Wer im Jahr 2016 heiratet, tut das aus Überzeugung und lässt seine eigenen Vorlieben voll zur Geltung kommen. Herkömmliche Feiern haben weitgehend ausgedient.

Stuttgart - Nie war die Auswahl größer, nie die Entscheidung schwerer, wenn es um das richtige Hochzeitsoutfit geht. Arif und Nihal Saridemir wissen das. Seit acht Jahren führen sie das Brautmodengeschäft Da Vinci (ehemals Brautmoden Horn) in der Königstraße schräg gegenüber vom Schlossplatz. Mit ihrer Stilberatung erleichtern die beiden den Kunden die Entscheidung. Vor allem Männer bauen darauf. Denn die seien oft recht planlos, wenn sie das Geschäft betreten. „Viele Männer gehen auf Nummer sicher beim Kauf, wollen einfach einen gut sitzenden Standardanzug“, weiß Nihal Saridemir. Ein Problem ist das, wenn die Frau besonders glamourös auftritt.

 

Andererseits beobachtet Arif Saridemir ein wachsendes Modebewusstsein bei den Herren. Instagram, Pinterest und andere Foto-Online-Dienste machen Trends schnell populär. „Man will sich absetzen, anders, einzigartig sein“, sagt er. Und flexibel: So tragen Männer mittags im Standesamt noch eine Weste unterm Sakko, abends schnallen sie sich Hosenträger an. Auch Fliegen sind schwer im Kommen. „Viele Männer wollen elegant, gleichzeitig sportlich aussehen“, sagt Arif Saridemir. Diesem Wunsch trägt er mit einer eigenen Kreation Rechnung: Der „Semi-Smoking“ kombiniert den Schalkragen des Smoking mit der Länge eines normalen Sakkos.

Die Farbe Schwarz verliert an Boden

Als gelernter Schneidermeister hat der 38-Jährige jahrelang an der Londoner Savile Row gearbeitet, dem Mekka für britische Maßanzüge. Den Wünschen seiner Kunden entspricht er, auch wenn sie ausgefallen sind. Wer aber nach seiner Meinung fragt, bekommt eine ehrliche Antwort. „Wenn ein kleiner Mann einen Gehrock tragen will, rate ich ihm, sich das zu überlegen“, sagt er. Für einen von ihm designten Maßanzug mit Hemd, Weste, Krawatte und Fliege zahlt Mann 1000 Euro. Welche Farben angesagt sind? „Blau liegt unverändert im Trend“, so Saridemir. Fürs kommende Jahr sieht er Anthrazit im Kommen, Schwarz dagegen verliere an Boden.

Und die Braut? „Von superklassisch bis royal oder elfenhaft fragen die Kundinnen alles nach“, sagt Nihal Saridemir. Im Trend lägen Vintagekleider und leichte Seidenroben mit Spitzen. „Haarkränze sind im Kommen, alles soll leger aussehen“, weiß die Geschäftsfrau. Und sexy soll es sein: „Vermehrt sind knallenge Kleider mit tief ausgeschnittenem Rücken gefragt.“ Konservative Kleider mit bedeckten Schultern gehörten der Vergangenheit an. Das Gleiche gelte für wallende Prinzessinnen-Kleider. Wenn überhaupt fragten südländische Frauen danach, so Saridemir. „Die typische deutsche Braut bevorzugt das Schlichte, Unkomplizierte.“

Auf eins kann sich die Inhaberin verlassen: „80 Prozent der Frauen gehen mit einem Kleid aus dem Laden, das ganz anders aussieht als dasjenige, das sie sich vorgestellt hatten.“ Und das, obwohl die Frauen exakte Vorstellungen davon haben, was sie wollen. „Viele kommen mit Ordnern unterm Arm reinmarschiert, in denen sich Fotos ihrer Wunschkleider befinden“, so die 37-Jährige. Doch Wunsch und Realität klaffen oft auseinander. „Wenn die Frauen in das vermeintliche Traumkleid hineinschlüpfen, merken sie oft, dass es gar nicht unbedingt zu ihrem Typ passt“, sagt sie.

16 000 Euro für ein Kleid

Die finanzielle Schmerzgrenze liege bei den meisten Bräuten bei 2000 Euro. So kosten die meisten Kleider bei Da Vinci zwischen 1000 und 2000 Euro – ein Drittel davon entwirft die Inhaberin selbst. Am unteren Ende der Preisliste geht es bei 800 Euro los; für ein mit Swarovski-Kristallen besetztes Kleid der amerikanischen Modedesignerin Vera Wang legen die Damen schon mal 16 000 Euro auf die Theke.

Großzügig sind Brautpaare, wenn es ums leibliche Wohl ihrer Gäste geht. „Die Qualität des Essens spielt eine immer größere Rolle“, sagt Miriam Kaltenbach. Seit drei Jahren ist sie Hochzeitsplanerin. Der Trend zu Bio-Lebensmitteln aus der Region habe auch den Hochzeitsmarkt erfasst, unabhängig vom Klientel. Bestes Beispiel dafür ist die Eselsmühle in Musberg. Der Demeterhof mit angeschlossenem Restaurant, Café und Kaufladen ist Hochzeitslocation und Streichelzoo in einem. Wer hier feiern will, wartet gut und gerne eineinhalb Jahre auf einen Termin. Auch Scheunen und Weingüter lägen im Trend, so Miriam Kaltenbach.

Die Hochzeitsplanerin geht ausführlich auf die Vorstellungen ihrer Klienten ein, bevor sie mit den Planungen beginnt. Immer häufiger stellt sie fest: Die klassische Hochzeit ist out. Das gilt für Diavorträge des Schwiegervaters, für die steife Abfolge der Ereignisse (erst Standesamt, dann Kirche, dann Kaffee und Kuchen), vor allem aber für lustig gemeinte Hochzeitsspiele. „Fast niemand wünscht sich das mehr“, so Kaltenbach. Deshalb bitte sie die Gäste bereits in der Einladung, davon abzusehen. Diese seien meist erleichtert, das zu hören. Denn bei vielen schwirre noch die Befürchtung im Hinterkopf: „Oh Gott, Hochzeit, da muss ich mir ja ein Spiel überlegen!“ Stattdessen legten die Paare Wert auf gute Unterhaltung und ungezwungene Geselligkeit mit Freunden und Familie.