührung des Drahtes richtig unangenehm werden kann? Na ja, wir müssen sowieso zurück, die Mutter hat ganz aufgeregt gerufen, und bestimmt gibt es wieder leckere Milch. Lasst uns noch ein Wettrennen mit hohen Sprüngen machen, dann können wir uns ein wenig im Schatten ausstrecken.“

Viele Mehrlingsgeburten

Was so alles wohl im Kopf eines kleinen Lämmchens so vorgehen mag? „Da faulenzen sie nun die vier Racker“, freut sich jedenfalls Reinhold Weiß. Der Eltinger Schäfer sieht zufrieden auf das Quartett. Gleich zwei Muttertiere haben in diesem Frühjahr Vierlinge bekommen. Mehrere haben drei Lämmchen. „Wie viele zwei Lämmchen haben, weiß ich auf die Schnelle nicht“, sagt der 63-Jährige.

Wie kommt es zu Mehrlingsgeburten? „Das hängt vom Nahrungsangebot während der Deckzeit ab, ist reichlich Gras vorhanden, wie im Herbst nach der Sommerdürre, dann werden die Schafe häufiger mit mehren Lämmern trächtig“, weiß der Fachmann aus langjähriger Erfahrung. Gegenwärtig hat er auf den Wiesen am Fuße des Rappenberg eine große Kinderstube eingerichtet. Hier kommen die Mutterschafe mit den kleinen Lämmer an die frische Luft. Etwas mehr als 200 Muttertiere sind schon hier, und mehr als 250 Lämmchen tollen in der Gegend um die Wette. „Jetzt kommen noch die Nachzügler dazu, in etwa zwei Wochen werden auch die letzten Lämmchen dieser Saison das Licht der Welt erblickt haben“, erklärt der Schäfer den Verlauf des Lebenszyklus.

„Hoffentlich haben wir nicht wieder so einen extremen Sommer wie 2019, dann haben es die Kleinen nämlich schwer, erwachsen zu werden“, schildert der Eltinger Schäfer die Nöte eines Berufsstandes, der sehr stark vom Wetter abhängig ist. Das Handwerk hat Reinhold Weiß seinerzeit an der Berufsschule in Ludwigsburg gelernt – er ist sowohl Tierwirt als auch Landwirt („Etwas Grünfutter für die Schafe erzeugen wir auch selbst“).

Wenn die Saison startet, zieht Reinhold Weiß mit einer Herde von etwa 400 Tieren durch die Gegend, wie schon seit mehr als 40 Jahren. „Das ist keine große Herde, noch gut überschaubar und auch für meine gut ausgebildeten vier Altdeutschen Hütehunde leicht zu schaffen“, erzählt der Vater von vier Kindern.

„Bienen und Schaf’ bringen das Geld im Schlaf“ – stimmt diese alte Volksweisheit noch? Reinhold Weiß lacht und mit seiner sprichwörtlichen Gelassenheit, die dieser Beruf wohl mit sich bringt, meint er: „Es reicht, aber reich wird man davon nicht.“ Eine Nachfrage nach Lammfleisch bestehe. Weiß liefert seine Tiere an ein Schlachthaus. „Eine den EU-Richtlinien entsprechende eigene Schlachterei einzurichten, lohnt sich bei der Größe meiner Herde nicht“, rechnet er vor.

Die Wolle kaufen zwar Händler auf, doch der Preis sei gering. „Geschoren werden müssen die Tiere zu ihrer eigenen Gesundheit“, sagt er. Und ergänzt: „Damit sie im Juni während der Schafskälte ein bisschen frieren können.“ Damit die Herde von beidem etwas liefert, sind die meisten Schafe eine Kreuzung zwischen dem Merino-Wollschaf und Fleischrassen.

Wichtige Landschaftspfleger

Doch die wichtigste Aufgabe der Herde und die beste Einnahmequelle des Schäfers ist die Pflege der Naturschutzgebiete. Reinhold Weiß’ Schafe tun das unter andrem auf der Gerlinger Heide und auf dem Venusberg bei Aidlingen. „Dieses ist keine Subvention – das ist Lohn für richtige Arbeit“, räumt Reinhold Weiß mit Vorurteilen auf. „Wir halten die Kulturlandschaft offen. Nebenbei erhält das auch die Vielfalt der Pflanzenarten: Den Kräutersamen, den die Schafe fressen, lassen sie dann an anderer Stelle wieder fallen.“

Inzwischen sind die Vierlinge aus ihrem Dösen erwacht und nähern sich vertrauensvoll dem Schäfer und schnuppern an seiner Hand. Der lässt seinen Kennerblick über sie schweifen. „Die sind gut gewachsen, und mein Gefühl sagt mir, dass sie sich bewähren werden.“ Das heißt im Klartext, dass sie zu den jährlich rund 20 Prozent der Lämmer gehören, die bei der Herde aufwachsen dürfen, um deren Bestand aufzufrischen.