Offiziell hat es am Premierenabend des Friedrichsbau Varietés in Stuttgart an neuer Spielstätte jede Menge Lob gegeben. Wer sich unter dem Publikum umhörte, bekam aber auch leise Kritik zu hören.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - The Show must go on! So hat es die Stadt beschlossen, die das Fried-richsbau Varieté mit Zuschüssen, Darlehen und Bürgschaft kräftig fördert – also hat die Show auch gut zu sein. Und so verwundert es kaum, dass die angerückten Offiziellen – gleich drei Bürgermeister und noch mehr Stadträte – bei der Premiere der neuen Spielstätte am Pragsattel echte Begeisterung zeigen. Stuttgarts Erster Bürgermeister Michael Föll spricht von „toller Unterhaltung“ und sagt: „Ein neuer Anfang ist immer auch eine große Chance.“ Seine für Kultur zuständige Bürgermeisterkollegin Susanne Eisenmann stimmt mit ein: „Ambiente stimmt, Programm stimmt“ – und betont die „kulturpolitische Berechtigung“ eines Varietés: „Ohne dies wäre die Stadt deutlich ärmer.“

 

Ähnlich hat das OB Fritz Kuhn in seiner Begrüßung auf der Bühne getan. Am Tisch in der Pause sagt er auch etwas weniger offiziell: „Ich bin mir sicher, das wird ein Publikumsmagnet.“ Er ist vor allem angetan von der Geschwindigkeit des Jongleurs Valentino, seine Frau Waltraud Ulshöfer von der Bühnenpräsenz der Sängerin Dacia Bridges, deren Stimme allerdings an ihre Grenzen stößt. „Man findet immer etwas, das früher gut war“, versucht Ulshöfer mit Blick auf „eine neue Qualität“ der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Das Essen wird von allen Seiten gelobt

Denn inoffizielle Kritik, die gibt es. Etwa, dass die Atmosphäre im Fertigbau zwischen dem Bankettsaal einer Stadthalle und dem Bierzelt in der Provinz schwanke. Die Sitzrichtung ist für Freunde der Friedrichsbau-Rotunde gewöhnungsbedürftig bis genickstarrenverdächtig, weil die Tische längs auf die Bühne zulaufen. Da aber die Reihen quer eingeteilt sind, kommt es zu heiteren Szenen bei der Platzsuche – auch für den Service. Der Grünen-Stadtrat Andreas Winter freut sich, dass Speisen seinen Tisch erreichen, die er gar nicht bestellt hat, und sieht viel Potenzial für „eine tolle Event-Location“, denn: „So eine Saalgröße gibt es nicht oft in der Stadt.“ Das Essen, so hört man von verschiedenen Seiten, scheint aber auch wirklich lecker zu sein: der mediterrane Tapas-Teller, der Caesar Salat, die Variation vom Bachsaibling oder das Wiener Schnitzel vom Bio-Kalb mit lauwarmen Kartoffelsalat. Ob es vielleicht sogar besser als im Palazzo ist, müsste man in Ruhe überprüfen, die es beim Premierenabend nicht gab.

Für den SPD-Stadtrat Hans Pfeifer und den Varieté-Geschäftsführer Timo Steinhauer lautet das vorläufige Fazit: „An einigen Schrauben muss noch gedreht werden.“ – „Und wir wissen jetzt, an welchen.“ Dazu gehöre eine Bestuhlung mit nur 300 statt 350 Plätzen, die mehr Sitzfreiheit mit sich bringe. Und: „Die große Bühne muss auch gefüllt werden“, fordert Pfeifer, womit er vielleicht auch Ray Martin als Elvis kritisiert. Steinhauer jedenfalls begründet den nüchternen Rahmen der Nummernrevue mit der Bauverzögerung, die nur zweieinhalb Tage Proben zugelassen habe.

An die neue Sitzordnung muss man sich gewöhnen

„Jetzt schlafe ich erst mal wieder“, ist das Fazit der Geschäftsführerin Gabriele Frenzel, die bereits das Varieté im Fried-richsbau eröffnet hatte. Eine Stunde nach Showschluss aber ist immer noch Leben im Saal, derweil sich nebenan das Theaterhaus schon im Chill-out-Modus befindet. Dort hatte Thomas Fröschle alias Topas mit seiner neuen Illusionsshow Premiere, in der auch noch nicht alles rund gelaufen sei, weil er ein neues Technikteam habe.

Topas kennt das alte Varieté aus Bühnenperspektive und wird auch im neuen zu Gast sein. Vielleicht, so stellen wir gemeinsam fest, wird man sich von der Rotunde entwöhnen, wie man im Renitenztheater beim Umzug mit der Zeit gehen musste. Dessen alte Spielstätte fanden die einen schön kuschelig, die anderen schrecklich piefig. Oder muss jetzt noch Karl Valentin zitiert werden, der im allersten Friedrichsbau auftrat? Bitteschön! Der sagte einst: „Die Zukunft war früher auch besser.“