Theaterknüller und Mitmachtheater: wie der neue Intendant Axel Preuß das Publikum im Alten Schauspielhaus und in der Komödie im Marquardt in Stuttgart unterhalten will.

Stuttgart - Kaum da und schon die halbe Stadt umarmt: Man darf sich Axel Preuß (55) als einen der glücklichsten Menschen in Stuttgart vorstellen, zumindest an diesem Vormittag. Kaiserwetter – und ein Spielplan wie gemacht, um die ohnehin guten Auslastungszahlen des Hauses noch einmal zu steigern.

 

Außerdem kommt er bei diesem ersten Auftritt am Mittwoch als künftiger Hausherr im Alten Schauspielhaus aus dem fröhlichen Grüßen neuer Kooperationspartner und alter Bekannter gar nicht mehr heraus. Hermann Beil, einst Dramaturg unter Claus Peymanns Stuttgarter Intendanz, wird bei vier Matineen pro Saison „Der poetische Sonntag“ über literarische Stoffe sprechen – mit Spielszenen auch von Martin Schwab, der zurzeit den Lear im gleichnamigen Shakespeare-Stück im Schauspielhaus spielt. Susanne Heydenreich, Schauspielerin und Intendantin des Theaters der Altstadt, verkörpert die Mutter in Tennessee Williams’ „Katze auf dem heißen Blechdach“.

„Der Räuber Hotzenplotz“ von Otfried Preußler

Und der Publikumsliebling Andreas Klaue verneigt sich vor den Gästen der Spielplankonferenz gestiefelt und mit Hut samt Federbüschel als Räuber Hotzenplotz. So tritt er auch im Landesmuseum. Das Familienstück wird parallel zu einer Mitmachausstellung gezeigt. „Kindertheater ist uns so wichtig wie Theater für Erwachsene“, sagt Preuß, „deshalb haben wir für das Werk von Otfried Preußler nur die besten Schauspieler verpflichtet.“

Es gibt zudem ein Wiedersehen mit Preuß’ Vorvorgänger. Carl Philip von Maldeghem inszeniert Shakespeares Komödie „Wie es euch gefällt“. Wie es schon Maldeghem und der aktuelle, nach Trier wechselnde Intendant Manfred Langner gehalten haben, feiert zur Weihnachtszeit ein Musical Premiere: „Hair“, entstanden vor fünfzig Jahren. Boris Ritter (Piano) und Clemens Rynkowski wird die musikalische Leitung übernehmen. Auch er stellte sich schon am Mittwoch vor und spielte schon mal einen Hit aus „Hair“ auf einem psychedelisch sirrenden elektronischen Muskinstrument namens Theremin – begleitet von Boris Ritter am Piano.

Die 68er stehen auch in der Komödie im Marquardt im Zentrum. In dem dramatisierten Kinoknüller „Wir sind die Neuen“ treffen Alt-68er auf junge, spießige Leute von heute. Hier tritt ein TV-Star auf – Papa Beimer aus der „Lindenstraße“. Das war’s aber mit der Fernsehprominenz. Preuß: „Wir haben Joachim Luger nicht engagiert, weil man ihn aus dem Fernsehen kennt, sondern weil er ein richtig guter Schauspieler ist.“

Ein Krimi von Ferdinand von Schirach

Unterhaltsam soll das Programm sein, ja, aber auch qualitätvoll, betont der neue Intendant. Und „niedrigschwellig“ will man sich geben. Sprich, mehr Zuschauergespräche, Premierenmatineen. Stücke in kleiner Besetzung, die man für eine Veranstaltung „buchen“ kann, ein mehrmonatiges Mitmach-Theater-Projekt für Stuttgarter Bürger. Denn Preuß kommt zwar vom subventionierten Staatstheater, wo man sich Experimente leisten kann, die nicht das Haus füllen. Sein Spielplan aber liest sich, als wolle er den Beweis antreten, dass diesbezüglich nichts zu fürchten ist.

Auftakt mit Schillers „Maria Stuart“

Lächelnd präsentiert der gebürtige Hamburger einen Hit nach dem anderen: einen Ohnsorgtheater-Klassiker auf Schwäbisch; einen Krimi vom Bestsellerautor Ferdinand von Schirach. Dies ist eine Zusammenarbeit mit Eva Hosemann, der Ex-Rampe-Theaterchefin und Co-Leiterin der Stuttgarter Kriminächte. Außerdem Yasmina Rezas Welterfolg „Der Gott des Gemetzels“ und „Willkommen“ von Lutz Hübner, einem der meistgespielten Gegenwartsautoren. Und zum Auftakt mit „Maria Stuart“ eine Verbeugung vor dem berühmtesten aller schwäbischen Dramatiker: Friedrich Schiller.

Uraufführungen junger Autoren fehlen, das wundert etwas. Immerhin hat Preuß den Heidelberger Stückemarkt für junge Dramatiker geleitet. „Mir geht es darum, gute Stücke mit tollen Schauspielern zu zeigen, die die Kraft haben, große Häuser wie unsere zu füllen“, sagt er. „Es gibt wenige Stücke junger Dramatiker, die sich dafür eignen.“ Erzählendes Theater und exzellente Schauspieler – ähnliche Pläne hörte man zuletzt von einem anderen Intendanten in spe, von Burkhard C. Kosminski, der im Herbst im Staatsschauspiel antritt. Könnte interessant werden zu sehen, wie unterschiedlich diese doch ähnlichen Theorien in der Praxis aussehen werden.

Zur Person

Axel Preuß, 1962 in Hamburg geboren, hat Literatur, Philosophie und Kunstgeschichte studiert. Er war Chefdramaturg am Landestheater Tübingen, Schauspieldirektor in Heidelberg, Leiter des Heidelberger Stückemarkts, Chefdramaturg in Braunschweig, Schauspieldirektor am Staatstheater Karlsruhe. Künftig leitet er die Schauspielbühnen Stuttgart.

Das Programm der Schauspielbühnen Stuttgart

Stücke, in denen Familienkonflikte im Zentrum stehen, bestimmen den Spielplan. Das Alte Schauspielhaus eröffnet die Saison am 14. September mit Schillers „Maria Stuart“, die Komödie im Marquardt am 21. September mit dem dramatisierten Kinohit „Monsieur Claude und seine Töchter“.

Axel Preuß sucht auch Kooperationen mit Institutionen wie dem Jungen Schloss im Landesmuseum, etwa bei dem Familienstück für Zuschauer ab fünf Jahren „Der Räuber Hotzenplotz“ von Otfried Preußler (Premiere: 29. November). Weitere Familienveranstaltungen: Theaterfest am 22. September und die Wissensshow „Checker Tobi und seine Freunde“ für Kinder ab sechs Jahren am 20. Oktober.

Neu sind unter anderem Premierenfrühstücke, Literaturveranstaltungen mit Hermann Beil, Zuschauerbetreuung während der Vorstellungspausen und Theater „on demand“, das auch auf anderen kleinen Bühnen spielbar ist – Lot Vekemans Monolog „Judas“ etwa feiert Premiere in der Hospitalkirche.